Eheschliessung

Zwar gibt es in Thailand die gesetzliche Ehe, die amtlich registriert wird, und bei der beide Partner gesetzlich definierte Rechte und Pflichten übernehmen, und sie ggf. auch einklagen können. Diese förmliche gesetzliche Eheschliessung wird im Isaan auf dem Lande in der Regel aber nicht praktiziert. Zwar ist eine aufwändige Hochzeitsfeier von der Seite der Eltern immer erwünscht, um die Eheschliessung vor dem gesamten Dorf zu dokumentieren. Es genügt aber auch ein gemeinsames Zusammenleben über einen längeren Zeitraum und das Vorhandensein gemeinsamer Kinder, um in der Gesellschaft als verheiratet zu gelten.

Falls aber die Ehe wirklich offiziell geschlossen und bei der Ortsbehörde in ein Register eingetragen wird, so gilt auch in Thailand seit 1932gesetzlich die Einehe. Da sich althergebrachte gesellschaftliche Gewohnheiten aber nicht so schnell ändern lassen wie Gesetze, heisst das in der Praxis, dass der wohlhabendere Mann sich eine Hauptfrau (mit Lizenz) und eine oder mehrere Nebenfrauen hält. Da aber nur die Hauptfrau gesetzliche Ansprüche hat, kann er die Nebenfrau und ihre Kinder jederzeit verlassen, wenn ihm danach ist, ohne dass diese irgendwelche Versorgungsansprüche haben oder gesetzlich einklagen könnten. Auch wird gesetzlich nur die erste Frau als wirkliche Gattin angesehen, sie allein wird unter allerhand Zeremoniell und Festlichkeiten angetraut, und stirbt ihr Gatte, so kann nur sie allein ihn beerben.

Es ist jedoch äusserst wichtig, dass sich der junge Mann den Segen der Eltern seiner Braut holt. Das hat allerdings weniger moralische als handfeste finanzielle Gründe. Wenn ein Junge ein Mädchen zur Frau nehmen will, muss er den Eltern dafür eine entsprechende Ablösesumme zahlen. Die Höhe der Summe richtet sich weniger nach der Schönheit des Mädchens, sondern mehr nach der sozialen Stellung und dem Reichtum der Familie und liegt häufig in der Höhe eines Jahresverdienstes oder sogar noch darüber. Dies natürlich vor allem dann, wenn zu erwarten ist, dass die Braut nach dem Tode der Eltern ein schönes Stück Land erbt. Wenn in meiner Nachbarschaft jemand heiratet, bekomme ich immer genau erzählt, was die Braut gekostet hat, und wieviel Gold der Bräutigam seiner jungen Frau als Brautgeschenk und als erste Rate ihrer Zukunftssicherung überreicht hat. Es sind oft für die Verhältnisse der Leute sehr hohe Beträge, für die dann die ganze Familie des Mannes zusammengelegt hat. Dieses an die Eltern zu zahlende Brautgeld ist aber nur fällig, wenn die Braut noch Jungfrau ist. Für „gebrauchte Ware“, vor allem wenn auch noch ein Kind als Beweis der verlorenen Unschuld da ist, kann nur erheblich weniger oder gar kein Geld verlangt werden, so dass die Eltern durchaus auch ein finanzielles Interesse daran haben, die Jungfräulichkeit ihrer Töchter zu bewahren. Wie so etwas abläuft, zeigt die folgende Geschichte.

Die Brautschau

Eines morgens stehen plötzlich ein alter Pickup und zirka 15Leute aus dem Dorf vor unserem Haus, angeführt vom Dorfältesten und dem Bürgermeister. Ich bekomme erklärt, dass die ganze Truppe zu einer wichtigen Angelegenheit gefahren werden muss und werde gefragt, ob ich mitfahren will. Natürlich will ich und klettere also mit der ganzen Bagage hinten auf die Ladefläche des Pickups. Zuerst geht es über die Landstrasse, dann ein ganzes Stück über allgemein nur von Büffelkarren befahrene Feldwege, bis wir endlich nach zirka einer Stunde bei ein paar armseligen, kleinen Hütten angelangt sind. Bis jetzt habe ich noch nicht richtig begriffen, worum es eigentlich geht, nur das Wort „Tschao-bao” (Bräutigam) habe ich verstanden. Es muss sich also um eine Angelegenheit handeln, die etwas mit einer Hochzeit zu tun hat.

