Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Bildungsgipfel

(...) Lehrermangel, Grundschüler, die weder sicher lesen, schreiben noch rechnen können, 630.000 Jugendliche, die Schulen ohne Abschluss verlassen, Lücken durch die Corona-Pandemie und fehlende Erzieher gefährden nicht nur die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands, sondern auch die Demokratie.

In der Strategie und Prioritätensetzung allerdings gibt es keine Einigkeit. Gezeigt hat das der sogenannte Bildungsgipfel in Berlin (...). Denn diejenigen, die Verantwortung für Schule tragen, waren gar nicht erst gekommen: 14 von 16 Kultusministern fehlten. (...) Wer eine Task Force Bildung gründen will, muss die Kultusminister vorher einbeziehen. (...) Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, aber die jeweils Zuständigen blockieren sich gegenseitig und handeln nicht. Mit Überrumpelungstaktik aus Berlin wird sich daran nichts ändern. (...).


«Stuttgarter Zeitung» zu Wehrbericht

Die Dauerkrise hat konkrete Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Streitkräfte.

Man sei zwar verteidigungsfähig, erklärte Högl am Dienstag, aber «nur gemeinsam mit den Partnern». Ist denn ein Ende der Misere absehbar? Högl sagte: «Ab 2030 oder 2031 soll die Bundeswehr vollständig einsatzfähig sein.» Da kann man nur hoffen, dass sich mögliche Feinde Deutschlands an den Zeitplan der Bundeswehr halten. Denn die Zeiten, in denen man der Bundeswehr mit freundlichem Desinteresse begegnen konnte, sind seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine endgültig vorbei. Somit endet auch Pistorius' Schonfrist.


«Münchner Merkur» zu Bankenkrise/Börse

Anleger sind scheue Wesen, die bei vermuteter Gefahr schnell in Panik geraten.

Entsprechend heftig waren die Turbulenzen nach dem Kollaps der amerikanischen Silicon Valley Bank. Die zur Bekämpfung der Inflation von der US-Notenbank Fed vorgenommene heftige Zinswende hat vielen Banken, die sich zuvor mit tief verzinsten und damit unattraktiv gewordenen Wertpapieren vollgesogen hatten, teils schlimme Verluste beschert. Richtig ist aber auch, dass nach der Weltfinanzkrise von 2008/2009 Geldhäuser überall auf der Welt strenger reguliert werden und auch mehr Eigenkapital vorhalten müssen. Das spricht gegen eine neue Finanzkrise. Im günstigen Szenario könnte die Sache auch ganz anders ausgehen - wenn die US-Notenbank ihre beispiellose Serie von Zinsanhebungen jetzt abrupt beendet, um den wankenden Geldhäusern zu helfen.. Das wäre für Anleger rund um den Globus nach langer Baisse das Signal zum Einstieg in den Aktienmarkt.


«Handelsblatt» zu Galeria Kaufhof

Deshalb muss die Frage erlaubt sein: Wem würde etwas fehlen, wenn es Galeria nicht mehr gäbe? Die Kunden haben schon mit den Füßen abgestimmt, die Frequenzen in den Filialen gehen dramatisch zurück.

Auch um die Mitarbeitenden muss man sich nicht sorgen, in der Branche wird gutes Personal händeringend gesucht. Bleiben die Kommunen und die Immobilieneigentümer, die in diesem Fall im gleichen Boot sitzen. In vielen Fällen wird es in der Tat erst mal schwer sein, eine neue Nutzung für die Warenhausimmobilie zu finden. Ohne Umbau oder Abriss wird es in der Regel nicht gehen. Doch auch hier dürften mittelfristig die Chancen die Risiken überwiegen. Denn Einzelhandel allein ist nicht mehr der Magnet, der Menschen in die Innenstädte lockt. Speziell die großen Betonklötze, teilweise seit den 1960er-Jahren nicht umgebaut, in denen Galeria residiert, wirken auf viele eher abschreckend. Neue Konzepte sind gefragt. Galeria hat leider keine im Angebot.


«Washington Post»: Oscar für «Nawalny» rückt Katastrophe ins Licht

WASHINGTON: Zu dem am Sonntag verliehenen Oscar für «Nawalny» als besten Dokumentarfilm über den inhaftierten russischen Kremlgegner Alexej Nawalny schreibt die «Washington Post»:

«Der Film «Nawalny» (...) wird nicht in der Hochsicherheits-Strafkolonie 6 östlich von Moskau gezeigt, wo sein Star, Alexej Nawalny, in Isolationshaft sitzt. Auch wird er in Russland nicht öffentlich gezeigt. Aber der wohlverdiente Oscar für den Film und das damit verbundene Rampenlicht sollten daran erinnern, welch enorme Einsätze für Russland und die Welt in der gegenwärtigen Katastrophe von Krieg und Diktatur auf dem Spiel stehen. (...)

