Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zu TV-Duell zwischen Biden und Trump

Kaum jemand dürfte bestreiten, dass es dem Präsidenten beim öffentlichen Auftritt immer um Selbstverherrlichung, Angriff und die große Show geht.

Biden wusste das natürlich, und er hat letztlich dadurch ganz gut dagegengehalten, dass er oft nicht dagegenhielt. Er ließ Trump in die Weite des Raums laufen. Damit hat Biden im Wesentlichen seine Wahlkampftaktik der vergangenen Wochen und Monate abgebildet. Noch immer ist nicht klar, wofür er als Präsident stehen soll, außer dafür, dass er ein Mann des Mitgefühls ist und nicht Donald Trump. Konkrete Ideen? So gut wie keine. Biden versucht, als der politisch profilloseste Kandidat der Geschichte ins Weiße Haus zu gelangen. Das ist eine unbefriedigende Taktik, aber vielleicht nicht die schlechteste. Sie basiert auf der Annahme, dass sich der Präsident schon selbst demontiert, wenn man ihn nur lange genug reden lässt, und der Dienstagabend hat wieder einmal gezeigt, dass da einiges dran ist.


«Handelsblatt» zum US-Wahlkampf

Trumps Prinzip der Destruktion, das er auch gegenüber internationalen Partnern anwendet, stellt diesen Wahlkampf vor historische Herausforderungen.

Denn die früher bewährten Rituale der Politik funktionieren nicht mehr, wenn ein Präsident über sämtliche Regeln des Anstands hinwegwalzt. Eine TV-Debatte ist keine Debatte, wenn einer der Protagonisten nicht debattieren will und kann. Die Trennung von Amt und Kampagne ist obsolet, wenn ein Präsident das Weiße Haus in eine Wahlkampfbühne verwandelt, wie bei der diesjährigen Republikaner-Convention geschehen. Und der Schutz der eigenen Bürger ist nicht gegeben, wenn ein Präsident eine Pandemie wüten lässt und krude Falschinformationen verbreitet.


«Washington Post»: TV-Debatte raubte Atem wie eine Asthma-Attacke

WASHINGTON: Die «Washington Post» kommentiert am Mittwoch die erste Fernsehdebatte zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden:

«Es dauerte nur 15 Minuten, bis sich die erste Debatte zwischen Präsident Trump und dem ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden in ein unverständliches Chaos verwandelte. Doch in dieser Viertelstunde sahen Wähler die einzigen Dinge, die sie über Trump wissen müssen: seinen Drang, zu dominieren, seine Unfähigkeit, sich zurückzuhalten, und wie schwierig es sein wird, das öffentliche Leben in den USA zurück zur Normalität zu bringen, wenn er weg ist. (...)

Trump sagt immer wieder Dinge, die einem den Atem stocken lassen. Schaut man ihm beim Debattieren zu, so fühlt es sich ein bisschen wie eine Asthma-Attacke an. Biden begab sich nicht auf Trump-Niveau herab: Sein persönlicher Aufzug fährt nicht so weit hinab. (...) Zum Glück endete die Debatte zur vorgesehenen Zeit. Aber es fiel schwer, viel Erleichterung zu empfinden als es vorbei war.»


«El País»: Biden im Kampf mit dem Raufbold

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» schreibt am Mittwoch zur ersten TV-Debatte im US-Präsidentschaftswahlkampf zwischen Amtsinhaber Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden:

«Die erste Wahldebatte zwischen dem Republikaner Donald Trump und dem Demokraten Joe Biden war ein chaotisches und boshaftes Spektakel, das im mächtigsten Land der Welt schockierte. (...) Ein Trump in seiner aggressivsten Version, der den Gegner nicht zu Wort kommen lässt, warf sich wie ein Wirbelwind gegen einen Biden, der versuchte, die Rolle des Präsidenten zu spielen, bei dem Versuch, Trump Paroli zu bieten, aber auch in den Schlamm griff. Biden nannte ihn einen «Lügner», einen «Clown» und sagte, er solle die Klappe halten.

Dieses Duell wird nicht als eine der Debatten in die Geschichte eingehen, die letztendlich das Schicksal einer Wahl bestimmt haben, sondern als Zeichen des feindseligen Klimas, das fünf Wochen vor der Wahl im Land herrscht. Biden sprach mehr in die Kamera und versuchte, die Wähler anzusprechen. Trump tat das Gegenteil mit schlechten Manieren, ganz nach dem Geschmack seiner treuesten Anhänger. (...)

