Religion

Spannendes Buch über den Isaan

Junge Männer sollen eine gewisse Zeit ins Kloster
Junge Männer sollen eine gewisse Zeit ins Kloster

Ich will hier keine Abhandlung über den Buddhismus bringen, darüber gibt es mehr als genug einschlägige Literatur, auch in deutscher Sprache. Ich will aber versuchen - soweit mir das als Farang möglich ist - zu beschreiben, was der Buddhismus für die Menschen in den Dörfern des Isaan bedeutet, und welchen Einfluss er auf ihr Tun und Lassen hat.

Wie ganz Thailand, so ist auch der Isaan stark vom Buddhismus geprägt. Er wurde bereits im 6. Jahrhundert n.Chr. von indischen Mönchen nach Thailand gebracht. Doch die vorher dort herrschenden religiösen Bräuche sind im Bewusstsein der Menschen durch die Lehren Buddhas nicht ausgerottet, sondern nur überdeckt worden. Der Animismus ist als Geisterglaube noch tief im Leben und den Gebräuchen der Menschen im Isaan verankert. Manchmal wird der Buddhismus der Menschen in den Dörfern auch als "Volksbuddhismus" bezeichnet, da er neben rudimentären buddhistischen Elementen auch viele animistische Bräuche beinhaltet. Es gibt natürlich überall, und vor allem in den Klöstern Menschen, die sich ernsthaft mit den Lehren Lord Buddhas befassen und versuchen, danach zu leben.

Die Staatsreligion in Thailand ist zwar der Buddhismus, aber diese Religion verbietet es ihren Anhängern nicht, auch andere Religionen zu praktizieren oder an Geister zu glauben. Geister gibt es im Isaan unendlich viele, dabei ist es auch egal, ob man nun Buddha, Jesus oder Allah anbetet. Die Furcht vor den Geistern steckt in fast jedem.

Buddha wird aber in den zu jedem Dorf gehörenden Tempeln verehrt; nicht als Gott, der die Geschicke aller Menschen bestimmt, sondern als grosser Lehrer, der den Menschen den Sinn ihres Lebens zu verstehen lehrt und die Wege, am besten damit fertig zu werden, aufzeigt. Buddhismus ist daher keine Religion wie das Christentum oder der Islam, sondern eher ein Plan, sein Leben so zu leben, dass man den höchsten Profit davon hat.

Um die Menschen im Isaan und den bestimmenden Einfluss, den die buddhistischen Traditionen auf ihr ganzes Leben haben, zu verstehen, muss man sich ein wenig mit den Lehren Lord Buddhas befassen. Er stellt für den Menschen fünf Gebote auf: nicht töten, nicht stehlen, nicht lügen, nicht Unzucht treiben und keine berauschenden Getränke zu sich nehmen. Natürlich wird jeder, der nicht als Heiliger geboren ist, zumindest gegen die letzten drei Gebote mehr oder weniger oft verstossen. Das ist dann für den Buddhisten keine Sünde, die mit Höllenstrafen geahndet oder zumindest gebeichtet werden muss, sondern ein Abweichen vom Weg, den Buddha als richtig erkannt hat, aber auf den man jederzeit problemlos wieder zurückkehren kann. Etwas anderes ist es, wenn man die gelbe Robe angelegt hat und ins Kloster gegangen ist. Für den Mönch gelten 227Gebote, die jeder der ins Kloster geht, für diese Zeit einhalten muss. Das sind im wesentlichen die 5Gebote, die auch jeder Laie einhalten sollte. Dazu kommen dann noch eine Unzahl von Vorschriften, die einem zwar kein Mensch erklären kann, die aber zusammen dazu dienen sollen, den Mönch von allen irdischen Gelüsten zu befreien und seine Seele frei von den Leiden dieser Welt und für den Weg zum Nirwana zu machen.

Alle die Regeln, die Lord Buddha vor über 2.500Jahren aufgestellt hat, einschliesslich der daraus entwickelten Bräuche - z.B. dass jeder ordentliche junge Thai vor seinem Militärdienst ein paar Monate ins Kloster geht - sind im Grunde keine religiösen Vorschriften, die, wie bei den anderen grossen Religionen, auf Weisung eines allmächtigen Gottes eingehalten werden müssen. Es sind vielmehr praktische Lebensregeln, die es dem leidgeplagten Menschen ermöglichen sollen, mit den Widrigkeiten dieses Lebens besser fertig zu werden, das heisst, sie gelassen und ohne Aufbegehren zu ertragen. Die von Buddha aufgestellten Regeln für ein rechtes Leben sind zwar manchen christlichen Geboten ähnlich, doch handelt es sich dabei um keine göttlichen Gebote, sondern um den freiwilligen, aus Einsicht entstandenen Entschluss des Menschen, sich des Tötens lebender Wesen, des Aneignens fremder Dinge, des Lügens und eines unsittlichen Lebenswandels zu enthalten. Im Buddhismus gibt es keine Sündenvergebung durch Gnade, sondern nur die allmähliche Läuterung durch persönliche Anstrengung. Gerade weil dieser von Buddha aufgezeigte Weg nicht von der Gnade eines allmächtigen und unbegreiflichen Gottes abhängt, ist er für den Menschen verständlich und nachvollziehbar. Buddhismus fordert keinen blinden Glauben an irgend ein Dogma, sondern fordert im Gegenteil den Menschen auf, die Lehren Buddhas mit seinem Verstand zu prüfen und nur das zu akzeptieren, was ihm richtig erscheint.

