Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

«New York Times»: Trumps verzweifelte Corona-Politik

NEW YORK: Zum Corona-Krisenmanagement von US-Präsident Donald Trump im aufziehenden Wahlkampf schreibt die «New York Times»:

«Nachdem er Menschen verhöhnte, die Masken trugen, sich selber weigerte, öffentlich eine zu tragen und Wahlkampfveranstaltungen abhielt, bei denen keine physische Distanz verlangt wurde, schlägt Präsident Trump jetzt andere Töne an. Er hat den Parteitag in Jacksonville, Florida, abgesagt (...) Er gibt wieder Briefings zum Coronavirus, nachdem er sie abgesetzt und zu anderen Themen umgeschwenkt war, als würde das Virus einfach verschwinden, wenn er es nur ausreichend ignorierte. Trump steckt in echten Schwierigkeiten. Die Wahl ist nun keine 100 Tage mehr entfernt, seine Umfragewerte sind gesunken, die Leute vertrauen seinem Pandemie-Krisenmanagement nicht oder befürworten es nicht, und er muss einen wirklich harten Kampf um seine Wiederwahl führen.»


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Anstieg der Corona-Neuinfektionen

Vielen Zeitgenossen schien, den Warnungen aus Politik und Wissenschaft zum Trotz, die Gefahr schon gebannt - die Zahl der Neuinfektionen und der Toten ging schließlich stetig zurück.

Die Erfolge ... vergrößerten auf diese paradoxe Weise das Risiko, dass sich schleichend eine zweite Woge der Infektionen auftürmt. Der bayerische Ministerpräsident Söder gehörte zu jenen, die früh vor dieser Gefahr gewarnt hatten und die den Mahnungen auch Taten folgen ließen. Selbst sein strenges Corona-Regiment konnte jedoch nicht verhindern, dass ... in Deutschland wieder schreckgeweitete Augen nach Bayern schauen. ... Gerät der Gurken-GAU nicht außer Kontrolle, wird er eine Erinnerung daran sein, dass Söders Warnungen vor der Heimtücke des Virus und dem Leichtsinn der Menschen zu keinem Zeitpunkt unberechtigt waren.


«Münchner Merkur» zu ifo-Index/Corona

Auch wenn Deutschland angesichts wieder steigender Infektionsfälle gerade in eine Sommer-Depression zu fallen droht: Es gibt auch gute Nachrichten.

Der ifo-Index, der die Konjunkturentwicklung recht präzise vorhersagt, ist zum dritten Mal in Folge kräftig gestiegen. Deutschland hat die Corona-Rezession, den schärfsten Absturz seit dem Krieg, hinter sich gelassen und befindet wieder im Aufschwung. Die gewaltigen Konjunkturpakete, die die Koalition in Rekordtempo geschnürt hat, wirken also. Regierung und Bürger haben sich bei der Bekämpfung der Epidemie bis jetzt gut geschlagen, sowohl bei der Eindämmung des Virus und seiner gesundheitlichen Auswirkungen als auch bei der Abwehr der größten wirtschaftlichen Schäden. Das gibt Anlass, mit einer Portion Optimismus in die Zukunft zu blicken.


«Wedomosti»: Proteste im äußersten Osten Russlands werden stärker

MOSKAU: Zu den Massenprotesten in Chabarowsk im äußersten Osten Russlands schreibt die Moskauer Tageszeitung «Wedomosti» am Montag:

«Die Proteste in der Region Chabarowsk wegen der Inhaftierung des Gouverneurs Sergej Furgal haben sich nach der Ernennung des Übergangschefs der Region, Michail Degtjarjow, noch weiter verstärkt. Am vergangenen Samstag waren es etwa 65.000, bei der ersten großen Aktion am 11. Juli 25.000 und am 18. Juli 45.000 Menschen. Die jüngste Aktion unterschied sich auch dadurch, dass viele Leute extra aus anderen Regionen angereist kamen. Außerdem kam eine große Gruppe von Koordinatoren der (kremlkritischen) Bewegung «Offenes Russland» an (...) Dabei gab es nicht nur die traditionellen Rufe «Ich bin/Wir sind Furgal», «Freiheit für Furgal» (...) «Russland, wach auf!» und «Wir brauchen Unterstützung», sondern auch Schreie und Losungen gegen den Präsidenten.»


