Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur STIKO/Corona-Auffrischung

Dass zu lange zu viel taktiert wurde, dass auch zu lange vergeblich gehofft wurde, das alles ist inzwischen offenbar auch dem Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission (STIKO) klar geworden, weswegen nun also allen Erwachsenen die Booster-Impfung endlich empfohlen werden soll.

Ein wichtiges Signal, aber zu spät.( ...) Statt sich früh und energisch für die Auffrischung ins Zeug zu legen, was bedeutet hätte, dass man die Notwendigkeit des Boosterns früh kommuniziert, hat man sich aufs alte Priorisierungsschema zurückgezogen. Und selbst jetzt noch streitet die Politik unnötigerweise um Fristen und Impfabstände, statt schnell zu handeln. Denn nur das hilft: ein Maßnahmen-Katapultstart aus der Katastrophe. Eine reibungslose Booster-Impfkampagne allein kann jedenfalls das Problem nicht über Nacht lösen.


«Corriere della Sera»: Historie bedingt Impfverhalten in Osteuropa

ROM: Zum Impfverhalten in Osteuropa und einem möglichen Grund in der ehemaligen Sowjetunion schreibt die italienische Tageszeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Mittwoch:

«Wenn man eine Landkarte über die Statistiken der Covid-Impfungen legen würde, könnte man meinen, dass die Sowjetunion nicht 1991 gestorben sei. In Russland sorgt die Pandemie für 1200 Tote am Tag, es sind nur 34 Prozent geimpft, 800.000 starben bereits, das Land erlebt eine Katastrophe, nachdem es schon demografisch bergab ging. In den ehemaligen UdSSR-Teilrepubliken sind die Zahlen nicht sehr zuverlässig, aber die Lage dort dürfte noch schlimmer sein. (...)

In Ländern des ehemaligen Sowjet-Imperiums, den Gegenden des Warschauer Paktes und von COMECON, die heute sogar Mitglieder der EU oder Nato sind, sieht man ähnliche Phänomene, vor allem in Rumänien (wo nur 24,9 Prozent geimpft sind) oder Bulgarien (22 Prozent), die sich als Teile des Westens nicht auf den russischen Impfstoff SputnikV verlassen müssen. Politologen und Soziologen sind inzwischen ohnehin überzeugt, dass es nicht um die Qualität des Impfstoffs geht oder um seine Wirksamkeit.

In jenen Teilen der Welt, wo einst die UdSSR das Sagen hatte, gibt es viel mehr «historische Impfgegner», Kinder und Enkel einer sowjetischen, und davor zaristischen, Kultur, wo die Unterwerfung zwar befohlen war, die absolute Gegnerschaft zum Staat aber in allen Bereichen schwelte.»


«Aftenposten»: Positiv mit milderen Tönen aus Washington

OSLO: Die konservative norwegische Tageszeitung «Aftenposten» (Oslo) kommentiert am Mittwoch das Gespräch zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping:

«Es ist natürlich, dass Reibung entsteht, wenn sich die Machtverhältnisse in der Welt ändern. Die USA sind seit dem Kalten Krieg die einzige Supermacht der Welt. Nun entwickelt sich China zu einem echten Konkurrenten, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch. (...)

Ein kalter Krieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt nützt niemandem. Obwohl Xi Biden als einen alten Freund bezeichnet, kann man nicht allzu sehr darauf vertrauen, dass die Wortwahl viel bedeutet. Daher ist es positiv zu sehen, dass auch realpolitisch gesehen das Zusammenarbeitsklima zwischen den USA und China besser zu werden scheint, als es in den vergangenen Jahren war.»


«de Volkskrant»: Beziehung am Scheideweg

AMSTERDAM: Zum Video-Gipfel von US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping schreibt die Amsterdamer Zeitung «de Volkskrant» am Mittwoch:

«Xi und Biden sind sich über kaum etwas einig, außer der dringenden Notwendigkeit, die chinesisch-amerikanische Rivalität beherrschbar zu machen. Das einst so pragmatische Verhältnis zwischen der alten und der neuen Supermacht wird seit Jahren von Konflikten überschattet. Während Bidens Vorgänger Trump einen Kreuzzug gegen alles unternahm, was möglicherweise einem chinesischen Staatsinteresse dienen könnte, konzentriert Biden sich auf die prekäre Situation Taiwans, wo das Risiko einer militärischen Konfrontation zunimmt.

