PATTAYA: Sie bleibt Monate leer: Pattayas weltbekannte Walking Street ist wegen der Corona-Krise verlassen. Scheinwerfer auf A-Go-Go-Bühnen bleiben aus, Musik in Discos wie Insomnia, Lucifer und Mixx ist lange verstummt. In den Schulen stehen die Stühle auf den Tischen, Hotelbetten warten auf Touristen. Pattaya ist wie kaum eine andere Touristenmetropole von der Pandemie getroffen. Viele Bewohner kehren ihr den Rücken – sie könnte sich dauerhaft verändern.
Nicht Sonne, Strand und Meer, sondern eine nur ca. 850 Meter lange Straße stellte jahrzehntelang die bekannteste Attraktion Pattayas dar, die der Stadt zwar einen einschlägigen Stempel aufdrückte und für eine lange Zeit den zweifelhaften Ruf als Asiens größten Sündenpfuhl bescherte, ihr jedoch auch zu weltweiter Bekanntheit verhalf, was sich für ihre Einwohner für viele Jahre in barer Münze auszahlte: Die Walking Street im Süden der Stadt, zwischen Beach Road und Laem Bali Hai.
Ob geliebt oder gehasst – die Fußgängerzone am Ende der Beach Road faszinierte jahrzehntelang als Kaleidoskop des berühmt-berüchtigten Nachtleben des Seebads und galt als ungeschlagener Rotlicht-Brennpunkt: Hier pulsierte das Seebad allnächtlich wie in keinem anderen Straßenzug. Anfang 2020 machte Corona die bis dahin nie enden wollende Party mit einem Schlag zunichte.
Die Party im Strip ist vorbei
Eineinhalb Jahre nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist von dem einstigen legendären Glanz der „Goldenen Meile“ nichts mehr übrig. Wo in Vor-Corona-Zeiten noch eine Bar die nächste übertönte und sich die bunten Neonlichter der A-Go-Go-Bars aneinander schmiegten, herrscht im August 2021 Totentanz: Die Bars und Clubs im „Strip“ sind seit Monaten geschlossen, die bunten Lichter längst erloschen. „Zu vermieten“-Schilder an den vielen heruntergelassenen Jalousien offenbaren, dass viele Etablissements ohnehin wohl nicht mehr öffnen werden – selbst nach einem Sieg über Corona.
Das schillernde Sammelsurium der flankierenden Geschäfte, Restaurants, Servicebetriebe, Straßenständen und etlichen Vergnügungsstätten, das sich sogar noch üppig in den Seitengassen fortsetzte, litt bereits vor dem Beginn der Krise unter Besucherschwund. Der schlechte Wechselkurs, immer erschwerlichere Visa-Regelungen und nicht zuletzt das fortschreitende Aussterben der „Sugar Daddies in Spendierhosen“ schlugen sich in den Besucherzahlen nieder: Traditionell treue Gäste aus westlichen Ländern in Übersee – darunter Amerikaner, Australier, Briten und Deutsche – blieben von Jahr zu Jahr mehr aus.
Krise im Kiez bereits vor Pandemie
Sie wurden durch chinesische Reisegruppen ersetzt, deren unzähligen Busse zwar die Straßen der Stadt verstopften, dem Rotlicht-Gewerbe aber keine zahlende Kundschaft bescherten. Viele Barbetreiber kämpften deshalb bereits zwei Jahre vor Pandemiebeginn ums Überleben. Corona versetzte vielen den finalen Todesstoß...
Als Präventivmaßnahme gegen Überfälle und andere kriminelle Delikte wurde die zuvor grellste und schrillste Straße der Stadt bereits im Vorjahr – während des ersten Covid-19-Ausbruchs – für den Verkehr in beide Fahrtrichtungen freigegeben. In Zeiten von Corona sollte mit dieser Maßnahme etwas Licht in die gefährlich dunkle „The Walking Dead Street“ gebracht werden, wie der ehemalige Strip zwischenzeitlich auch genannt wird.
