Schüler lernen stur auswendig

Lehrer vermitteln kein kritisches und analytisches Denken

Mädchen und Jungen einer Dorfschule
Mädchen und Jungen einer Dorfschule

Von Günther Ruffert

Die Grundschulpflicht für Kinder beträgt sechs Jahre. Dann folgen drei Jahre in der Oberstufe. Das Lehrsystem und die Lehrinhalte unterscheiden sich aber stark von unseren Lehrsystemen.

Jedem Farang, der mit Leuten aus dem Isaan länger zusammen ist oder gar dort wohnt, fällt es oft schwer, die Gedankengänge der Menschen dort nachzuvollziehen. Das ist zum einen auf die von unserer Lebenseinstellung stark abweichende und vom Buddhismus geprägte Lebensphilosophie, aber auch, vor allem im Berufsleben, auf das gegenüber unseren Verhältnissen sehr unterschiedlicheBildungssystem zurückzuführen.

Da das Erziehungssystem ganz auf stures Auswendiglernen ausgerichtet ist, werden lediglich die Fähigkeiten genutzt und entwickelt, sich Texte und das, was die Lehrer unterrichten, im Gedächtniseinzuprägen.

Ein typisches Beispiel für das Unterrichtsschema an Thai-Schulen ist der Englisch-Unterricht. Selbst auf den Dorfschulen bekommen die Kinder schon ab dem 4. Schuljahr Englisch-Unterricht. Ich habe mich immer darüber gewundert, warum die Kinder trotzdem nicht in der Lage sind, mir auf eine einfache Frage in Englisch eine Antwort zu geben.

Seitdem ich aber auf Bitten der Lehrer jetzt an unserer Dorfschule ein paar Stunden Englisch-Unterricht für die Oberklassen gebe, ist mir klar geworden, warum. Da die Lehrer selbst kein oder nur gebrochen Englisch sprechen, werden stur englische Texte aus dem Lehrbuch heruntergebetet, ohne dass den Schülern klar gemacht wird, worum es sich handelt.

Es werden keine Vokabeln gelernt und natürlich auch keine abgefragt. Das Resultat ist, dass die Schüler selbst nach fünf Jahren Englisch-Unterricht nicht in der Lage sind, einen einfachen Satz zu formulieren. Wenn ich jemanden frage: „What is your name” bekomme ich nur ein verlegenes Grinsen oder Kichern als Antwort.

Die Disziplin an den Schulen ist allgemein strenger als bei uns. Hingegen wird wenig Wert auf die Ausbildung eines kritischen Denkvermögens bzw. auf die Vermittlung von analytischen Fähigkeitengelegt. Das, was gelehrt wird, und vor allem, wie es gelehrt wird, lässt kaum Raum für Diskussion, Meinungsbildung und Fragestellungen. Diese Lehrmethode blockt kreatives und vor allem laterales Denken und damit das eigenständige Suchen nach alternativen Lösungen ab.

Ein für uns schwer verständlicher Charakterzug ist eine gewisse Engstirnigkeit bzw. die Weigerung, Meinungen, die von ihrer eigenen Meinung abweichen, als vernünftig und logisch zu akzeptieren. Wenn ein Thai sagt, er glaube etwas nicht, dann kann er kaum begründen, warum. Anstatt einen Thai zu fragen, was er über eine bestimmte Sache denkt, fragt man ihn besser, was er darüber weiss.

So ist es z. B. für Farang-Techniker, die mit Thai-Personal zusammenarbeiten müssen, sehr schwer, den Thai-Kollegen davon zu überzeugen, dass es zur Durchführung einer bestimmten Aufgabe auch andere, bessere Lösungen gibt als die, welche man ihm einmal beigebracht hat.

Wenn man einem Thai etwas begreiflich machen will oder von ihm verlangt, irgend etwas zu tun oder zu lassen, hat es auch wenig Zweck zu versuchen, dies mit abstrakten Erklärungen zu begründen. Er wird es aber sofort begreifen, wenn man einen für ihn verständlichen, weil nützlichen Grund angibt. So hat es zum Beispiel wenig Sinn, den Menschen bei mir im Dorf klar zu machen, dass in Deutschland jeder, der Arbeit hat, in der Woche fünf oder sechs Tage von morgens bis abends arbeitet, selbst wenn er mit drei Tagen Arbeit in der Woche genug Geld verdient, um davon gut zu leben.

Schliesslich ist es gut, sich beim täglichen Umgang mit Thais darüber klar zu sein, dass für sie unsere Gesetze der Logik nur beschränkt gelten. Ein Thai denkt bei seinem Tun und Lassen weniger an die kurz- und schon gar nicht an die längerfristigen Folgen, sondern vor allem an den Augenblick und an sein „Gesicht“.

Er wird sein Tun oder Lassen weniger danach ausrichten, was nach unserem Verständnis vernünftig oder logisch ist, sondern zunächst danach, was ihm „Gesicht” verleiht.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf in seinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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