Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zum Taiwan-Konflikt

Angesichts der Kriegsschiffe vor Taiwan wächst die Sorge vor einem neuen Krieg.

Und sie ist berechtigt. Denn die chinesische Führung macht keinen Hehl aus ihren Ambitionen. Sie beansprucht das Südchinesische Meer und Taiwan für sich. Die Ein-China-Politik steht für Peking nicht nur auf dem Papier, sie wird verteidigt, wo immer es geht. Spätestens seit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong besteht kein Zweifel daran, dass der chinesischen Regierung dabei alle Mittel recht sind. Kommt es zum Krieg und besetzt China die kleine Insel, wird es bitter. Taiwan ist der mit Abstand wichtigste Produktionsstandort für Halbleiter, ohne die die Weltwirtschaft nicht mehr auskommt. Die deutsche Wirtschaft würde es besonders hart treffen, denn die Abhängigkeit vom Zugang zum chinesischen Markt ist stetig gewachsen.


«Stuttgarter Zeitung» zum Ringen der Großmächte

Noch ist die Frage nicht endgültig entschieden, ob sich die neue Ordnung der Welt durch Zusammenarbeit oder durch Konfrontation erreichen lässt, auch wenn die Zeichen klar auf Konkurrenz stehen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dies am Ende dazu führt, dass es überwiegend Verlierer geben wird, ist groß. Vor allem China und die USA zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zu bewegen kann daher entscheidend für den Fortbestand des Planeten sein.


«Frankfurter Rundschau» zu Atomkraftwerks Isar 2/Merz/Söder

Die Unionschefs Merz und Söder fahren seit Wochen eine Kampagne zur AKW-Laufzeitverlängerung.

Nun wollten sie ihr mit dem Besuch im bayerischen AKW Isar 2 Nachdruck verleihen. Ergebnis ihrer Vor-Ort-Recherche: Der Weiterbetrieb ist technisch möglich, Personal dafür ist da, und sogar "der Grünen-Wähler" fände ihn vertretbar. Nur, so einfach ist die Sache leider nicht. Der Ausstieg ist von Ex-Unionschefin und -Kanzlerin Merkel 2011 nach Fukushima durchgesetzt worden. Die Physikerin hatte erkannt: Ein Super-GAU, der weite Teile der Republik unbewohnbar machen würde, ist nicht nur in Japan, sondern auch hier möglich. Diese Gefahr nun durch ein Laufzeit-Plus von mehreren Jahren zu verlängern, lässt sich mit dem nötigen Kampf gegen Putins Gas-Waffe nicht rechtfertigen. Einen "Streckbetrieb" könnte nötig sein, um die Stabilität des Stromnetzes im Winter zu sichern. Ansonsten braucht es vollen Einsatz für ein 100-Prozent-Erneuerbaren-System. Das wäre was ganz Neues für Merz und Söder.


«Handelsblatt» zum europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt

Der große Wurf ist Lindners Vorschlag nicht, vielmehr dreht er nur an einer kleinen Stellschraube.

Kritiker nennen seinen Plan daher wenig ambitioniert. Aber dem Liberalen wäre es auch ganz recht, wenn sich der Stabipakt gar nicht groß ändert. Denn jede größere Reform kann aus seiner Sicht nur zu einer Aufweichung der Regeln führen. Andere EU-Länder haben weitergehende Vorstellungen. Mehrere Regierungen wollen bestimmte Investitionen bei der Berechnung des Haushaltsdefizits ausklammern. Sie argumentieren, dass Investitionen in grüne Technologien oder die Digitalisierung das Potenzialwachstum der Wirtschaft steigern und damit Haushaltsprobleme langfristig lösen. Statt mit einem Sparkurs eine Krise noch zu verschärfen, wollen sie mit Investitionen das Wachstum ankurbeln dürfen und so antizyklisch agieren. (.) Die Frage, wie mit den Investitionen umgegangen wird, dürfte noch hart debattiert werden. Es wird ein heißer Herbst.


