Zeitungen zum Geschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zu Bundestags-Debatte/jüdisches Leben

Trotz aller Bekundungen der Solidarität - etwa im Bundestag - mit Israel im Kampf gegen den Terror der Hamas und mit der jüdischen Gemeinschaft hierzulande schildern Juden ein Gefühl der Einsamkeit.

Die nichtjüdische Mehrheit tut sich schwer, sich in die bedrohliche Gemengelage aus Massakern in Israel und Judenhass in Deutschland einzufühlen. Sich vorzustellen, was Traumata anrichten. Diese deutsche Gesellschaft muss empathischer werden, wenn sie dem Antisemitismus die Stirn bieten will. Es wird aber noch mehr brauchen: Eine ehrliche Debatte über die Lebenslüge der BRD, Auschwitz sei aufgearbeitet und Judenhass ein Problem politischer Ränder. Eine breit finanzierte Offensive politischer Bildung. Eine Neubelebung der Gedenkkultur. Eine Auseinandersetzung mit dem Islamismus, die nicht in Rassismus abgleitet, und mit Antisemitismus unter Linken und Progressiven. Nur so ein umfassendes Programm kann der Angst etwas entgegensetzen.


«Latvijas Avize»: Wir sind vom Informationskrieg bedroht

RIGA: Zum Vorgehen der Hamas und Russlands in ihren Kriegen schreibt die lettische Tageszeitung «Latvijas Avize» am Donnerstag:

«Schutz und Deckung unter Zivilisten, insbesondere Kindern, Frauen und Senioren zu suchen, ist ein typisches Verhalten von Aggressoren. Sowohl im Gazastreifen als auch im besetzten Teil der Ukraine verstecken sich Militante und Kämpfer in Krankenhäusern und Schulen. Wohlwissend, dass sie im Falle eines Angriffs auf diese Objekte in westlichen Ländern einen großen Skandal auslösen könnten.

Angesichts dessen ist es nicht die massive Invasion von Panzern, vor der wir Angst haben sollten. Dies gilt umso mehr, als dass in der Ukraine fast alle funktionsfähigen Kampfgeräte bereits zu Altmetall verschrottet wurden. Wir sind vom Informationskrieg bedroht und müssen auf Provokationen vorbereitet sein, die unsere Schwachstellen manipulieren.»


«Jyllands-Posten»: Juden fürchten wieder um ihr Leben

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) kommentiert am Donnerstag den aktuellen Antisemitismus in Europa:

«Der Judenhass ist im Sog des Kriegs in Gaza wieder aufgeflammt. Fürchterliche Parolen gellen durch die Straßen Europas von heiligem Krieg, Dschihad und einem sogenannten freien Palästina «vom Fluss bis zum Meer», was nichts anderes zur Folge hat als die Vernichtung Israels - wobei gnädig übersehen wird, was mit den Juden in Israel geschehen soll.

Der historische Kontext ist erschreckend. Der Antisemitismus hat sich auf dem Rücken dieser Slogans ausbreiten können. Wo bleibt die Selbstkritik und der Wille zu erkennen, wofür man missbraucht wird? Auf den Straßen Europas ist wieder einmal ein antisemitisches Monster entfesselt worden, weil zu viele weggeschaut und nicht erkannt haben, wie die Konflikte des Nahen Ostens nach Europa importiert wurden, ohne dass sich viele um die Folgen gekümmert haben.

«Nie wieder» war die allgemeine Lehre aus der nationalsozialistischen Judenvernichtung. Es war ein Versprechen und eine Beschwörung für die Nachwelt. Doch 85 Jahre nach der Kristallnacht fürchten die Juden erneut um ihr Leben. Wir haben die Versprechen nicht eingelöst. Es ist Zeit zum Nachdenken.»


«Dagens Nyheter»: Antisemitismus muss weg

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Donnerstag den 85. Jahrestag der Pogromnacht der Nationalsozialisten:

««Nie wieder» ist ein Slogan, der nach dem Holocaust viele Male wiederholt worden ist. Jetzt leben Juden wieder in Schrecken. Das Internet kocht vor Hass und Vorurteilen über. Jüdische Eltern haben Angst, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Im Zusammenhang mit dem Krieg im Nahen Osten wird der Antisemitismus unter Gruppen mit Wurzeln in der Region erschreckend deutlich. Aber es ist ein großer Fehler - und eine hinterhältige Verkleinerung des Judenhasses - zu behaupten, dass es ihn nur dort gäbe. Zu dem, was den Antisemitismus zu einem der schlimmsten Gifte der Gesellschaft macht, gehört nämlich auch, dass er in die unterschiedlichsten Richtungen durchsickert. Der Antisemitismus muss weg.»


