Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Corriere della Sera»: Machtkampf in der CDU könnte lang werden

ROM: Zum Machtkampf in der CDU schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Sonntag:

«Es war Friedrich Merz vom konservativen Flügel und ewig Besiegter im Rennen um den Vorsitz, der in der Sprache der Wirtschaft das Drama der Partei zusammenfasste, die Deutschland für 52 Jahre der vergangenen 72 Jahre regiert hat und jetzt nicht nur vor der Perspektive, in die Opposition zu gehen, sondern auch vor einer unangenehmen Leere an Identität, Angeboten und Führung steht. Das Ende der Merkel-Ära hat in der Tat Aufschübe, Anachronismen und strukturelle Schwächen offengelegt, die sich in den 16 Jahren einer allesfressenden, aber vielseitigen und strategisch nicht ausgerichteten Macht angesammelt haben.

Das Bild, das die CDU abgibt, (...) verheißt nichts Gutes, abgesehen von der Aussicht auf einen langen Machtkampf um die Spitze. Vor allem bietet die Union heute das Ebenbild einer Partei, in der für Frauen und Leute aus dem Osten kein Platz ist. Tatsache ist, dass die fünf möglichen Kandidaten auf den Vorsitz allesamt Männer, Katholiken und aus dem gleichen westlichen Bundesland Nordrhein-Westfalen sind.»


«The Observer»: Politischer Diskurs muss versachlicht werden

LONDON: Die britische Sonntagszeitung «The Observer» beklagt angesichts des als Terrorakt eingestuften Mordes an dem Tory-Abgeordneten David Amess eine Verrohung des politischen Streits:

«Unser politischer Diskurs ist verroht. Es gibt immer mehr Menschen, die versuchen, Debatten zu gewinnen, indem sie ihre Gegner entmenschlichen und sie persönlich angreifen, anstatt sich auf die Kraft ihrer Argumente zu verlassen. Die Plattformen sozialer Medien belohnen die Zurschaustellung immer radikalerer und kompromissloserer Positionen. Dieses Ausmaß von Polarisierung spiegelt zwar nicht die reale öffentliche Meinung wider, doch unsere Politik kann von den davon ausgehenden Drohungen und dem Aktionismus, zu dem damit ermutigt wird, nur infiziert werden. (...)

In den Nachrufen auf David Amess an diesem Wochenende wird hervorgehoben, dass er sich für Zivilität in der Politik einsetzte und tiefe Freundschaften mit Politikern in allen Lagern pflegte. Es wäre ein angemessenes Vermächtnis, wenn seine tragische, sinnlose Ermordung zu einer Neubewertung der immensen Opfer führen würde, die alle Abgeordneten im Dienste der Öffentlichkeit bringen, und zu einer Neukalibrierung unseres übermäßig giftigen politischen Diskurses.»


«NZZ am Sonntag»: Eine Koalition der rohen Eier

ZÜRICH: Zu den Gesprächen über die Bildung einer Ampel-Koalition meint die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag»:

«So viel Behutsamkeit und gegenseitigen Respekt legen Grüne, Liberale und Sozialdemokraten bei öffentlichen Auftritten an den Tag, dass man glauben mag, ihre Gespräche hinter verschlossenen Türen seien in Wahrheit eine Art gruppentherapeutische Treffen, wo die Teilnehmer ihre wichtigsten politischen Anliegen vortanzen und sich anschließend erzählen, wie sie sich dabei fühlten. Kein Ampel-Bündnis, sondern eine Koalition der rohen Eier scheint hier zu entstehen.

Die Psychologie ist schnell erklärt: Erstmals wollen drei Parteien eine deutsche Regierung bilden, das kompliziert die Sache. Und in dieser Ménage-à-trois sind ausgerechnet die zwei gegensätzlichen Parteien - die Grünen und die FDP - der Motor. Jeder hat Abstriche an seinen Forderungen gemacht und im Gegenzug etwas erhalten: Mindestlohn und Kohleausstieg, dafür kein Tempolimit und keine Vermögenssteuer. Auf dieser Basis soll die Ampel-Koalition funktionieren. Ob die neue Behutsamkeit die Tagespolitik überlebt, ist fraglich. Man kann keine Omelette backen, ohne Eier zu zerschlagen.»

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