«Münchner Merkur» zu BDI/Energiekrise/Kritik an Ampel

Deutschlands "Zeitenwende" ist eine Schnecke: Sieben quälende Wochen vergingen, bis nach der Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zur Wiederinbetriebnahme eingemotteter Kohlekraftwerke der erste Meiler ans Netz ging.

Da dampften Italiens Kühltürme schon seit Monaten wieder unter Volllast, um kostbares Gas zu sparen. Noch krasser das Getrödel bei den Atomkraftwerken. Es darf nicht sein, dass der Ampelregierung grüne Befindlichkeiten wichtiger sind als die Rettung des Industriestandorts. Kein Wunder, dass dem Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie jetzt der Kragen platzt. Dass Siegfried Russwurm die Samthandschuhe jetzt auszieht, zeigt die Verzweiflung der Industriekapitäne über drohende Produktionsstopps und die Gemütlichkeit, mit der die Koalition auf die größte Energiekrise seit Bestehen der Bundesrepublik reagiert. Noch immer werden bei uns gewaltige Mengen an Gas in Strom umgewandelt, statt jetzt die Speicher für einen kalten Winter zu füllen. Putin gefällt das.


«Pravda»: Bahnfahren sollte kein Luxus sein

BRATISLAVA: Die slowakische Tageszeitung «Pravda» schreibt am Donnerstag zur Diskussion über die Fortführung des 9-Euro-Tickets in Deutschland:

«Analysten sprechen skeptisch von einem geringen ökologischen Effekt und langfristiger wirtschaftlicher Unhaltbarkeit des 9-Euro-Tickets. Die Reaktionen der Reisenden sind positiv, obwohl es unvermeidliche Kritik an überfüllten Zügen gab. Ist das also eine effektive Unterstützung für die Umorientierung der Gesellschaft vom individuellen zum kollektiven Verkehr? Das hängt davon ab, wie wir die Herausforderung annehmen. Zum Beispiel ist schon die Kritik an "überfüllten Zügen" nicht von Kritik an einer Politik zu trennen, die den Mangel an Zügen und Zugsverbindungen verursachte.

Zwar ist es höchst wahrscheinlich, dass sich eine 9-Euro-Monatskarte langfristig nicht halten lässt. Sehr wohl aber ließe sich die grundsätzliche Lösung aufrecht erhalten, mit radikalen Mitteln zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr zu motivieren und damit Druck auf den Individualverkehr auszuüben, der sich überlebt hat. In einer Welt, in der wir schon begonnen hatten, einen Flug in den Urlaub um neun Euro normal zu finden, sollten wir uns eher die Frage stellen, wer sich eine Welt wünschte, in der Zugfahrten zu einem wirtschaftlichen Luxus geworden sind.»


«Magyar Nemzet»: Mit Trump hat Ungarn einen mächtigen Verbündeten

BUDAPEST: Zum Auftritt des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban bei einem Treffen von Anhängern des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in Texas schreibt die regierungsnahe Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Donnerstag:

«Den ungarischen Ministerpräsidenten und den amerikanischen Ex-Präsidenten verbindet nicht nur der Wunsch nach Frieden (in der Ukraine). Sondern viel mehr. Jene patriotische, konservative Weltanschauung, die die westeuropäischen Mitte-Rechts-Parteien verloren haben, verkörpert heutzutage am markantesten die ungarische Regierung («Ungarn zuerst!»). Auf der anderen Seite des Atlantiks tut dies die Republikanische Partei, die sich dank dem Phänomen Trump neu aufgestellt hat («Make America Great Again»).

In der Auseinandersetzung mit der radikalen Linken, die die Gender-Ideologie forciert, die illegale Migration fördert und den Kulturkampf anheizt, stellen jene politischen Kräfte, die die nationalen Interessen in den Vordergrund rücken, eine echte Alternative dar. Dazu braucht es aber Partner und Verbündete. Ungarn schadet nicht, wenn dies jemand ist (wie Trump), der in der Lage ist, mit der Unterstützung Dutzender Millionen Menschen auf kompetente Weise das mächtigste Land der Welt anzuführen.»