Er (Biden) wirkte so wie dieser schmächtige Schüler, der eines Tages alle Kraft zusammennimmt und sich gegen den Raufbold der High School stellt: «Wirst du die Klappe halten, Mann?»»


«La Repubblica»: Internationales Netzwerk ist gegen den Papst aktiv

ROM: Über die Skandale und internen Probleme des Vatikans, wo zuletzt die Entlassung von Kardinal Angelo Becciu und Berichte über undurchsichtige Finanzströme für Schlagzeilen sorgten, schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Mittwoch:

«Dass es ein internationales Netzwerk gegen Papst Franziskus gibt, ist seit einiger Zeit bekannt. Aber die politische (und nicht religiöse) Präzision des Angriffs überrascht immer wieder (...), der sich international perfekt der extremen Rechten zuordnen lässt, und insbesondere der neuen amerikanischen Rechten, der Trump nahen Rechten. Kardinal (Oscar Rodriguez) Maradiaga (...) sagt, dass «Steve Bannon und der ehemalige Nuntius von Washington, Carlo Maria Vigano, die Fäden ziehen». Und wenn eine maßgebliche Stimme der Kirche Vor- und Nachnamen nennt, bedeutet das, dass der Krieg offen und erklärt ist. Auch innerhalb der Kirche. (...)

Religionsfragen sind für Gläubige offensichtlich viel wert, und sie sind Teil dieser Kultur. Für den Rest der Welt hat die Affäre zweifellos den deutlichen Aspekt eines direkten politischen Angriffs von rechts gegen einen Papst, der dem Evangelium nahe, ökumenisch, migrantenfreundlich, kosmopolitisch, umweltbewusst und daher für Rechte unvereinbar ist.»


«Duma»: Beide Seiten sündig und unschuldig zugleich

SOFIA: Zum Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach schreibt die sozialistische bulgarische Oppositionszeitung «Duma» am Mittwoch:

«Der mit neuer Kraft entflammte armenisch-aserbaidschanische Konflikt um Berg-Karabach weckte die internationale Gemeinschaft auf von dem politischen Schlummer zu diesem regionalen Konflikt. Aber auch jetzt wird sie wohl kaum eine Variante zur endgültigen Bewältigung des Konflikts finden. Dies ist so, weil beide kämpfende Seiten sündig und unschuldig zugleich sind. (...) Die Geschichte hinterließ ja auf beide Seiten die gleiche tiefe und schmerzliche Narbe, die statt sie zu einigen, sie gegeneinander aufhetzt. Die internationale Gemeinschaft fühlt sich machtlos. Dies gilt auch für das am Nähesten an den Kämpfenden stehende Russland.»


«Nesawissimaja»: Kann die EU Lukaschenko zum Einlenken bewegen?

MOSKAU: Zum Treffen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der belarussischen Oppositionellen Swetlana Tichanowskaja schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Mittwoch:

«Die Oppositionsführerin Tichanowskaja trifft sich jetzt mit vielen EU-Politikern und europäischen Staatschefs. Ob die EU aber wirklich die Position von Alexander Lukaschenko (Staatschef in Belarus) irgendwie beeinflussen kann, bezweifeln viele. Der hat sich nämlich für die Taktik der verbrannten Erde entschieden. Frankreich und andere Länder wollen durch Vermittlung weiter versuchen, Lukaschenko zu einem Dialog mit der Zivilgesellschaft zu bewegen. Aber die Behörden in Minsk reagieren bislang auf solche Treffen von Tichanowskaja und anderen wichtigen Politikern mit der bereits bekannten demonstrativen Gleichgültigkeit. Die Opposition sucht deshalb auch die Verbindung zu Russland.»


«The Telegraph»: Biden wirkte verängstigt und müde

LONDON: Zum TV-Duell im US-Präsidentschaftswahlkampf zwischen Amtsinhaber Donald Trump und Herausforderer Joe Biden heißt es am Mittwoch in der konservativen britischen Zeitung «The Telegraph»:

«Unfähig oder nicht willens, die Klingen zu kreuzen, wurde ein frustrierter Biden darauf reduziert, seinen Kopf zu schütteln, manchmal begleitet von einem verärgerten Gekicher. Die schillernde Gestalt, die in der Obama-Administration für etwas Leichtigkeit sorgte, war verschwunden und wurde durch einen verängstigten, müden Mann ersetzt, der entsetzt war über die ihm dämmernde Erkenntnis, dass er von einem Mann übertroffen wurde, den er zweimal als «Clown» bezeichnete.»