Der Buddhismus mischt sich auch weniger als andere Religionen in gesellschaftliche Zustände ein, sondern zielt darauf, dem Individuum zu zeigen, wie es selbst mit den Widrigkeiten dieses Lebens fertig werden und endlich das Nirwana erreichen kann. Tatsächlich sind Thais trotz starker familiärer Bindungen ausgesprochene Individualisten, die sich möglichst wenig um die Angelegenheiten der Mitmenschen kümmern. Der Thai, der im engen Familienverband aufwächst, lernt von klein an, dass nur die Eltern sowie der König und die Mönche zu respektieren sind, eventuell ist noch auf die nächsten Familienangehörigen, die mit in den vier Wänden wohnen, Rücksicht zu nehmen. Die einem Besucher manchmal befremdlich aufstossende fehlende Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des anderen, bemerkbar vor allem im Strassenverkehr und in öffentlichen Verkehrsmitteln, beruht ganz einfach darauf, dass man nicht gewohnt ist, für den Fremden zu denken oder sich in seine Bedürfnisse hineinzuversetzen.

Strenge Gebote

Mönche werden im ganzen Land hoch respektiert.
Mönche werden im ganzen Land hoch respektiert.

Trotz der Klausur im Kloster und den strengen Geboten (keinen Alkohol trinken, keine Frau berühren, nach 12Uhr mittags keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen) leben die Mönche nicht vom Alltag abgegrenzt. Jeden Morgen schlurfen sie schweigend, mit gesenktem Kopf, den Sammelnapf vor den Bauch gepresst, der älteste Mönch an der Spitze, der jüngste am Ende, in langer Reihe einer hinter dem anderen aus dem Klostertor und gehen an den Hausreihen entlang, um ihre Tagesverpflegung einzusammeln. Dabei ist der bei uns oft verwendete Ausdruck "Bettelmönche” absolut falsch. Es ist keinesfalls die Armut, welche die Mönche dazu zwingt, sich ihre Nahrung zu erbetteln. Die Klöster in Thailand sind allgemein so reich, dass sie bequem alle ihre Mönche ernähren können. Der morgendliche Umzug mit dem Blechnapf ist vielmehr eine im Mönchsritus verankerte Übung, die zum einen zur Demut erziehen, zum anderen den Gläubigen die Gelegenheit geben soll, ein gutes Werk zu tun. Die Mönche betteln also dabei nicht etwa um ihr Essen, sondern sie sammeln nur die Nahrung ein, die ihnen als Opfergabe der buddhistischen Bevölkerung ganz selbstverständlich zusteht.

Vor den Hauseingängen haben die Frauen ihre Töpfe aufgestellt und geben jeweils einen Schlag Essen, eventuell auch eine Plastiktüte mit einem besonderen Leckerbissen in den Sammelnapf. Anschliessend bedankt sich nicht etwa der Mönch für die Gabe, sondern die Spenderin mit einem tiefen Wai dafür, dass der Mönch ihr Gelegenheit gegeben hat, ein gutes Werk zu tun. Wer seinen Napf gefüllt hat, schlurft gemessenen Schrittes zum Kloster zurück, um sich den anderen vorgeschriebenen Übungen und Studien zu widmen. Mit den reichlich überbleibenden Essensresten wird übrigens eine grosse Zahl herrenloser Katzen und Hunde ernährt. Die meisten Klöster in Thailand fungieren gleichzeitig als Tierheime.

Auch keine Veranstaltung oder Zeremonie ist ohne die Anwesenheit von ein paar Mönchen denkbar. Ob es sich um eine Hauseinweihung, eine Hochzeit, ein neu gekauftes Auto oder ein Fussballspiel der Dorfmannschaft handelt, ohne den Segen der Mönche läuft nichts. Es muss sich aber immer um eine ungerade Zahl Mönche handeln, eine gerade Zahl bringt Unglück. Und ein paarmal im Jahr zu bestimmten Feiertagen zieht das ganze Dorf festlich geschmückt zum Kloster, um dort den Mönchen neue Gewänder und sonstige Dinge zu bringen, die ein Mann so braucht. In jedem Kramladen kann man fertig gepackte, mit allen möglichen Sachen, von Zahnpaste bis zu Zigaretten und Streichhölzern gefüllte Plastikeimer kaufen, um damit im Kloster "tam buun" zu machen.

Klöster stellen für die Menschen im Isaan vor allem die Gelegenheit dar, sich Verdienste für das zukünftige Leben zu erwerben. Im Volksglauben gewinnt man grossen Verdienst für sich oder einen Nächsten, wenn man für einige Zeit Novize oder Mönch wird. Aber auch all diejenigen, die die Kosten der Ordination bestreiten oder unterstützen, erlangen grossen Verdienst.

Die Mönche sind aber nicht mit unseren westlichen Klosterbrüdern zu vergleichen. Der wichtigste Unterschied ist, dass sie kein lebenslanges Gelübde ablegen müssen. Der Thai, der ins Kloster geht, kann selbst bestimmen, wie lange er sich im Mönchsorden aufhalten will, ein Jahr, ein viertel Jahr, einen Monat oder auch nur eine Woche und darf während dieser Zeit das Kloster jederzeit wieder verlassen. Er kann natürlich auch für sein ganzes Leben im Kloster bleiben. Das sind dann die älteren Mönche, die mit dem Abt an der Spitze die jeweilige Stammbesatzung bilden, welche die jungen Novizen führt und anleitet.

(Fortsetzung im nächsten Heft)

Günther Ruffert
Günther Ruffert

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf in seinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: "Ein Fenster zum Isaan" beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.