High mit Hulk gegen Corona-Trübsinn
Läuft man heutzutage in die um ihren Glanz gebrachte Amüsiermeile – aus Richtung Beach Road kommend – hinein, macht sich die erdrückende Vorahnung breit, dass es wohl noch viele Monate oder sogar Jahre benötigen wird, bis hier die bunten Lichter wieder leuchten. Einziger Lichtblick in der sich ansonsten komplett verlassen und zunehmend verwahrlost präsentierenden Walking Street ist eine große giftgrüne Hulk-Statue, die mit Cannabis-Blättern bewaffnet ist und zum neu eröffneten „The Old Weedman“ gehört. Das ideenreich dekorierte Cannabis-Café ist die einzige diesjährige Neueröffnung im Kiez und auch das einzige Geschäft, das derzeit in der Walking Street geöffnet ist. Umgeben von so viel Corona-Trostlosigkeit, wirkt der Coffee Shop wie eine im grünen Licht erstrahlende Fata Morgana in der Wüste.
Vielleicht fordert Hulk aber auch gerade – völlig „high“ – seinen Superheldenkumpel „Das Ding“ (Ben Grimm) zum Kampf heraus, dessen stadtbekannte Riesenstatue direkt gegenüber vom „The Old Weedman“ vor dem geschlossenen Livemusik-Pub „The Stone House Walking Street“ thront. Eine mögliche Folge des gefährlichen Mixes aus psychaktiven Rauschmitteln und Corona-Trübsinn...
Vierbeinige Mieze vor stillstehender Mühle
Ein paar Meter weiter ist endlich eine Mieze in Sicht – jedoch ein schnorrendes, vierbeiniges Exemplar mit Schwanz, das von seiner sorgenden „Sugar Momma“ mit einer goldenen Glocke um den Hals bestückt wurde! Selbst drei herumstreunernde Straßenhunde scheinen die sichtbar gelangweilte Katze nicht zu interessieren.
Verlassen wirken auch das Moulin Rouge mit seiner markanten Windmühle – in Anlehnung an das legendäre Pariser Cabaret – und das im Obergeschoss liegende, imposante Galaxy Cabaret, das seine blond(iert)en, tanzenden Schönheiten aus dem ehemaligen Zarenreich Nacht für Nacht in exponierten Glasvitrinen präsentierte, um Gäste anzulocken.
Läuft man weiter Richtung Hafen hinunter, kann dem einen oder anderen Stammgast im Kiez schon mal die eine oder andere Träne die Wangen hinunterkullern, wenn er die vielen geschlossenen Stangentanztempel mit verheißungsvollen und bewährten Namen wie „Dolls“, „Bliss“, „Rich“, „Fahrenheit“ und „The Iron Club“ passiert. Tränen der Erinnerung an eine bessere Zeit, die in der Pandemie viele Lichtjahre entfernt erscheint. Selbst der beliebte „Air Port Club“ mit seinen frivollen Stewardessen sucht zwischenzeitlich einen finanzkräftigen Mieter...
Links und rechts nagt der Tod
Fans der Hot Tuna Bar, in früher allabendlich Thailands lebende Rock-Legende Lam Morison auftrat, müssen beim Durchqueren der Straße genauso stark sein, wie alle Urlaubs-Hip-Hoper und Raver, wenn sie an zuvor bewährten Durchlauferhitzern wie Lucifer, The Pier, 808 oder iBar und Insomnia vorbeikommen – der letztgenannte Nachtclub hat sogar bereits seinen Namen mit schwarzer Plane verdeckt...
Wer keine weiteren Entäuschungen erleiden möchte, läuft am besten wieder zurück in Richtung Beach Road. Schauen sie bloß nicht nach rechts oder links! Denn ein Blick in die toten Seitenarme der Walking Street, z.B. in die ehemalige „Schweizer Gasse“ Soi Diamond, oder aber auch auf den verlassenen Boxring der Marine Bar, könnte Leichtbeseelten den Rest geben!
Abendspaziergang am Rande des Abgrunds