Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Inflation

Die Inflation ist im Mai nach Schätzung des Statistischen Bundesamtes auf 7,9 Prozent gestiegen.

Ein Anstieg, den ältere Bundesdeutsche zuletzt vor fast 50 Jahren erlebt haben - infolge der Ölpreiskrise in den 70er-Jahren. Gewinner sind die Energiekonzerne, Öl- und Gasförderländer und der Kriegsherr Wladimir Putin, die an den hohen Preisen prächtig verdienen. Die Leidtragenden dagegen sind vor allem Geringverdiener, kinderreiche Familien und Rentnerinnen und Rentner mit schmalen Bezügen. Umso wichtiger sind die Milliarden-Entlastungspakete der Regierung. Auch das 9-Euro-Ticket könnte viele dazu bewegen, mehr Fahrten kostengünstig mit der Bahn statt mit dem Auto zu erledigen. Ob die Steuersenkung der Kraftstoffpreise eine so kluge Entscheidung ist, wird sich zeigen. Wichtig ist hier, dass das Kartellamt genau prüft, ob die Vergünstigungen auch tatsächlich weitergegeben werden - und nicht als zusätzliche Gewinne in den Kassen der Ölmultis landen.


«Frankfurter Rundschau» zu Äußerungen von Olaf Scholz auf dem Katholikentag

Olaf Scholz hat sich auf dem Katholikentag auch zum Klimaschutz geäußert, doch diskutiert wird vor allem über die Frage, ob seine Kritik an der Störung durch Umweltaktivist:innen als Vergleich mit der Nazizeit zu verstehen war.

Diese Diskussion muss geführt werden, denn Nazivergleiche verbieten sich in diesem Zusammenhang. Doch die Debatte darüber lenkt vom eigentlichen Problem ab: Olaf Scholz offenbart, dass er die Dringlichkeit des Klimaschutzes nicht verstanden hat. Der Bundeskanzler selbst hatte zuvor noch eine Politik gefordert, bei der sich alle, auch Arbeiter:innen in der Kohle, mitgenommen fühlen. Dass Scholz große Teile der jungen Generation mit seiner Haltung nicht mitnimmt, hat er offenbar noch nicht verstanden.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung»zu Sondervermögen der Bundeswehr

Die umkämpfte Einigung über das Sondervermögen für die Bundeswehr ist noch die leichtere Übung.

(...) Die Verfassungsänderung ist zwar ein Weg, der weitere peinliche Aufweichungen der Schuldenbremse erspart. Sie ist aber auch ein Armutszeugnis, weil sie die chronische Unterfinanzierung der Bundeswehr umso deutlicher macht: Ein Land wie Deutschland ist nicht in der Lage, die Sicherung seiner Existenz aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren. Die Offenbarung der Verteidigungsministerin, allein an Munition gebe es (...) Bedarf von 20 Milliarden Euro, zeigt, dass auch 100 Milliarden Sondervermögen endlich sind. (...) Es wird auch Aufgabe der Union sein, auf einen effektiven Einsatz des Sondervermögens hinzuwirken und die Lage im Auge zu behalten. Sie kann so nicht nur ihre erheblichen Versäumnisse aufarbeiten. (...).


«Handelsblatt» zu Rekord-Inflation von 7,9 Prozent

Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben - und wer, wenn nicht die Notenbank trägt die Verantwortung dafür? Geradezu trotzig haben EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihre Mannschaft lange Monate an ihrer Interpretation der Datenlage festgehalten.

Erst waren es nur «Basiseffekte», später «pandemiebedingte Sondereffekte». Dann verursachten «nur» die stark schwankenden Energiepreise oder Nahrungsmittelpreise die dynamische Preisentwicklung. Stets aber handelte es sich um ein «vorübergehendes Phänomen» - so das Mantra der EZB. Immer dann, wenn es gar nicht mehr anders ging, gab auch die Notenbank zu, dass der Inflationsausblick wohl zu optimistisch - und mit «großen Risiken» verbunden sei. Aus heutiger Sicht wirken die Beschwichtigungen wie Hohn. Erstens, weil sie schon vor einem halben Jahr meilenweit entfernt von der Realität waren. Zweitens weil es schlichtweg nicht die Aufgabe einer Notenbank ist zu beschwichtigen. Im Gegenteil: Zentralbanker müssen als Frühwarnsystem agieren.


«Dziennik»: Im Ukraine-Krieg wird keine Seite ihr Ziel erreichen

WARSCHAU: Die polnische Zeitung «Dziennik Gazeta Prawna» kommentiert am Montag die Lage im Ukraine-Krieg:

«Die Feststellung, dass die Ukraine den Krieg verliert, macht genausoviel Sinn wie die Feststellung vor einem Monat, dass sie ihn gewinnt. Ein Krieg bedeutet viele kleine Siege und kleine Niederlagen. Bislang hat keine Seite eine Wende herbeigeführt, nach der man sagen könnte, dass sich die Waagschale des Sieges zu ihren Gunsten neigt. Dieser Krieg wird mit Sicherheit nicht mit einem Ergebnis enden, das eine der beiden Seiten zufriedenstellt.