«Magyar Nemzet»: Jourova lügt oder lässt sich manipulieren

BUDAPEST: Zur Äußerung der EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova, wonach der rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orban mit der Monopolisierung der Medienlandschaft in Ungarn eine «kranke Demokratie» aufbaue, schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Mittwoch:

«Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder sie weiß sehr wohl, wie die Lage in Ungarn wirklich ist, und lügt einfach. Oder sie hat ihren Job nicht gemacht, hat keine Ahnung und verachtet das ungarische Volk auf der Grundlage jener Desinformationen, die aus den Lügenfabriken der mit (dem US-Investor und Philanthropen George) Soros in Zusammenhang bringbaren Pseudo-Zivilorganisationen und der Linken stammen. Doch dann wäre nicht Ungarn krank, sondern sie selbst. Für beide Fälle gilt jedoch dieselbe Schlussfolgerung: Jourova muss abtreten.»


«Politiken»: Demokratie in den USA erreicht neuen Tiefpunkt

KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» aus Kopenhagen kommentiert am Mittwoch die TV-Debatte zwischen dem republikanischen US-Präsidenten Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden:

«Unterbrechungen, Chaos, grobe Beschuldigungen, persönliche Angriffe, abfällige Spitznamen und erhobene Stimmen: Das waren die Grundzutaten der ersten TV-Debatte zwischen Präsident Trump und Joe Biden. Würdig war das nicht. Im Gegenteil. Obwohl Fox-News-Moderator Christopher Wallace mit imponierender Ruhe sein Bestes gab, um die Debatte in der Spur zu halten, war sie eine demütigende und deprimierende Vorstellung für eine verehrte Demokratie wie die USA. Sie zeigte eine Supermacht, die im extremen Streit mit sich selbst ist.

Trotzdem war die Debatte wichtig. Zum einen zeigte sie im Übermaß die Tiefen, in die Trump bereit ist, im Kampf um den Machterhalt zu versinken. Zum anderen - und das ist vielleicht wichtiger - hat die US-Bevölkerung Joe Biden endlich im Nahkampf mit Trump sehen können. Und er hat sich in feinem Stil geschlagen. Das war nicht «Sleepy Joe», wie Trump seinen Gegner abfällig nennt. Er war klar, ruhig, eindeutig mental frisch und überraschend aggressiv. So wurde in der Nacht auch klar, wer der Sieger der US-Präsidentenwahl sein sollte: Biden.»


«Gazeta Wyborcza»: Russlands Agieren bestimmt das Los Berg-Karabachs

WARSCHAU: Zum Krieg um die Südkaukasusregion Berg-Karabach schreibt die linksliberale polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza» am Mittwoch:

«In Berg-Karabach ist das internationale Recht auf der Seite Aserbaidschans. Also wird Moskau nicht mit Waffengewalt reagieren, solange nicht Armeniens Territorium angegriffen wird. Aber sogar eine teilweise Eroberung Berg-Karabachs oder der anderen besetzten Gebiete (durch Aserbaidschan) könnte eine Flüchtlingswelle und eine humanitäre Katastrophe auslösen. Auch besteht das Risiko einer türkisch-russischen Konfrontation. Beide Länder stehen sich an den Fronten nicht nur in Libyen, sondern auch in Syrien gegenüber, und es ist nicht klar, wie viele solcher Krisen ihr gemeinsames Interesse, das sich hauptsächlich auf Antiamerikanismus gründet, aushalten kann.

Daher wird sich die Situation wohl auf dem Schlachtfeld entscheiden. Die armenische Armee war bislang besser geführt und motiviert als die aserbaidschanische, aber die Lieferung israelischer Waffen könnte das Kräfteverhältnis auch ohne türkische Unterstützung ändern. Allerdings sind die USA (...) in diesem Konflikt abwesend. Und Moskau hat ein Interesse zu zeigen, dass es - anders als Washington - seine Verbündeten nicht im Stich lässt. Davon, wie im Kreml die Akzente gesetzt werden, hängt das Los von Berg-Karabach ab.»


