Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Gewalt in Israel

Zutiefst bedenklich ist außerdem, dass die Regierung das Gewaltmonopol des Staates auszuhöhlen beginnt.

Wie anders soll man verstehen, dass es als Reaktion auf von Palästinensern ausgehende Gewalt israelischen Privatpersonen erleichtert werden soll, Waffen zu erwerben?! Das erleichtert genau jene Selbstjustiz, vor der Netanjahu noch gewarnt hatte. Aber auch hier konnte sich der Regierungschef nicht durchsetzen. Wohin gerade eine derart «liberale» Waffenpolitik führen kann, ist in den USA seit Langem zu besichtigen. Es besteht die Gefahr, dass die israelische Regierung aus ideologischer Verblendung einiger ihrer Mitglieder ihr Land in eine Richtung führt, die nicht nur die äußere Sicherheit, sondern auch die Demokratie gefährdet. Das sollte gerade Israels Freunden Sorge bereiten.


«Stuttgarter Zeitung» zu Israel

Es war ausgerechnet der rechtspopulistische Benjamin Netanjahu, der nach den jüngsten Anschlägen zur Besonnenheit aufrief.

Doch der Ministerpräsident hat sein politisches Schicksal in die Hand von Menschen gelegt, die gegen Palästinenser noch härter durchgreifen wollen als er selbst. Dass mehr Waffen für Israelis dazu geeignet sind, die Situation zu deeskalieren, darf getrost bezweifelt werden. Gleiches gilt für Sippenhaft gegenüber terrorverdächtigen Palästinensern. Dabei ist zudem fraglich, ob dies mit israelischem Recht in Einklang zu bringen ist. Dass die Justiz in ihren Möglichkeiten beschnitten werden soll, passt da ins Bild. Das mögen auch viele Israelis nicht. Diesen Teil des Regierungshandelns darf die israelische Gesellschaft nicht aus den Augen verlieren - auch wenn die Gewalt nun wieder die Schlagzeilen beherrscht.


«Independent»: Zeit für dauerhafte Steuererhöhungen

LONDON: Die britische Zeitung «Independent» fordert am Sonntag langfristige Steuererhöhungen in Großbritannien zur Stärkung des öffentlichen Sektors:

«Es ist an der Zeit, ehrlich über die Notwendigkeit einer dauerhaften Steuererhöhung zu sprechen. Leider sind große Teile der konservativen Partei von den jüngsten Krisen so gezeichnet, dass sie daraus genau die falsche Lehre gezogen haben. Sie betrachten die vorübergehenden Steuererhöhungen, die durch unerwartete Schocks erforderlich waren, als unerwünschten Trend, der das Argument für niedrigere Steuern stärkt. In Wirklichkeit war die zusätzliche Aufnahme von Schulden, die zu den Steuererhöhungen geführt hat, notwendig, um die Arbeitsplätze und den Lebensstandard von Menschen zu schützen, was die Bevölkerung zu Recht von seiner Regierung erwartet.»


«El País»: Hamlet im Kanzleramt

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Sonntag das sich unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ändernde deutsche Selbstverständnis:

«Deutschland galt lange als ein unfreiwilliger Hegemon, der seine wirtschaftliche Macht nicht gerne ausspielt, vor allem, wenn es um militärische Verpflichtungen geht. Es war bestimmt von der Idee eines europäischen Deutschlands statt eines deutschen Europas, das so sehr an das Reich erinnert. Vor diesem Hintergrund stellen der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Unterstützungsforderungen einen drastischen Bruch dar. Jetzt wird von Deutschland verlangt, zu einer echten Militärmacht zu mutieren. Und die Hoffnung, Frieden durch Handel zu bewahren, hat Schiffbruch erlitten.

Die Person, die diesen Wandel vollziehen soll, ist Olaf Scholz. Es überrascht deshalb nicht, dass er wie der unentschlossene Hamlet im Schloss Kronborg durch das Kanzleramt tigert. So viele Zweifel können aber auch ein Zeichen von Größe sein. Dieser verdammte Putin-Krieg hat uns alle aus der historischen Spur geworfen und in einen Konflikt gestürzt, dem wir nicht ausweichen können, der uns aber auch in eine seltsame Form der Selbstentfremdung führt, so wie Gregor Samsa in Kafkas «Die Verwandlung».»


«Aktualne.cz»: Sieg der Besonnenheit über Geschrei und Niedertracht

PRAG: Zum Sieg des früheren Armeegenerals Petr Pavel in der Stichwahl um das Präsidentenamt in Tschechien über den populistischen Ex-Ministerpräsidenten Andrej Babis schreibt das Nachrichtenportal «Aktualne.cz» am Sonntag:

«Pavel hat sich in der Öffentlichkeit als ein Mann präsentiert, der Fehler macht, Fehler zugibt und direkt und ehrlich ist. Seine Kampagne setzte nicht auf Lügen und Beleidigungen, sondern auf sein ruhiges und fast überraschend gemäßigtes Auftreten. In einer wilden Zeit warb er mit Eigenschaften wie Besonnenheit und Selbstvertrauen statt mit Geschrei und Niederträchtigkeit. (...) Pavels Sieg ist ein starkes Signal an das Ausland. Er beruhigt unsere Verbündeten, allen voran Polen und die baltischen Länder. Zweifellos wird Pavel in den Hauptstädten der meisten EU-Staaten willkommen sein - nur in Ungarn wird sich Regierungschef Viktor Orban sicherlich seinen Freund Andrej Babis als neuen Präsidenten gewünscht haben.»

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