Die Einschätzung wird davon abhängen, welches Ziel man als grundsätzliches einstuft. Soll das für die Ukraine die Verteidigung von 80 Prozent ihres Territoriums sein? Die Wiedererlangung der Grenzen vor dem 24. Februar? Oder die Rückeroberung von Krim und Donbass? Und wird Russland das Einfrieren der Front reichen, wenn die Region Luhansk eingenommen ist? Das Abschneiden der Ukraine vom Zugang zum Meer und die Einnahme Odessas? Oder die Einnahme Kiews und ein Machtwechsel? Die Maximalziele beider Seiten werden kaum erreichbar sein. Und die Minimalziele lassen sich leicht als Sieg oder Niederlage verkaufen, je nach gewählter Erzählung.»


«Washington Post»: UN können China kaum zur Rechenschaft ziehen

WASHINGTON: Die mittlerweile abgeschlossene Reise der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet nach China und die etwa zeitgleich durch ein Datenleck von Medien veröffentlichten Berichte über die brutale Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren - die «Xinjiang Police Files» - kommentiert die «Washington Post»:

«Es ist absurd, anzunehmen, dass Bachelet irgendeine Art von ernsthafter Untersuchung unternehmen könnte, während sie durch das geführt wird, was das chinesische Außenministerium selbst als «geschlossene Schleife» von Kontakten beschrieben hat - angeblich nötig wegen der Covid-19-Pandemie. Was sehr vorhersehbar war, waren die Versuche Pekings, die Anwesenheit einer angesehenen UN-Gesandten für Propagandazwecke zu nutzen. (...)

Das US-Außenministerium bezeichnete die Reise von Bachelet als «einen Fehler», was eine Untertreibung ist. Stark von China beeinflusst, einem ständigen Mitglied des Sicherheitsrates, sind die Vereinten Nationen kaum in der Position, die kommunistische Diktatur zur Rechenschaft zu ziehen. Dazu braucht es Menschen wie den mutigen - und notwendigerweise anonymen - Whistleblower in China, der die Xinjiang-Polizeidateien durchsickern ließ. Und (den Forscher Adrian) Zenz, der dafür sorgte, dass sie für die ganze Welt zugänglich wurden.»


«Sme»: Unsere Ignoranz gegenüber globalem Süden hilft Russland

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» schreibt am Montag über Russland-Sympathien im globalen Süden:

«Die gegenwärtige Weltordnung hat viele Unzulänglichkeiten. Wir, die wir von den globalen Vorteilen profitieren, nehmen das nicht sehr wahr. Andere aber schon. Und sie nehmen über ihre Smartphones auch wahr, dass wir es nicht wahrnehmen, obwohl sie uns auf die globale Ungleichheit immer eindringlicher hinweisen. Wir bemerken das nicht einmal, denn wer interessiert sich schon für «Entwicklungsländer» oder «Länder der Dritten Welt», - die Russen aber sehr wohl. Über soziale Netzwerke und Medien befeuern sie seit Jahren alte antikolonialistische Muster im Denken des dortigen Publikums. (...)

Zusätzliche Nahrung bekommen die von Russland geförderten Umsturzideen der Weltordnung auch zum Beispiel dadurch, dass der Klimawandel den Süden härter trifft. Auch das nehmen wir nicht wahr. (...) Eine Vorstellung davon, wie die Russen die Menschen des Südens in ihrem hybriden Krieg einsetzen können, haben wir im Herbst gesehen, als (der belarussische Präsident Alexander) Lukaschenko mit Billigung des Kreml Tausende Iraker an die EU-Ostgrenze brachte, um uns einem Stresstest zu unterziehen.»


«The Times»: Unentschlossenheit von Scholz ist enttäuschend

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Montag die deutsche Ukraine-Politik:

«Deutschlands Ausflüchte hinsichtlich der Lieferung von Waffen und Hilfsgütern an Kiew und seine Unentschlossenheit in Bezug auf die Bedingungen für einen Waffenstillstand sowie ein Ende des Krieges sind für seine Verbündeten und auch für viele Deutsche zu einer Quelle der Frustration geworden. Das Fehlen einer entschlossenen Führung durch Bundeskanzler Olaf Scholz birgt die Gefahr, dass Moskau ermutigt wird, was wiederum Präsident Wladimir Putin in seinem Glauben bestärkt, dass er sich letztendlich durchsetzen kann.

Die Unentschlossenheit von Olaf Scholz ist umso enttäuschender, als er anfangs sehr energisch auf die Invasion reagierte. In einer Rede im Februar bezeichnete er den Krieg als eine Zeitenwende. (...) Die widersprüchlichen Botschaften von Olaf Scholz gegenüber der Ukraine bergen das Risiko, die Sicherheitslage zu verschlechtern. Eine robustere Haltung gegenüber Russland wäre im besten Interesse seiner Partei, seines Landes, Europas und letztlich der Welt.»