«De Tijd»: TV-Duell dürfte Wahlentscheidungen kaum verändert haben

BRÜSSEL: Zum ersten TV-Duell im US-Präsidentschaftswahlkampf zwischen Donald Trump und Joe Biden meint die belgische Zeitung «De Tijd» am Mittwoch:

«Als geborener Entertainer wirkte Trump schneidiger, schneller, dominanter. Biden stolperte immer wieder mal über seine eigenen Worte und ließ Chancen auf eine schlagfertige Antwort ungenutzt. Aber der senile 77-jährige «Sleepy Joe», als den Trump seinen Gegner schon seit Monaten darstellt, war Biden nun auch wieder nicht. Verbale Ausrutscher, mit denen er sich in seiner ganzen Karriere hervortat, unterliefen ihm nicht. Und so wurde diese gehypte Debatte vor allem zu einer Bestätigung des Status quo. (...)

Haben die amerikanischen Wähler Dienstagnacht etwas gehört, was Trump und Biden noch nicht gesagt hatten? Keineswegs. Haben die Wähler, die laut Umfragen stärker zu Biden neigen, Dinge gehört, die ihre Wahlentscheidung verändern könnte? Ebenso wenig. Und werden die zwei noch folgenden und zweifellos ebenso chaotischen Debatten ihre Wahlentscheidung beeinflussen? Vermutlich ebenfalls nicht.»


«The Times»: Der Verlierer war Amerika

LONDON: Zum ersten TV-Duell zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden heißt es am Mittwoch in der britischen Zeitung «The Times»:

«Der klarste Verlierer dieser ersten Präsidentschaftsdebatte zwischen Donald Trump und Joe Biden war Amerika. (...) Tatsächlich war das keine Debatte, die einen vernünftigen Sinn ergab. Es war ein missmutiger und bisweilen unverständlicher Streit zwischen zwei wütenden Männern in den Siebzigern, die sich spürbar gegenseitig verabscheuen. (...)

Diese Wahl wird nicht geräuschlos enden. Im letzten Teil der Debatte ging es um die Integrität der Wahl. Trump blieb bei seiner konsequenten Weigerung, sich zur Anerkennung des Wahlergebnisses zu verpflichten. Stattdessen setzte er noch eins drauf und behauptete, dass Briefwahlstimmen Betrug ermöglichen, und er ermutigte seine Anhänger, das Geschehen in den Wahllokalen zu überwachen. Verbunden mit seiner Weigerung, weiße Rassisten zu verurteilen - er forderte die Gruppe «Proud Boys» auf, sich «zurückzuhalten und bereitzuhalten» - bot dieser Teil keine großen Hoffnungen auf eine baldige Linderung der tiefen Spaltung Amerikas.»


«DNA»: Konflikt um Berg-Karabach ist menschliches Drama

STRAßBURG: Zum Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach meint die elsässische Tageszeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» am Mittwoch:

«Das Konzept des «eingefrorenen Konflikts» ist eine Erfindung der Diplomaten. So etwas wie einen eingefrorenen Konflikt gibt es nicht. (...) Seit fast 30 Jahren schwelt das Feuer zwischen Armenien und Aserbaidschan wegen Berg-Karabach. Ein «autonomes», das heißt von Eriwan kontrolliertes und von Russland finanziertes Territorium, das Baku, militärisch unterstützt von der Türkei, niemals aufgegeben hat. Allein die Nennung der Namen der jeweiligen «Paten» macht deutlich, dass es um mehr geht als um dieses kleine Berggebiet. Dort, im Herzen des Kaukasus, in einer Region, die reich an Öl ist und von Pipelines durchzogen wird, entfaltet sich ein endloses menschliches Drama.»


«NRC Handelsblad»: Kandidaten führten eine schlechte Debatte

AMSTERDAM: Zur ersten TV-Debatte von US-Präsident Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden heißt es am Mittwoch in der niederländischen Zeitung «NRC Handelsblad»:

«Beide Kandidaten betonten so schnell wie möglich die Punkte, die sie vermitteln wollten. Als es um die Ernennung für das Oberste Gericht ging, begann Biden sofort über das Gesundheitssystem von Präsident Obama zu reden, das sein Nachfolger Trump zu zerstören versucht und mit dem sich das Gericht bald befassen wird. Und als der Moderator das Thema Rassismus ansprach, ignorierte Trump dies und begann stattdessen über die Strafverfolgung zu sprechen.