Das ist eine derart explosive Frage, dass der Bau eines Standstreifens zur Vorbeugung tödlicher Unfälle durchaus kein übermäßiger Luxus ist. Die schlechte Nachricht: An der holprigen Straße der chinesisch-amerikanischen Beziehungen fehlen nicht nur Standspuren, sondern auch Leitplanken - die hat Bidens Vorgänger abgerissen. Die gute Nachricht: Beide Seiten begreifen, dass etwas getan werden muss. Insofern war dies das wichtigste Video-Gespräch des Jahres; die Beziehung zwischen den beiden Ländern steht an einem Scheideweg.»


«De Tijd»: Europa muss mit harten Bandagen spielen

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Tijd» kommentiert am Mittwoch die Verzögerung bei der Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2:

«Das Kräftemessen kann nicht allzu lange andauern. Europa braucht Gas. Russland braucht die Einkünfte daraus. Wer zuckt zuerst? Russland scheint angesichts des näher rückenden Winters in der stärkeren Position zu sein. (...)

Deutschland und die deutsche Wirtschaft waren stets große Befürworter von Nord Stream 2. Aber das war in einer Periode, als die Beziehungen zwischen Russland und Europa weniger angespannt waren. Europa darf nicht zulassen, dass Putin Nord Stream 2 als Waffe in seinem geopolitischen Machtspiel benutzt. Aber die Pipeline ist nun einmal da, und Deutschland und Europa können sie als Druckmittel gegenüber Russland nutzen. Europa darf nicht naiv sein, sondern es muss dieses Spiel mit harten Bandagen spielen.»


«Guardian»: Ukraine braucht Solidarität des Westens

LONDON: Der Londoner «Guardian» kommentiert am Mittwoch den erneuten Aufmarsch russischer Streitkräfte unweit der Ukraine:

«Die konkreten Absichten, die mit der großangelegten Stationierung russischer Streitkräfte nahe der Ostgrenze der Ukraine verfolgt werden, bleiben undurchsichtig. Es scheint jedoch immer deutlicher zu werden, dass die von Wladimir Putin im Frühjahr geschürten Spannungen - als schon einmal ein militärischer Aufmarsch stattfand - eher die Anfangsphase eines neuen Ansatzes als eine einmalige Episode waren. Das Eis, auf das dem Konflikt (um die Ostukraine) in den letzten fünf Jahren lag, scheint auf besorgniserregende Weise zu tauen. (...)

Der Westen muss Moskau unmissverständlich klarmachen, dass eine weitere Verschärfung des Konflikts erhebliche wirtschaftliche Kosten in Form von weiteren Sanktionen nach sich ziehen und das Nord Stream 2-Projekt zum Scheitern bringen wird. Von Bosnien bis Belarus vertieft sich Putins unheilvoller Einfluss in der ehemaligen Sowjetsphäre. Um zu verhindern, dass er in diesem Winter in der Ukraine wieder auflebt, ist robuste westliche Solidarität mit Kiew erforderlich.»


«NZZ»: Ein Treffen nüchterner Machtpolitiker

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch den Video-Gipfel von US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping:

«Biden korrigierte frühere Äußerungen und bekannte sich zur traditionellen Taiwan-Politik der USA, die keine Schutzgarantie für die Inselrepublik vorsieht. Xi kehrte ebenfalls zu einer traditionellen Linie zurück, sprach von friedlicher Vereinigung Taiwans mit dem Festland und gab Geduld als Maxime aus. Nur ein offener Separatismus der Inselrepublik wäre laut Xi eine «rote Linie» für Peking. Doch mit diesem Kriterium können die Amerikaner gut leben. Meinungsverschiedenheiten gibt es, so weit das Auge reicht: Peking wischt die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong weiterhin als unstatthafte Einmischung vom Tisch. Im Handelsstreit scheint eine Lösung unverändert fern. Xi warf den Amerikanern unverblümt einen Mangel an Vernunft und Pragmatismus in ihrer China-Politik vor. Aber auf beiden Seiten sitzen keine Kriegstreiber, sondern nüchtern abwägende Machtpolitiker. Sie zeigen zumindest den Willen, die Rivalität in einem kontrollierbaren Rahmen zu halten. Ob dies ausreicht, eine militärische Kollision abzuwenden, bleibt eine offene Frage.»