«The Guardian»: Berechtigte Sorge nicht mit Hass gleichsetzen

LONDON: Zu Forderungen in Großbritannien nach einem Verbot propalästinensischer Demonstrationen meint der Londoner «Guardian» am Donnerstag:

«Innenministerin Suella Braverman hat die recht extreme Ansicht zum Ausdruck gebracht, propalästinensische Demonstrationen seien «Hassmärsche». Damit wird ein verständliches Entsetzen über die Notlage von Zivilisten, die durch israelische Bombardements im Gazastreifen leiden und sterben, mit der Unterstützung der Hamas und deren mörderischer Absicht, den jüdischen Staat vollständig zu vernichten, in einen Topf geworfen. (...)

Es gibt zwar eine Art heftiger Anti-Israel-Rhetorik, die in Antisemitismus übergeht und sich an die Sache der palästinensischen Solidarität anhängt. Und es braucht nur ein paar hasserfüllte Plakate, um jüdische Menschen zu beunruhigen, die immer noch unter Schock und Trauer über die von der Hamas am 7. Oktober verübten Gräueltaten leiden.

Aber es gibt auch eine Tendenz zur böswilligen Überhöhung der Ansichten von Randgruppen durch Propagandisten der extremen Rechten, die jedes humanitäre Anliegen, das von britischen Muslimen unterstützt wird, unter den Verdacht der Sympathie für Terroristen stellen. Doch die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer an propalästinensischen Demonstrationen will einfach nur ihre friedliche Solidarität mit den Menschen im Gazastreifen bekunden und eine Waffenruhe fordern.»


«Hospodarske noviny»: Fico ist auf Macht und Rache aus

PRAG: Zur Politik der neuen Regierung in der Slowakei unter dem linksnationalen Ministerpräsidenten Robert Fico schreibt die Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien am Donnerstag:

«Robert Fico sei ein Pragmatiker, der nach einem Wahlsieg seine Rhetorik entschärfen und nach den europäischen Regeln spielen werde - das hat man vor der Parlamentswahl in der Slowakei Ende September immer wieder gehört. Mit mehr als einem Monat Abstand von der Wahl muss man indes konstatieren, dass diesmal nicht gilt, dass Fico ein Pragmatiker ist. (...)

Fico bemüht sich nicht einmal mehr sonderlich, seine wahren Ambitionen hinter dem Vorhang einer linken Politik zu verstecken. Seine Minister haben gleich in den ersten Tagen Schritte ergriffen, die klar zu einer Demontage des Rechtsstaats führen. Ficos Ziele sind Macht und Rache. (...) Seine Außenpolitik werde im Unterschied zur Vergangenheit souverän und slowakisch sein, sagt er - und wendet sich dabei dem Osten zu.»


«Corriere della Sera»: EU darf Fehler nicht wiederholen

ROM: Die italienische Zeitung «Corriere della Sera» beschäftigt sich am Donnerstag mit den Sorgen vor einer Erweiterung der EU um die Ukraine und andere Staaten:

«Vielleicht jedoch ist das eigentliche Dilemma ein anderes. Die schwierigsten und unmöglichsten Verhandlungen werden nicht mit Kiew stattfinden oder mit Tiflis, Chisinau oder Belgrad, sondern zwischen den aktuellen Mitgliedsländern - damit die Union nicht gelähmt wird, wenn sie von 27 auf 37 Mitglieder erweitert wird. Anders gesagt: Es geht darum, den Fehler nicht zu wiederholen, der zur Jahrtausendwende begangen wurde.

Damals ignorierten wir die Warnungen (und konkreten Vorschläge) von Kommissionspräsident Jacques Delors und entschieden uns für eine Erweiterung, ohne die wirtschaftliche und politische Integration voranzutreiben. Ein Fehler, den wir heute noch bezahlen: in Form von fortwährenden Streitereien an der Spitze der Institutionen und einem Europa, das durch den Grundsatz der Einstimmigkeit gelähmt ist und in keiner einzigen internationalen Krise eine Rolle spielt.»


«Miami Herald»: Trumps Vorwahlsieg bei Republikanern scheint sicher

MIAMI: Zur dritten TV-Debatte der republikanischen Präsidentschaftsanwärter in den USA, an der Ex-Präsident Donald Trump auch diesmal nicht teilnahm - er hielt parallel eine Kundgebung ab -, schreibt am Donnerstag der «Miami Herald»:

«Die Frage ist jetzt nicht, ob (Floridas Gouverneur) Ron DeSantis in den Umfragen Trump überholen wird. Diese zeigen den ehemaligen Präsidenten mit einem zweistelligen Vorsprung. DeSantis kämpft darum, die Anti-Trump-Alternative zu sein, und seine Debattenleistung, so gut sie auch war, konnte die größte Bedrohung für den zweiten Platz nicht neutralisieren: Die ehemalige Gouverneurin von South Carolina, Nikki Haley. Auch wenn DeSantis' Bühnenpräsenz im Zuge der drei Debatten immer besser geworden ist, hat er mit Haley eine formidable Gegnerin. (...)