«Lidove noviny»: Behörden sollten Unsicherheit nicht vergrößern

PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien schreibt am Montag zur Entwicklung der Coronavirus-Pandemie:

«Mit dem Coronavirus kämpfen wir seit mehr als einem halben Jahr und bisher haben wir nur eins sicher festgestellt: Wir siegen nur, wenn wir unser normales Leben ganz aufgeben. Sobald wir versuchen, zum business as usual zurückzukehren, nutzt das Coronavirus jede Lücke aus, um unsere Verteidigungslinien zu durchbrechen. (...) Menschen, Familien und Firmen können mit vielem klarkommen. Doch das Schlimmste ist die Unvorhersehbarkeit. Wir können das Verhalten des Virus schlecht abschätzen. Die Behörden sollten das Chaos daher nicht auch noch vergrößern. Wir werden sehen, ob dies der tschechischen Regierung gelingt. Seit Beginn der Krise zeigt sich, dass sie zwar vergleichsweise rational handelt, ihre Maßnahmen aber nicht einfach und klar erklären kann, sondern auf verwirrende Weise präsentiert.»


«Washington Post»: Viele US-Schulen für Fernunterricht - trotz Trump

WASHINGTON: Zur Debatte um die Wiedereröffnung von Schulen trotz steigender Corona-Fallzahlen in den USA schreibt die «Washington Post»:

«Das Weiße Haus hat unmissverständlich klar gemacht, dass es will, dass die Schulen in diesem Jahr mit vollem Präsenzunterricht eröffnet werden, und dass nichts - am allerwenigsten die Wissenschaft - dem im Wege stehen sollte. Aber die eigentlichen Entscheidungen darüber, ob Kinder wieder in den Klassenraum zurückkehren dürfen, werden glücklicherweise nicht von einem Präsidenten getroffen, der unerbittlich einen politischen Standpunkt vertreten will, sondern von Schulvertretern, die auf Gesundheitsexperten hören und sich mit Mitgliedern ihrer Gemeinden beraten. Viele von ihnen kommen zögerlich zu der Schlussfolgerung, dass es angesichts des Versagens, das neuartige Coronavirus einzudämmen - wofür tatsächlich die Regierung von Präsident Trump verantwortlich ist - unklug wäre, Kinder wieder in den Klassenraum zurückkehren zu lassen.

Kinder sind möglicherweise weniger von einer Infektion mit dem Virus gefährdet, aber die Forschung ist keineswegs eindeutig, und es gibt viele Unsicherheiten. Die Besorgnis über die Übertragung auf Lehrer und anderes Schulpersonal ist ziemlich real. Wir bitten die Schulen dringend, weiterhin nach sicheren Wegen zu suchen, damit die Kinder so bald wie möglich wieder zur Schule gehen können. In der Zwischenzeit ist es wichtig, dass sie den Fernunterricht deutlich verbessern.»


«La Repubblica»: Portland wird wieder zum «kleinen Beirut»

ROM: Zu den verschärften Protesten in Portland im US-Bundesstaat Oregon und in anderen Teilen der USA gegen die Politik von US-Präsident Donald Trump schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Montag:

«Zwei Monate nach dem Tod von George Floyd, dem von der Polizei in Minneapolis getöteten Afroamerikaner, beginnt Amerika wieder brennen: Leben, Gebäude, Lastwagen, Geschäfte. Es geht nicht mehr nur um die Black-Lives-Matters-Bewegung mit ihren Slogans. Portland, die Symbolstadt des Protests mit der «Mauer» aus Müttern, Vätern, Militärveteranen und Krankenschwestern, heizt den Protest im ganzen Land weiter an, geschürt auch durch die Anwesenheit von Bundeskräften und Paramilitärs, die als provokativ und verstörend empfunden werden. (...) Am 59. Tag der unablässigen Proteste entwickelt sich Portland wieder zu einem «kleinen Beirut», wie es in den 1990er Jahren genannt wurde, als es dort gewaltsame Proteste gab gegen die Ankunft von Präsident George H. W. Bush.»


