Keine Mahlzeit ohne Reis

Die Isaan-Küche ist scharf und treibt Europäern die Tränen in die Augen

Überall auf den Strassen halten Garküchen ein reichhaltiges Angebot an Speisen bereit
Überall auf den Strassen halten Garküchen ein reichhaltiges Angebot an Speisen bereit

Von Günther Ruffert

Essen dient im Isaan nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern ist „sanuk„ (Spass, Vergnügen). Gegessen wird allgemein im Familienkreis, aber auch in den vielen Garküchen am Strassenrand. Unentbehrlicher Bestandteil jeder Isaan-Mahlzeit, so wie bei uns Kartoffeln oder Brot, ist Klebereis, der meist ohne Gabel und Löffel mit den Fingern gegessen wird.

Nicht umsonst bedeutet das Thai-Wort für essen „gin kao„ das wörtlich übersetzt heisst: „Reis zu sich nehmen“. Eine Mahlzeit ohne Reis wird nicht als wirkliche, den Hunger sättigende Mahlzeit angesehen.

Daneben wird viel Grünzeug gegessen, nicht nur Gemüse, sondern überwiegend Kräuter und Blätter, die in der Natur wachsen. Das sind vor allem Wasserpflanzen, aber auch verschiedene Baumblätter. Das Grünzeug hat meist einen bitteren oder sauren Geschmack und ist kaum etwas für den Farang-Gaumen.

Die Isaan-Küche ist scharf, vielleicht nicht ganz so scharf wie die indische Küche, aber doch so, dass es uns Europäern bei den hier typischen Currygerichten die Tränen in die Augen treibt.

Thailand ist ein tropisches Land, und Chili war zu der Zeit, als man noch keine Kühlschränke kannte, ein notwendiges Mittel, um Speisen vor zu schnellem Verderb zu bewahren.

Grundlage der meisten Gerichte ist ein zu Beginn des Kochens in einem kleinen Mörser zubereitetes Gemisch aus Knoblauch, Currypaste, kleinen roten Paprikaschoten und verschiedenen Kräutern. Dieim Mörser zusammengestampfte Paste kommt dann zuerst mit etwas Öl in die über einer offenen Flamme stehende Pfanne, den Wog. Anschliessend werden dann die Zutaten, Fleisch, Fisch, Nudeln usw.der Reihe nach zugegeben und geschmort.

Ein typisches Isaan-Gericht ist „Som tam“, das jeder Farang kennen lernen wird, der eine Zeit lang mit einem Mädchen aus dem Nordosten Thailands zusammen ist. Dieses Isaan-Nationalgericht ist ein Mischgemüse, bestehend aus klein gehackten grünen Papayas, Zwiebeln, Tomaten, Zitrone, Pfeffer, Salz und Chilischoten. Zur Geschmacksaufbesserung wird dem Ganzen eine ordentliche Portion fermentierter Fisch oder Krabben beigegeben. Es ist vor allem die letztere Zutat, die dem Ganzen den typischen Geruch, man kann auch sagen Gestank, gibt, der den Farang allgemein vom Verzehr abschrecken wird.

Überall auf den Strassen und an den Stränden von Pattaya sieht man Frauen mit den nötigen Zutaten in Körben an einer Tragestange über der Schulter umherwandern. Man hört das klopfende Geräusch, mit dem sie, am Boden hockend, die grünen Papayas, die ja die Basis dieses Gemüses bilden, zerstampfen. Das Zeug wird deshalb von den Farang auch „papaya-pok-pok“ genannt.

Wenn sich ein Farang aber von seiner Isaan-Freundin, die keinen Tag ohne „Som tam“ leben könnte, dazu verleiten lässt, einen Bissen von diesem scharfen Zeug zu probieren, sollte er sich vorher vergewissern, eine gefüllte Wasserflasche griffbereit zu haben, da ihm sonst nach ein paar Sekunden die Flammen aus dem Hals schlagen werden.

Gegessen wird grundsätzlich im Familienkreis. Abends kommt die ganze Familie zur Hauptmahlzeit zusammen. Dabei gibt es nicht verschiedene Gänge, sondern viele Gerichte werden nebeneinanderge-gessen. Jeder von den Brüdern und Schwestern, die ringsumher wohnen, bringt in der Regel seinen Beitrag mit, und alles hockt sich im Kreis auf eine auf den Boden gelegte Matte. Ein grosser Topf mit gekochtem Reis und verschiedene Töpfe mit den Beilagen (Fleisch, Fisch, Huhn, Gemüse, Suppe) wird in die Mitte gestellt, und jeder füllt sich zunächst eine ordentliche Portion Reis auf den Teller. Beim Essen kann jeder aus der Vielzahl der aufgetragenen Gerichte wählen.

Man nimmt sich abwechselnd einen Löffel von den Beilagen, die einem schmecken und isst dies zusammen mit seinem Reis. Es ist nicht höflich, wenn man sich gleich zu Beginn mehrere Löffel von den Beilagen auf den Teller tut, damit man nicht so oft zugreifen muss.

Die Reste kommen in den Schrank und werden am nächsten Morgen zum Frühstück serviert, mit Ausnahme des Reis, der morgens immer frisch gekocht wird. Die Mahlzeiten während des Tages sind immerdie gleichen, d. h. es werden morgens, mittags und abends immer die gleichen Speisen serviert.

Reis enthält vor allem Kohlenhydrat, aber kaum Kalcium. Milchprodukte sind praktisch unbekannt. Die Kühe, die neben den das Bild des Isaan beherrschenden Wasserbüffeln gehalten werden, dienen nur als Schlachtvieh und werden nicht gemolken.

Als Folge des Kalciummangels ist Osteoporose im Isaan bei älteren Leuten weit verbreitet, und man kann auf den Dörfern überall vor allem alte Frauen mit stark gekrümmten Rücken sehen. Um dem Kalciummangel abzuhelfen, bekommen Schulkinder jeden Morgen einen Viertelliter sterilisierte Milch zu trinken.

Zum Essen getrunken wird Wasser. Entweder Wasser aus einem Brunnen oder Regenwasser, das in der Regenzeit in grossen Tonfässern gesammelt wird. An der Zahl und Grösse der hinter dem Haus stehenden Tonfässer kann man auf den Wohlstand der Familie schliessen.

Bei jedem Haus ist an der Dachrinne statt eines Abfallrohrs ein grosser Schlauch angebracht, der das vom Dach herniederströmende Regenwasser abwechselnd in die Tonfässer leitet. Das Wasser hält sich in den Tonfässern erstaunlich gut. Gegen Ende der Trockenzeit ist das Wasser aber schon einige Monate alt, und wenn der Farang nicht einen ausgepichten Magen hat, ist es ratsam, sich an Trinkwasser in Flaschen zu halten, das es überall zu kaufen gibt.

Natürlich trinken die Leute auch gerne Bier, aber es ist für die Dorfbewohner allgemein zu teuer und wird nur bei festlichen Anlässen serviert. Wenn Bier oder Reisschnaps getrunken wird, dann aber immer vor dem Essen, nicht beim Essen wie bei uns. Wenn ich abends vor dem Haus sitze und eine Flasche Bier trinke, dann gehört es zum guten Ton, das man einen vorbeikommenden Nachbarn einlädt, ein Glas mitzutrinken. Aber selbst von Leuten, die, wie ich weiss, einem guten Tropfen nicht abgeneigt sind, bekomme ich dann oft zur Antwort: „Vielen Dank, aber ich habe schon gegessen“.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf in seinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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