Es ist wieder soweit. Der sogenannte mehrjährige Finanzrahmen (MFR) der EU steht zur Verhandlung an. Das letzte Mal brauchten die Akteure 29 Monate, um zu einem Ergebnis zu kommen. Diesmal wird es – für den Zeitraum 2021-2027 – wohl noch kniffliger, da der anstehende Austritt Großbritanniens aus der Union die Lage zusätzlich kompliziert. Im Zentrum steht Günther Oettinger, der in der Vergangenheit als Energie-Kommissar und Kommissar für Digitales keine berauschende Bilanz in Europa vorlegen konnte und außerdem bereits angekündigt hat nach Ablauf seines derzeitigen Mandats Mitte 2019 in die Privatwirtschaft wechseln zu wollen. Aber zur Sache:
Deutschland soll nach den Plänen des Kommissars zukünftig ca. zwölf Milliarden Euro mehr Geld pro Jahr einzahlen. Ungefähr vier Milliarden davon und pro Jahr entfallen alleine auf den Ausgleich der Folgen des Brexits. Wie sich die Mehrleistungen auf Rückflüsse von EU-Geldern nach Deutschland auswirken, ist bislang nicht erläutert. Fest scheint aber zu stehen, dass fast alle bisherigen EU-Programme gekürzt werden sollen, also auch Hilfen für Landwirte und strukturschwache Regionen. Das frische Geld soll für Verteidigung und den Schutz der EU-Außengrenzen sowie für Bildung und gemeinsame Forschungsprojekte ausgegeben werden. Letzteres klingt erst einmal nicht schlecht, ist aber im Detail (noch) nicht erläutert.
Schlanker, sparsamer, effizienter
Der ständige Beobachter staunt über die fehlende Lernfähigkeit (oder Lernwilligkeit?) der EU-Funktionäre. Im gewohnten Stil setzt man die eigene Linie fort, ohne nach rechts oder links zu schauen. Diesmal kam der Widerspruch auf die Pläne jedoch unmittelbar und sehr deutlich gleich aus mehreren Ländern. Frankreich machte klar, wie zu erwarten war, dass Kürzungen im Agrarbereich nicht in Frage kommen. Nach Auffassung der Regierung der Niederlande seien die Lasten nicht gerecht auf die Mitgliedsstaaten verteilt. In Deutschland vernimmt man vorwiegend Stimmen aus der CSU zum Thema. Alexander Dobrindt meint: „Wenn die EU kleiner wird, darf ihr Haushalt nicht unbegründet größer werden… Die Menschen erwarten von jedem Euro, der nach Brüssel geht, zu Recht einen klaren europäischen Mehrwert.“ Auf der gleichen Linie twittert Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz: „Der Vorschlag der EU-Kommission für ein neues EU-Budget enthält zwar einige positive Ansätze für eine Modernisierung, ist jedoch noch weit von einer akzeptablen Lösung entfernt. Unser Ziel muss es sein, dass die EU nach dem Brexit schlanker, sparsamer und effizienter wird.“
EU-Kommissionspräsident Juncker und -Kommissar Oettinger sehen die Kritik gelassen. „Das war immer so“ meinte Juncker lapidar zur Kritik der Mitgliedsstaaten. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Zahler der Union endlich auf die Hinterbeine stellen und dafür sorgen, dass nicht der Schwanz mit dem Hund wedelt, sondern umgekehrt. Ein weiterer spannender Punkt wird sein, dass zukünftig wohl Zahlungen aus EU-Mitteln an Bedingungen geknüpft werden sollen. Beispiel Flüchtlingspolitik: Die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU ist in den letzten Jahren grandios gescheitert, da vor allem östliche Mitgliedstaaten wie Polen oder Ungarn eine Aufnahme weiterer Flüchtlinge kategorisch abgelehnt haben. In Zukunft will man nun die Auszahlung von EU-Mitteln an Bedingungen wie einen funktionierenden Rechtsstaat knüpfen. Dies sei nötig, um ein Versickern von Mitteln in Ländern, die beispielsweise über keine funktionierende Gerichtsbarkeit verfügen, zu verhindern. Interessanter Ansatz, aber werden osteuropäische Mitglieder der EU dem zustimmen? Falls nein, bedeutet dies dann ein Scheitern der Verhandlungen über den Finanzrahmen der EU, der einstimmig beschlossen werden muss?
Fest steht zum jetzigen Zeitpunkt: Es wird Kürzungen geben, die den einen nicht gefallen und Mehrausgaben, die anderen Mitgliedsstaaten der EU missfallen. Der nächste mehrjährige Finanzrahmen ist ein höchst komplexes Projekt und wahrscheinlich (mit)entscheidend für die Zukunft der EU. Er sollte daher von den besten verfügbaren Fachleuten und Politikern bearbeitet werden. Eine Erkenntnis, die sich – zumindest in Deutschland – erst noch durchsetzen muss.
Über den Autor Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Feedback erwünscht! Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:E-Mail: cr@cr-management-consulting.com Webseite: www.cr-management-consulting.com Telefon: +66 32 512 253 |