«El País»: Dialog zwischen Regierung und Opposition in Argentinien

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Mittwoch das Ergebnis der Zwischenwahl in Argentinien:

«Die peronistische Regierung hat bei der Zwischenwahl die Mehrheit im Senat verloren, konnte aber die im Unterhaus wahren. Die Prognosen waren derart schlecht für die Peronisten, dass sie diese Niederlage mit Euphorie feierten. Präsident Alberto Fernández rief am Mittwoch sogar zu einer großen Siegesfeier auf. Damit verbirgt er jedoch eine große Schwäche. Das Regierungsbündnis hat angesichts der Herausforderungen keine gemeinsame Stimme gefunden: Inflation und Armut, eine von der Pandemie belastete Wirtschaft und eine Vereinbarung mit dem IWF über den Aufschub von Milliardenzahlungen.

Angesichts dieser Lage rief Fernández nun zum Dialog mit der Opposition auf. Und er versprach, einen Gesetzentwurf für ein mehrjähriges Wirtschaftsprogramm vorzulegen, wie es der IWF und die Märkte verlangen. Dies wurde von der Opposition mit Vorsicht aufgenommen. Sie misstrauen Vizepräsidentin Cristina Kirchner und fragen sich, ob sie die notwendigen Sparmaßnahmen mittragen wird. Dialog scheint jedoch die einzige Option für Argentinien zu sein. Nur so kann sich das Land aus dem Sumpf befreien, in dem es steckt.»


«Nesawissimaja Gaseta»: Nord Stream 2 könnte doch noch scheitern

MOSKAU: Nach der Aussetzung des Zertifizierungsverfahrens für die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Mittwoch:

«Die deutsche Regulierungsbehörde hat die Zertifizierung von Nord Stream 2 auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Ob das Hinhalten tatsächlich rein technischer Natur ist, wird sich in naher Zukunft zeigen. Bislang kann festgehalten werden: Der Druck auf die deutschen Behörden, das Projekt aufzugeben, nimmt zu. (...)

Schließlich darf auch nicht vergessen werden, dass Ende Dezember/Anfang Januar die Beratung über den US-Verteidigungshaushalt endet. Der Haushalt enthält Sanktionen gegen Nord Stream 2. Wenn die Pipeline bis dahin in Betrieb ist, werden die US-Maßnahmen nicht effektiv greifen. Wenn sich aber die Verzögerung mit der Zertifizierung hinzieht, ist nicht auszuschließen, dass Nord Stream 2 doch noch zu einem toten Projekt wird.»


«Wall Street Journal»: Putin hat im Weltall neue Front eröffnet

NEW YORK: - Russland hat mit dem Abschuss eines ausgedienten Satelliten heftige Kritik auf sich gezogen. Dazu schreibt das «Wall Street Journal»:

«Wladimir Putin hat einen Lauf. Moskau versammelt Truppen entlang der ukrainischen Grenzen, während der russische Verbündete Belarus einen Flüchtlingsangriff auf die Ostflanke der Nato startet. Jetzt hat der ermutigte russische Anführer mit einer Provokation im Weltraum eine neue Front eröffnet. (...) Der Anti-Satelliten-Test unterstreicht, wie sich der militärische Wettbewerb in den Weltraum verlagert hat und dort gibt es keine eindeutigen Regeln. (...)

Die USA sind für einen Großteil des modernen zivilen Lebens auf Satelliten angewiesen, von GPS-Ortungsgeräten über Google Maps bis hin zur täglichen Kommunikation. Auch für die militärische Überwachung und Zielerfassung sind sie entscheidend. Wenn eine ausländische Macht in den ersten Momenten eines Krieges US-Satelliten zerstört, wären die USA so verletzlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr. (...) Für bürokratische Bummelei gibt es keine Zeit, denn die Bedrohungen im Weltraum nehmen ebenso zu wie an Land und zu See.»

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