Die ankommende Gesellschaft wird von den Bewohnern des kleinen Weilers, mit dem Dorfältesten an der Spitze, begrüsst. Dann setzt man sich in einer grossen Hütte zusammen und fängt an zu palavern. Ich sitze dabei, kann aber – obwohl ich einigermassen Thai spreche – kaum ein Wort verstehen, da alle unter sich nur kambodschanisch sprechen. Ich muss also versuchen, mir aus den Gesten und der unterschiedlichen Mimik etwas zusammenzureimen. Nach einer halben Stunde freundlichen Palaverns, in der man sich wohl über das Wetter und die allgemein schlechten Zeiten beklagt hat, kommt man aber endlich zur Sache. Die beiden Dorfältesten fangen an, intensiv miteinander zu verhandeln, und ich bekomme mit, dass es augenscheinlich um Geld geht. Die Stimmen werden lauter, bei jeder Forderung der einen Partei wird von den Mitgliedern der anderen heftig protestiert. Der ganze Kuhhandel geht aber mit viel Gelächter und Scherzen vor sich. Nach etwa 2Stunden scheint man sich über den Preis - für was auch immer - einig geworden zu sein. Eine Flasche Reisschnaps und ein paar Flaschen Bier werden aufgemacht und auf den abgeschlossenen Handel geleert.

Jetzt werden ein junger Mann, der mit unserer Truppe gekommen war, und ein junges Mädchen, das wohl hier in das Dorf gehört, hereingerufen. Beide hatten während der ganzen Verhandlung mit ein paar anderen jungen Leuten vor der Hütte gesessen. Nun beginne ich langsam zu ahnen, um was es sich handelt. Ein junger Mann aus unserem Dorf, der bei der Grenzpolizei in der Nähe des anderen Dorfes stationiert war, hatte eine Braut gefunden, und nun muss der Brautkauf der Sitte gemäss zwischen den beiden Dörfern abgeschlossen werden.

Auf meine interessierte Frage, was die junge Braut denn nun gekostet hat, erfahre ich, dass sich der Brautpreis auf 8000Baht (ca. 400DM), eine fette Sau und zwei Kartons Reisschnaps beläuft. Als ich darüber erstaunt bin, da ich von anderen Hochzeiten im Dorf wesentlich höhere Preise gewohnt bin, werde ich belehrt, dass es sich hier um die Tochter von armen Tagelöhnern handelt, die, anders als Bauerntöchter, ja kein Erbrecht auf das elterliche Land mit in die Ehe bringt und deshalb so billig ist.

Abschliessend will ich nun noch wissen, wann Hochzeit ist. Das soll in etwa drei Monaten sein, den genauen Termin kann aber jetzt noch keiner sagen, denn dazu muss der Dorfschamane erst befragt werden, um einen günstigen Tag herauszufinden.

Die Hochzeit

Endlich ist der vom Dorfschamanen empfohlene Tag für das grosse Hochzeitsfest gekommen Am Morgen werde ich schon gegen 5Uhr durch dröhnende Disco-Musik geweckt. Der Krach wird durch eine Riesenlautsprecheranlage erzeugt, die vor dem mindestens 300m entfernten Haus eines Nachbars steht. Die erzeugte Lautstärke reicht aber aus, um mich beinahe aus dem Bett fallen zu lassen. Die Eltern des Bräutigams sind für hiesigeVerhältnisse wohlhabende Bauern, und so ist eine Hochzeit erster Klasse zu erwarten. Meine Frau und ich sind selbstverständlich dazu eingeladen, denn ich war ja schon bei der Brautwerbung dabei.

Den ganzen Tag über wird im Hause des Bräutigams bei dröhnenden Lautsprechern gefeiert. Abends gesellen wir uns dazu, überreichen 500Baht als Hochzeitsgeschenk und setzen uns an einen der vielen im Garten des Hauses aufgestellten Tische. Nun wird laufend alles aufgetragen, was gut und teuer ist: knusprig gebratenes Spanferkel, gebratenes Huhn und verschiedene Gemüse und Suppen, dazu Reisschnaps, Bier und Coca-Cola. Aus den Lautsprechern ertönt laufend ohrenbetäubende Musik, so dass man sein eigenes Wort nicht verstehen kann. Auf meine Frage, wo denn die Braut sei, erfahre ich, dass die im Hause des Bräutigams stattfindende Party nur das ist, was wir als Polterabend bezeichnen würden; die Braut hat dabei nichts zu suchen. Gegen Mitternacht verlassen wir, satt gegessen und getrunken die Party, die aber – wie ich an dem Krach, der die ganze Nacht über anhält, unschwer erkennen kann – bis zum frühen Morgen weiter geht.