«De Telegraaf»: Zuverlässigkeit der Türkei als Nato-Partner fraglich

AMSTERDAM: Zur Blockierung des Nato-Beitritts von Finnland und Russland durch die Türkei meint die niederländische Zeitung «De Telegraaf» am Montag:

«Wenn der türkische Staatschef an seinem Kurs festhält, wird es nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine zu einem tiefen Bruch in der Einheit der Nato-Länder kommen. Und für Schweden und Finnland, die den historischen Schritt in Richtung Beitritt getan haben, ist das äußerst schmerzhaft.

Es wird spekuliert, dass Erdogan so hartnäckig ist, weil er auf Zugeständnisse der Amerikaner hofft, die die Türkei aus dem F-35-Kampfflugzeugprojekt geworfen haben, nachdem Ankara ein modernes russisches Luftabwehrsystem gekauft hatte.

Mit diesem Deal hatte die Türkei für Überraschung gesorgt und Ärger ausgelöst. Nun weigert sich das Land, sich den Sanktionen gegen Moskau anzuschließen. Mit dem Festhalten der Türkei an unangemessenen Forderungen an Schweden und Finnland stellt sich erneut die Frage nach ihrer Zuverlässigkeit als Bündnispartner.»


«Aftenposten»: USA brauchen strengere Waffengesetze

OSLO: Die konservative norwegische Tageszeitung «Aftenposten» (Oslo) kommentiert den Schul-Amoklauf im US-Staat Texas:

«Die USA haben noch ein Massaker erlebt, diesmal an einer Schule in Texas. 19 Schüler und zwei Lehrerinnen haben ihr Leben verloren. Der Schütze wird als Mobbing-Opfer beschrieben, was rechten Politikern den Vorwand gibt, mit einem ihrer Mantras zu kommen: Es handele sich um Psychiatrie. Die linke Seite will dagegen etwas gegen die laxen Waffengesetze unternehmen. Strenge, bundesweite Waffenregeln, die die USA mehr oder weniger entwaffnen, sind nicht realistisch. Die Zahl der Waffen in Privatbesitz ist enorm. Die Vorstellung, dass es ein Menschenrecht ist, sie zu besitzen, sitzt tief. Zumindest sollten die USA die gefährlichsten Waffen verbieten und insbesondere die Regeln für Jüngere verschärfen. Von Norwegen aus betrachtet wirkt so etwas bescheiden. In den USA ist das ambitiös.»


«The Telegraph»: Keine Verhandlungslösung auf Kosten der Ukraine

LONDON: Der Londoner «Telegraph» kommentiert am Montag die Haltung Deutschlands und Frankreichs in der Ukraine-Krise:

«Eine Verhandlungslösung, wie sie von der französischen und deutschen Führung angestrebt wird, setzt die Aufgabe von Territorium durch die Ukraine voraus, da Moskau niemals einem Abkommen zustimmen würde, das den vollständigen Rückzug der russischen Streitkräfte beinhaltet. Zudem besteht die Gefahr, dass Emmanuel Macron und Olaf Scholz den Gedanken der westlichen Solidarität untergraben, indem sie eigene Initiativen ergreifen.

Unweigerlich drängt sich der Verdacht auf, dass sie diesen Konflikt zu ihrem eigenen Vorteil und nicht zum Vorteil der Ukraine beenden wollen. Sicherlich verursacht er wirtschaftliche Verwerfungen, und eine politische Lösung ist letztlich die einzige Möglichkeit, die Zerstörung zu stoppen - abgesehen von einer vollständigen Niederlage der russischen Armee, die jedoch unwahrscheinlich ist. Bemühungen, Putin zur Beendigung des Gemetzels zu bewegen, sind zwar begrüßenswert. Sie dürfen jedoch nicht auf Kosten der territorialen Integrität der Ukraine gehen.»


«Rzeczpospolita»: Zugeständnisse an Russland wären ein Dummheit

WARSCHAU: Zur Äußerung des einstigen US-Außenministers Henry Kissinger, wonach ein Frieden für die Ukraine wohl nur mit Gebietsabtretungen an Russland zu erreichen sei, schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Montag:

«In den vergangenen Tagen hat Henry Kissinger erneut die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos legte er eine Realpolitik wie aus dem 19. Jahrhundert an den Tag, indem er behauptete, die Ukraine müsse Zugeständnisse an Russland machen. All dies, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Auf dem angesehenen Treffen in Davos kam diese Frage jedoch auch in anderen Debatten immer wieder auf.

Wenn Russland mit Beginn des Krieges beschlossen hat, in seinen Beziehungen mit dem Westen den Tisch umzustoßen, dann muss man ihm erlauben, diesen Selbstmord bis zum Ende zu begehen. Ihm jetzt die Hand zu reichen, wäre eine absolute Torheit. Es ist klar zu sehen, dass es in der amerikanischen Politik und Debatte zu einem zunehmenden Kräftemessen zwischen zwei unterschiedlichen Standpunkten kommt. Es besteht eine klare Wahl zwischen dem Realismus, die seit zwei Jahrhunderten bestehenden Regeln europäischer Sicherheit beizubehalten, und dem Realismus, die Chance zu nutzen, sie dauerhaft zu ändern.»

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