«Nesawissimaja Gaseta»: Hausfrau in Belarus füllt ganze Stadien

MOSKAU: Zum Präsidentenwahlkampf in Belarus (Weißrussland) vor der Abstimmung am 9. August schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Montag:

«Die Präsidentenwahl in Belarus läuft weiter nicht nach den Vorstellungen der Machthaber und nach den Prognosen der Experten. Die bescheidene Hausfrau Swetlana Tichanowskaja schafft es, die Stadien mit ihren Anhängern zu füllen. Das gab es in der neueren Geschichte von Belarus noch nie. Tichanowskaja besucht jeden Tag mindestens drei Städte. Und jedes Mal kommen Tausende von Menschen zu den Wahlkampfveranstaltungen. In Witebsk, das 300.000 Einwohner hat, waren es nach Schätzungen von Experten etwa 10.000 Menschen. Tichanowskaja ist zur wichtigsten Herausforderin von Präsident Alexander Lukaschenko geworden. Und er verliert die Wahl an die Hausfrau. Wohl auch deshalb deutete er die Möglichkeit eines Einsatzes des Militärs an, um die Proteste zu unterdrücken.»


«Le Parisien»: Ferien wurden selten so erwartet

PARIS: Zur Ferienzeit im Zeichen der Corona-Krise schreibt die französische Regionalzeitung «Le Parisien» am Montag:

«Selten wurde auf sie (die Ferien) so gewartet - nach Monaten der Ausgangssperre. Diese hat Körper und Köpfe auf eine schwere Probe gestellt. (...) Reisen ins Ausland (wurden) eingeschränkt, Versammlungen behindert, Festivals abgesagt. Die Maske wurde ein Zubehör des Sommers - ebenso unerlässlich wie unerträglich zu tragen. Was soll es: Man muss (vom Sommer) profitieren. Keiner weiß, was uns die Rückkehr (zum Schulbeginn) bringt.»


«De Telegraaf»: Freude an Urlaubsreise ist für viele dahin

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «De Telegraaf» kommentiert am Montag die Urlaubsaussichten in Corona-Zeiten:

«Aufgrund des plötzlichen Anstiegs der Zahl der Corona-Infektionen in beliebten Urlaubsländern fragen sich viele niederländische Touristen, ob eine Urlaubsreise überhaupt noch sinnvoll ist. Schließlich laufen Sie Gefahr, dass Ihre Freiheit am Urlaubsort stark eingeschränkt wird oder dass Sie bei Ihrer Rückkehr nach Hause vorsorglich zwei Wochen in Quarantäne müssen.

Beides sind keine guten Aussichten, und im letzteren Fall stellt sich die Frage, wie flexibel Arbeitgeber mit dieser Situation hinsichtlich der Urlaubsregelungen umgehen. (...) Für die Urlauber ist all dies eine ärgerliche Angelegenheit. Besonders die langen Sommerferien sind dazu da, nach einem Jahr harter Arbeit ein paar Wochen ohne Sorgen zu genießen und zur Ruhe zu kommen. Dieser Spaß ist für viele Menschen aber schon dahin. Solange das Coronagespenst umgeht, kann man jedoch nichts anderes tun, als jeden Tag die Reisehinweise zu konsultieren, um Enttäuschungen zu vermeiden.»


«Tages-Anzeiger»: Grundeinkommen wäre eine dringende Notmaßnahme

ZÜRICH: Die Vereinten Nationen schlagen ein vorübergehendes Grundeinkommen für die Ärmsten der Welt vor, damit sie in der Coronavirus-Pandemie zu Hause bleiben können. Dazu heißt es am Montag im Zürcher «Tages-Anzeiger»:

«Diese Hilfe kann nur finanzieller Art sein. Doch die UNO denkt nicht an zusätzliches Geld. Bereits ein vorübergehender Verzicht auf die Rückzahlung von Schulden und Zinsen aus diesen Ländern würde reichen.