Am nächsten Morgen formiert sich nun vor dem Haus des Bräutigams die Hochzeitsgesellschaft. Das ganze Volk, samt einer inzwischen eingetroffenen Kapelle, wird auf Fahrzeuge geladen, um zum zirka 20km entfernten Haus der Braut zu fahren. Einen Kilometer vor dem Dorf steigt alles von den Fahrzeugen, und der Hochzeitszug formiert sich, um zum Haus der Braut zu ziehen. Vorneweg die 10Mann starke Kapelle, in der Pauken und Trommeln überwiegen. Dann kommt ein Mann, der einen grossen schwarzen Hahn hochhält. Dahinter der Bräutigam im weissen Hochzeitsornat, geleitet von seinen Freunden. Dann folgt die ganze Hochzeitsgesellschaft, mindestens 100Personen. Alle, egal ob Mann, Frau oder Kind, trotten nicht etwa dahin, sondern legen den ganzen Weg zur Musik der Kapelle tanzend zurück. Vor dem Hause der Braut warten schon die Hochzeitsgäste aus dem Dorf. Ein paar junge Burschen sperren den Eingang zum Grundstück mit einer Kette ab. Nach einer Reihe vergeblicher Versuche der Freunde des Bräutigams, die Kette zu beseitigen, kommt es zur Verhandlung zwischen den beiden Dorfältesten. Einige Geschenke werden überreicht, darunter natürlich die unvermeidlichen Flaschen Reisschnaps und der schwarze Hahn. Daraufhin wird der Zugang freigegeben, und die ganze Gesellschaft lässt sich auf dem Hof vor dem Hause nieder. In der Mitte der weissgekleidete Bräutigam und die beiden Dorfältesten. Jetzt wird zwischen den beiden über den Brautpreis verhandelt, natürlich nur symbolisch, denn der war ja schon vorher ausgehandelt worden. Als man damit fertig ist, wartet man nun auf die Braut. Die lässt sich eine Viertelstunde Zeit, um dann – als die ganze Hochzeitsgesellschaft immer lauter nach ihr ruft - geleitet von ihren Freundinnen, im Hauseingang zu erscheinen. Sie hat ihr Thai-Hochzeitskleid angezogen und sich so wunderschön gemacht, dass ich das Mädchen, das ich bei der Brautwerbung ja schon gesehen hatte, zunächst gar nicht wiedererkenne. Nun knien die beiden vor dem Dorfschamanen und den beiden neben ihm hockenden Dorfältesten nieder, und die eigentliche Trauungszeremonie beginnt. Nach vielen Gebeten und Segenssprüchen hängt der Bräutigam seiner Braut die unvermeidliche Goldkette um, die Hände des Paares werden mit einer weissen Kordel zusammengebunden, und die ganze ringsum hockende Gesellschaft vom Dorfschamanen mittels Reiserbesen mit geweihtem Wasser eingesprüht. Jetzt ist die Zeremonie zu Ende, alle Anwesenden wünschen dem jungen Paar Glück und überreichen die Geldgeschenke.

Man macht hier keine Hochzeitsgeschenke wie bei uns üblich, sondern es wird Bargeld überreicht. Das ist im übrigen auch praktischer, entfallen doch so doppelte Dinge, sowie das spätere Umtauschen. Interessant ist es, dass hier im Isaan die Trauungszeremonie nicht, wie ich es aus dem restlichen Thailand gewohnt war, durch Mönche, sondern durch den Dorfschamanen und die Dorfältesten vollzogen wird.

Nachdem alle ihre Glückwünsche angebracht und alle Baht-Scheine überreicht wurden, kann nun der gesellige Teil der Veranstaltung beginnen. An aufgestellten Tischen labt sich die ganze Gesellschaft an Essen und Getränken, natürlich begleitet von ohrenbetäubender Musik, die auch hier aus Riesenlautsprechern ertönt. Dazu wird getanzt, allerdings fast nur von den Frauen, die Männer halten sich lieber an die reichlich vorhandenen Alkoholika. Sie werden übrigens zum Tanzen auch nicht benötigt, da nicht wie bei uns die Paare zusammen, sondern jeder für sich alleine tanzt. Die grazilen Handbewegungen, die beim Thai-Tanz gemacht werden, kriegen die Frauen sowieso besser hin als die Männer; es sieht auch viel anmutiger aus.

Der Rest der Feier läuft nun so ab wie am Vorabend im Hause des Bräutigams. Gegen 11Uhr drängt meine Frau darauf, dass wir die Feier verlassen, denn inzwischen sind einige Männer so angetörnt, dass es mit ziemlicher Sicherheit zwischen den jungen Leuten aus beiden Dörfern zu einer Schlägerei kommen wird. Dem wollen wir uns – bei allem Interesse an einer typischen Isaan-Hochzeitszeremonie - doch nicht aussetzen und kehren also nach Hause zurück.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert, geboren 1927, lernte in den 60er Jahren, als Bauingenieur arbeitend, Thailand und seine Menschen kennen und lie-ben. Seit seiner Pensionierung im Jahr 1990 wohnt er im Heimatort seiner jetztigen Frau, in einem kleinem Dorf im Isaan, dem armen Nordosten. Er beschäftigt sich mit Zuckerrohranbau und Reishandel. Dan­- eben schreibt er Geschichten über Land und Leute, die in verschie- denen deutschspra­chigen Publikatio­nen regelmässig erscheinen. Dies vor allem, um den Deutsch­sprachigen, die nach Thailand kommen, oder sich zu Hause mit diesem Land beschäftigen, ein vertieftes Bild des Landes und seiner Mens­chen zu vermitteln. Durch Rufferts intime Kenntnisse erhält der Leser Ein­- blicke, die ihm als Urlauber norma­lerweise verborgen bleiben. Wer mehr über das weitestge- hend unbekannte Isaan erfah–ren möchte, sollte zu Rufferts Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus unterschied­lichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG- Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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