«Das ist die schlimmste Debatte, die ich je gesehen habe», sagte ein CNN-Kommentator. Und beim Sender CBS fragten sie: «Brauchen wir wirklich noch zwei Debatten von dieser Art?»»


«Die Presse»: Trump und Biden in der rhetorischen Jauchegrube

WIEN: Zur ersten Fernsehdebatte zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden schreibt die Wiener Zeitung «Die Presse»:

«Keiner der beiden Kandidaten stellte auch nur ansatzweise eine Vision vor. Die Diskussionsthemen dienten lediglich als Schlammbecken für persönliche Beleidigungen. Eine argumentative inhaltliche Auseinandersetzung fand nicht statt. (...) Falls sich Biden vorgenommen haben sollte, präsidentiell zu wirken, ist der Versuch gründlich daneben gegangen. Von souveräner Gelassenheit war bei ihm nicht viel zu bemerken. (...) Er warf sich in seiner Debatte mit Trump unbeherrscht in die rhetorische Jauchegrube. (...)

Die zwei alten Männer führten sich auf wie zwei Schulbuben mit Testosteronüberschuss im Pausenhof. Sie blieben einander in ihrem untergriffigen Gehabe nichts schuldig. Kinder sollten ferngehalten werden von Videoaufzeichnungen dieser Debatte. Sie können dabei nur Schlechtes lernen.»


«Wall Street Journal»: TV-Debatte glich einem Ringkampf

NEW YORK: Zur ersten TV-Debatte zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden schreibt das «Wall Street Journal» am Mittwoch:

«Niemand hat eine Lincoln-Douglas-Debatte erwartet, aber musste es ein World-Wrestling-Kampf sein? Wobei das unfair gegenüber den Ringern sein könnte, die präsidentenhafter sind als Donald Trump oder Joe Biden in ihrer ersten Debatte am Dienstagabend geklungen haben.

(...) Das Event war ein Spektakel an Beleidigungen, Unterbrechungen, endlosem ins Wort Fallen, Übertreibungen und totaler Lügen selbst nach den Lügen-Standards der derzeitigen US-Politik. (...) Keiner hat das Fiasko gewonnen, aber Mr. Biden bestand den Test, 90 Minuten lang schlüssig zu erscheinen. (...) Wir hoffen, es wird besser, wenn die beiden Vizepräsidentschaftskandidaten nächste Woche debattieren. Vielleicht wird einer von ihnen sich wie ein Präsident verhalten.»


«Público»: Trump und Amerikas moralischer Ruin

LISSABON: Die portugiesische Zeitung «Público» kommentiert am Mittwoch den Bericht der «New York Times» über US-Präsident Donald Trump, der jahrelang kaum Einkommensteuer gezahlt haben soll:

«Richard Nixon ist mit einer endlosen Reihe von Lügen über den Vietnamkrieg und Manipulationen (...) in die Zeitgeschichte eingegangen, bis ihn der Watergate-Skandal schließlich zum Rücktritt zwang. Als er aber von der Presse gezwungen wurde, seine steuerliche Situation offen zu legen, sah er keine Alternative und erklärte: «Die Vertraulichkeit meiner persönlichen Finanzen ist viel weniger wichtig für mich als das Vertrauen des amerikanischen Volkes in die Integrität des Präsidenten.» In Amerika gab es in den 1970er Jahren ethische Grenzen und einen republikanischen Wertekodex, von dem selbst die einfachsten Präsidenten wussten, dass er nicht gebrochen werden durfte. Heute stirbt dieses Amerika und es ist diese ethische Leichenhalle, die es Donald Trump ermöglicht, sich zu entfalten.

Die Aufdeckung des Steuerlabyrinths, in dem der Präsident Dinge versteckt hat, ist nicht nur für die Amerikaner wichtig. Es ist wichtig, weil es die moralische Korruption aufdeckt, von der Populisten leben. Es ist wichtig, weil es uns auf einen Zustand der Macht hinweist, in dem Anstand, Wahrheit, ein Gefühl des Dienstes an der Öffentlichkeit, Ehre oder persönliche Schande nicht zählen. (...) Trump lügt zwanghaft, seine Entscheidungen sind unberechenbar und er gibt keine Richtung vor, wie dies Führer tun sollten. Er verachtet die demokratischen Errungenschaften, die die Vereinigten Staaten zu einem der Leuchttürme der Freiheit gemacht haben.»

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