Es handelt sich um eine dringende Notmaßnahme. Das Ziel ist nicht, die Armut zu beseitigen. Es geht um mehr als eine Geste der Solidarität. Es geht darum, das Virus einzudämmen. Wie bei vielen anderen teuren Maßnahmen auch. Denn wenn Länder mit mehr als vier Fünfteln der Weltbevölkerung sich die Hygienemaßnahmen nicht leisten können, wird es schwer werden, das Virus aufzuhalten. Wir haben bereits gesehen, wie sehr im Zusammenhang mit dieser Krankheit alle global von einander abhängig sind.»


«NZZ»: Spaltung der Partei ist möglich

ZÜRICH: Zum Ausschluss von Brandenburgs AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz aus der Partei heißt es am Montag in der «Neuen Zürcher Zeitung»:

«Noch vor der Sitzung hatte Kalbitz angekündigt, den Entscheid des Schiedsgerichts gegebenenfalls vor einem Zivilgericht anfechten zu wollen. Selbst wenn Kalbitz auch dort unterliegen sollte, bliebe Meuthens Position prekär: In weiten Teilen der Partei, vorab in Ostdeutschland, ist er geradezu verhasst. (...)

Die Möglichkeit einer Parteispaltung steht weiterhin im Raum; womöglich ist eine solche durch den Entscheid vom Samstag sogar noch wahrscheinlicher geworden. Ob Kalbitz' Abgang eine Trennung der AfD von rechtsextremen Mitgliedern einleitet, ist fraglich: Sein Gesinnungsfreund Höcke steht innerhalb der Partei unangefochten da. Will Meuthen die Radikalen wirklich loswerden, muss er irgendwann auch den offenen Konflikt mit Höcke und weiteren Rechtsauslegern suchen. Damit ist vorerst nicht zu rechnen: Würde sich der Parteichef derzeit mit dem Thüringer Landesvorsitzenden anlegen, dürfte er sich überheben, zu stark sind die Rechtsextremen innerhalb der AfD.»


«De Tijd»: Kampf gegen Corona braucht klare Linie

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Tijd» kritisiert am Montag den aus ihrer Sicht mangelhaften Umgang der Regierenden mit der Corona-Krise:

«Es gibt ein Übermaß an Empfehlungen: Verhängt eine allgemeine Maskenpflicht, beschränkt die maximale Anzahl für Personengruppen auf zehn, nein auf fünf, nein auf zwei, verhängt einen Lockdown über die Region Antwerpen oder besser über ganz Flandern - und so weiter und so fort. Die Regierungen dieses Landes, die föderale und die regionalen, werden links und rechts überholt.

Man kann es den Bürgermeistern, Provinzgouverneuren und Wissenschaftlern nicht verübeln, dass sie Initiativen ergreifen und ihre Stimmen erheben. Sie wollen nicht Gefangene oder Opfer der Trägheit der Regierungspolitik sein. Doch dass es nun aus allen Ecken kommt und dass es im Kampf gegen die Corona-Epidemie keine klare Linie mehr gibt, ist absolut keine gute Sache. Das sorgt nur für Verwirrung in den Köpfen der Bürger. Auf diese Weise werden Unsicherheit und Panik bei den Bürgern noch geschürt.»

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Thomas Sylten 28.07.20 12:28
Man mag von Merkel halten was man will -
als wissenschaftlich Vorgebildete hatte sie noch eher als Söder die wahren Zeichen der Zeit erkannt und genau im rechten Augenblick vor einer "Lockerungsorgie" gewarnt,
zu der om Deutschland vor allem Laschet und Lindner aus rein populistischen Gründen zur Unzeit aufriefen.

Ich gehörte damals zu den Entsetzten, die der vormals verständnisreichen Disziplin während des Lockdowns nachtrauerten und sich schlappe 4 Wochen längeren Verschluss gewünscht hätten zu der Zeit, als das Virus erkennbar in die Knie ging. Ich jedenfallswerde nicht vergessen, wer dafür verantwortlich ist, dass das Virus just zur Zeit des absehbaren Sieges von vorlauten Populisten eine völlig überflüssige zweite Chance erhielt, denen wir die jetzige "unendliche Corona-Geschichte" mit all ihren unabsehbaren Weiterungen verdanken.
"Danke" Laschet/Lindner !! :(