«De Standaard»: Ein Rückfall in neokonservative Überheblichkeit

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» kommentiert am Donnerstag Nancy Pelosis Taiwan-Besuch:

«Weniger als 24 Stunden nach ihrer Ankunft in Taiwan, die China erzürnte, reiste die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses schon wieder ab. Mehr Zeit brauchte es nicht, um Taiwan die fortgesetzte Unterstützung Amerikas zuzusichern und dessen demokratische Haltung zu loben. Peking reagierte zwar mit der Ankündigung beispielloser Militäroperationen zu Wasser und in der Luft, musste aber wutschnaubend einen Gesichtsverlust vor den Augen der Welt hinnehmen. Es bringt nichts, wenn man erst verbal aufrüstet und anschließend zurückstecken muss.

Jedoch kann die westliche Welt allemal auf die Art von PR-Erfolg verzichten, die Nancy Pelosi mit ihrem umstrittenen Besuch verbuchte. Dass nun auch eine Spitzenpolitikerin der Demokraten dreist die militärische Überlegenheit der USA zur Schau stellte, ist ein Rückfall in die neokonservative Überheblichkeit unter republikanischen Präsidenten wie George W. Bush und Donald Trump. Das bringt Stabilität und Sicherheit in keiner Weise näher. Zudem ist es fraglich, ob Pelosis PR-Stunt dazu führt, dass sie bei den US-Zwischenwahlen im November ihr Amt behält.»


«Dagens Nyheter»: Es ist nicht Pelosi, die provoziert

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Donnerstag den Taiwan-Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi:

«Nancy Pelosis Besuch in Taiwan ist als egoistisch und als fahrlässig bezeichnet worden. All das ist falsch. Es ist auffällig, wie normalerweise vernünftige Stimmen ein grundlegendes Prinzip über Bord geworfen haben: dass aggressive Großmächte kleinere Nachbarn nicht überfahren dürfen sollten. Stattdessen warnte Xi Jinping den US-Präsidenten Joe Biden davor, «nicht mit dem Feuer zu spielen». Pelosi war kaum in Taiwan gelandet, ehe die chinesische Volksbefreiungsarmee bekanntgab, dass zwischen Donnerstag und Sonntag Militärübungen rund um die Insel stattfinden werden. Wenn jemand mit dem Feuer spielt, dann ist es Xi Jinping.»


«Los Angeles Times»: Viele Staaten müssen Kansas' Beispiel folgen

LOS ANGELES: Die US-Zeitung «Los Angeles Times» meint zum Referendum im US-Bundesstaat Kansas, mit dem das Abtreibungsrecht weiterhin von der bundesstaatlichen Verfassung geschützt ist:

«Wenn es das ist, was die konservativen Richter des Obersten Gerichtshofs, die (das bis dahin gültige landesweite Abtreibungsrecht) Roe vs. Wade gekippt haben, mit der Rückgabe der Entscheidung an die Bundesstaaten meinten, dann haben die Menschen in Kansas sich das zu Herzen genommen. Ihre Entscheidung ist klar - sie wollen, dass ihre Verfassung ein Recht auf Abtreibung vorsieht.

Viele weitere Bundesstaaten müssen dem Beispiel von Kansas folgen. In jenen Staaten, in denen politisch opportunistische Republikaner dominieren, die sich bei Abtreibungsgegnern anbiedern, liegt es an den Wählern, sich zu zeigen und das Recht der Frau auf freie Wahl zu schützen. Es gibt keinen Grund, warum die Wähler in Kentucky - wo ein ähnlicher Verfassungszusatz wie in Kansas im November auf dem Stimmzettel steht - und in Michigan - wo eine Abstimmung über einen Verfassungszusatz zum Schutz der Abtreibungsrechte erwartet wird - sich nicht ebenso laut und deutlich Gehör verschaffen können, wie es die Wähler in Kansas gerade getan haben.»