Bei Trumps Kundgebung (am selben Abend) in Hialeah standen derweil weder eine instabile Welt noch politische Diskussionen im Fokus. Es war Trump selbst, wie immer. Trump nahm sein begeistertes Publikum mit auf eine Reise in die Vergangenheit und ließ seine größten Hits Revue passieren - bösartige Spitznamen, mörderische illegale Einwanderer und so weiter. (...)

Was unsere Demokratie wirklich stärken würde, wäre eine starke republikanische Alternative zu Trump, die unsere Verfassung und demokratischen Prozesse respektiert. Aber wir sind nicht naiv. Angesichts der übergroßen Popularität des ehemaligen Präsidenten ist es schwer vorstellbar, dass irgendein anderer Kandidat die Vorwahlen gewinnt.»


«De Telegraaf»: Putin hat atomare Aufrüstung vorangetrieben

AMSTERDAM: Zum Test einer mit Atomsprengköpfen bestückbaren Interkontinentalrakete vom Typ Bulawa in Russland heißt es am Donnerstag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«(Der russische Präsident Wladimir) Putin will unbedingt zeigen, dass Russland immer noch die Atommacht von einst ist. Schon bald nach seiner «Thronbesteigung» im Jahr 1999 hat er die Militärausgaben erhöht, um die (nuklearen) Streitkräfte Russlands nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 wiederaufzubauen. In den vergangenen 20 Jahren hat der Kreml viele Milliarden in die Modernisierung seines Atomwaffenarsenals investiert.

Die Bulawa ist eines der Prunkstücke dieser Bemühungen. Die Reichweite der Rakete wird auf 8000 bis 15.000 Kilometer geschätzt. Zum Vergleich: Die Entfernung zwischen Moskau und Amsterdam beträgt weniger als 3000 Kilometer Luftlinie. Ein nicht unbedeutendes Detail ist, dass es sich bei der Bulawa um eine ballistische Rakete handelt, die für den Einsatz von einem U-Boot aus vorgesehen ist. Damit könnte sie theoretisch jeden Ort der Erde treffen.»


«El País»: EU muss bei der Klimakonferenz Vorreiterrolle übernehmen

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Donnerstag Widersprüche in der Klima-Politik:

«In einem Jahr steigender Temperaturen aufgrund des Klimawandels und vor dem 28. Klimagipfel in Dubai wurde eine Studie renommierter internationaler Institute und der UN-Umweltbehörde veröffentlicht, der zufolge die Regierungen der 20 wichtigsten Förderländer fossiler Brennstoffe für das Jahr 2030 mehr als doppelt so viel produzieren wollen, wie für die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad gerade noch erträglich wäre. Zusammen stehen diese Länder für 80 Prozent der Kohle-, Öl- und Gasproduktion. Zwar haben sich 17 der 20 untersuchten Länder zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet, ihre Förderung von Kohle, Öl und Gas aber ausgeweitet.

Zudem unterstützen Länder, die sich zur Reduzierung der CO2-Emissionen verpflichtet haben, weiter fossile Brennstoffe, was den Widerspruch zwischen hehren Klimaverpflichtungen und der harten Realität aufzeigt. Wegen dieser Widersprüche fordern Wissenschaftler eine Verpflichtung zur Begrenzung der Produktion fossiler Brennstoffe und nicht nur der Emissionen. Bei der nächsten COP geht es um einen völligen Modellwechsel, was jedoch schwierig erscheint. Deshalb muss die EU erneut die Vorreiterrolle übernehmen.»


«Nepszava»: Neue Mauern nach dem Fall der Berliner Mauer

BUDAPEST: Zum Jahrestag des Falls der Berliner Mauer am 9. November 1989 schreibt die links-liberale Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Donnerstag:

«Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus deuteten alle Zeichen auf den endgültigen Sieg der kapitalistischen Demokratie hin. Doch der erwartete lineare Fortschritt in diese Richtung brach ab: der 11. September (2001), (...) die internationale Finanzkrise (2008), die Krise des Wohlfahrtsstaates (...) und das Erstarken des Populismus waren allesamt Entwicklungen, die niemand hatte vorhersehen können. (...) Die Politologen vermochten nicht zu ahnen, dass nach dem Fall der Berliner Mauer in der demokratischen Welt neue Mauern entstehen würden. Diese Mauern sind nicht von jener Art, wie sie damals als emblematischer Ausdruck des Kalten Krieges schnell hochgezogen wurden. Diese Mauern sind das Werk von Politikern, die nur am Erhalt ihrer Macht interessiert sind.»

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