«La Vanguardia»: Spaniens Energiesparprogramm braucht Nachbesserungen

MADRID: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Donnerstag das Energiesparprogramm der Regierung in Madrid:

«Das Maßnahmenpaket zum Energiesparen hat die Autonomen Gemeinschaften (Länder) und Kommunen, denen die Kontrolle über die Einhaltung der Vorschriften zufällt, auf dem falschen Fuß erwischt. Und es hat auch die Unternehmen verunsichert, denen bei Verstößen Strafen von 60.000 Euro bis 100 Millionen Euro drohen.

Sowohl in den Verwaltungen als auch in den betroffenen Branchen wird die Maßnahme als übereilt kritisiert. Es herrscht Verwirrung über die Umsetzung. Auch zeichnen sich viele Rechtsstreitigkeiten ab. Zudem sind oft Investitionen nötig, die kaum rechtzeitig erfolgen können.

Das Programm ist Folge des Kriegs in der Ukraine, eine Ausnahmesituation ähnlich wie während der Pandemie. Aber bei den Coronamaßnahmen stimmte sich die Zentralregierung mit den Ländern und anderen beteiligten Organisationen ab. Es scheint, dass das dieses Mal versäumt wurde, vielleicht weil man glaubte, das Herunterdrehen der Heizung oder weniger Kühlung sei ja simpel. Doch das stimmt wohl nicht. Die Regierung sollte Anpassungen vornehmen, damit eine gut gemeinte Maßnahmen nicht unnötige Konflikte auslöst. Noch ist Zeit.»


«NZZ»: Pelosis Taiwan-Besuch war nicht hilfreich

ZÜRICH: Zum Taiwan-Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, meint die «Neue Zürcher Zeitung» aus der Schweiz am Donnerstag:

«Wenn Pelosi glaubt, mit ihrem Husarenritt Taiwan zu helfen, irrt sie. Die eminente Frage, was sie damit bewirken kann, bleibt unbeantwortet. Klar ist hingegen: Peking zieht die Schlinge noch enger um die aus seiner Sicht abtrünnige Provinz.

Zweifellos dürfen sich Amerika, aber auch andere Demokratien nicht von China überall rote Linien diktieren lassen. Nicht China entscheidet, wer auf dem diplomatischen Parkett wen empfangen darf. Das gilt für Taiwans Präsidentin ebenso wie für den Dalai Lama, das spirituelle Oberhaupt der Tibeter. Die westliche Wertegemeinschaft muss gegenüber China Standfestigkeit beweisen. Denn Pekings Druckversuche kennen keine Grenzen.

Fehl am Platz ist indes bloße Symbolpolitik des Westens. Nancy Pelosis Stippvisite gehört in diese Kategorie. Ihr Aufenthalt in Taipeh hat zwar vorerst keinen militärischen Schlagabtausch ausgelöst. Doch beschädigte sie innerhalb eines Tages die fast achtjährige Balancepolitik der taiwanischen Präsidentin. Für einen der gefährlichsten geopolitischen Brennpunkte Asiens verheißt dies wenig Gutes.»


«Sydney Morning Herald»: Pelosis Taiwan-Trip hat langfristige Folgen

SYDNEY: Zum umstrittenen Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan schreibt die australische Zeitung «Sydney Morning Herald» am Donnerstag:

«Die Reise von Nancy Pelosi nach Taiwan hat China in Rage gebracht und die Märkte kurzzeitig erschüttert, bis die Bedrohung durch etwas, das größer als bloßes chinesisches Säbelrasseln hätte sein können, nachzulassen schien. Das bedeutet nicht, dass der Besuch keine längerfristigen wirtschaftlichen und finanziellen Folgen haben wird.

China reagierte auf die Provokation des US-Repräsentantenhauses mit aggressiver Rhetorik (...) und großangelegten Militärübungen in den Gewässern um Taiwan. Bisher war die Reaktion jedoch verhaltener, als die Drohungen vor dem Besuch vermuten ließen. (...) Die längerfristigen Auswirkungen einer deutlichen Verschlechterung der ohnehin fragilen und angespannten Beziehung zwischen den USA und China dürften neben einer Ausweitung und Beschleunigung der bereits begonnenen Entkoppelung der Wirtschaftsbeziehungen auch eine Intensivierung des geopolitischen Wettbewerbs sein (...).

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