Wie Nawalny vergangenes Jahr auf unseren Seiten schrieb, zielt (Wladimir) Putins Angriffskrieg nicht nur darauf ab, die Ukraine zu zerstören, sondern wirft auch die Frage auf, welche Art von Russland aus dem Krieg hervorgehen wird. (...) Es erscheint unwahrscheinlich, dass Russland auf den demokratischen Weg zurückkehrt, den es in den 1990er Jahren eingeschlagen hatte. Viel wird vom Ausgang des Krieges abhängen. Hoffentlich wird die Ukraine zu einer blühenden, offenen europäischen Gesellschaft. Aber wir stimmen Nawalny zu, dass das Nachkriegsrussland Putins Griff und der von ihm auferlegten unterdrückerischen Autokratie entkommen muss.»


«Sydsvenskan»: Deutsche Blockade bei Verbrenner-Aus sehr unglücklich

MALMÖ: Die liberale schwedische Tageszeitung «Sydsvenskan» (Malmö) kommentiert am Dienstag die deutsche Blockade des geplanten Aus für neue Autos mit Verbrennermotor in der EU ab 2035:

«Das einzige, was für das EU-Gesetz zum Stopp der Neuproduktion fossil betriebener Autos ab 2035 noch fehlte, war ein Spaziergang über die Ziellinie. Doch Deutschland hat eine Kehrtwende vollzogen und sagt nun Nein zu dem Gesetzentwurf, zu dem es zuvor Ja gesagt hat. Damit bildet es zusammen mit Italien, Polen und Bulgarien eine blockierende Minderheit. Dass ein fertig ausgehandeltes EU-Gesetz auf diese Weise an der Ziellinie gestoppt wird, ist äußerst ungewöhnlich. Dass es sich um ein so umfangreiches und symbolträchtiges Gesetz handelt, macht es umso bemerkenswerter. Und dass sich gerade Deutschland querstellt, eines der EU-Schwergewichte und seit langem ein Motor der europäischen Zusammenarbeit, ist zutiefst unglücklich.

Und es ist nicht die deutsche Autoindustrie, die den E-Autos Knüppel zwischen die Räder wirft. Vielmehr sind es Reibereien innerhalb der deutschen Regierung, die Bundeskanzler Olaf Scholz dazu bringen, die Handbremse zu ziehen - als Geschenk an den Koalitionspartner FDP, der dem Gesetzentwurf von Anfang an negativ gegenüberstand und Probleme mit seinen Umfragewerten hat. Dass Scholz einem Koalitionspartner beistehen will, ist nachvollziehbar. Aber es steht viel auf dem Spiel, und der Kanzler sollte einen Weg finden können, der FDP einen Gefallen zu tun, ohne die EU-Zusammenarbeit ins Wanken zu bringen.»


«The Times»: Märkte wetten nun auf Pause bei Zinserhöhungen

LONDON: Zum Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA meint die Londoner «Times» am Dienstag:

«Anleger befürchten nun, dass Kunden kleinerer Banken ihre Einlagen zu größeren, solideren Instituten verlagern werden, was zu ähnlichen Problemen wie bei der SVB führen könnte. Gleichzeitig birgt die Entscheidung, alle Einlagen der SVB zu garantieren, die Gefahr, dass andere Banken mit wackeligen Geschäftsmodellen zu riskantem Verhalten verleitet werden.

Die Biden-Regierung sah sich zweifellos gezwungen, dieses Risiko einzugehen, weil die Gefahr besteht, dass die Pleite der SVB die gesamte Wirtschaft in Mitleidenschaft zieht. Die unmittelbare Sorge ist, dass der Bankensektor seine Kreditvergabestandards verschärft, was zu einer Kreditverknappung führen würde. Das wäre nicht nur ein Problem für Verluste machende Tech-Start-Ups. Es birgt auch die Gefahr, dass sich der finanzielle Stress auf die breitere Private-Equity-Branche überträgt, der große Teile der US-Wirtschaft gehören. Die Märkte wetten nun darauf, dass das Fed seine Zinserhöhungen pausieren oder sogar rückgängig machen muss, um dieses Risiko einzudämmen.»


«de Volkskrant»: Zentralbanker sollten in Alarmbereitschaft sein

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Dienstag den Zusammenbruch der Silicon Valley Bank in den USA:

«Es ist noch zu früh, um zu schlussfolgern, dass sich eine neue Finanzkrise anbahnt, aber der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank sollte Zentralbanker und Politiker in aller Welt in Alarmbereitschaft versetzen. (...) Die größte Sorge besteht darin, dass die Welt nun doch noch die Rechnung bezahlen muss, die sie dank der niedrigen Zinssätze jahrelang vor sich herschieben konnte. Die Auswirkungen der Finanzkrise von 2008 hielten sich in Grenzen, weil die Regierungen den angeschlagenen Banken unter die Arme griffen.

Da die Zentralbanken in der westlichen Welt danach die Zinssätze schnell senkten, konnte eine Schuldenkrise vermieden werden. Solange die Inflation niedrig blieb, hielten die Zentralbanken das für vertretbar. Es wurde jedoch stets gewarnt, dass dies eine äußerst riskante Strategie sei. Wenn die Inflation steigen würde und die Zinssätze erhöht werden müssten, könne es trotzdem zu einer Schuldenkrise kommen.

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank könnte ein erstes Anzeichen dafür sein. Sollte sich die Finanzkrise ausweiten, werden sich die Zentralbanken wahrscheinlich gezwungen sehen, die Zinsen wieder zu senken. Wir können nur hoffen, dass die Inflation bis dahin abgeklungen ist.»


«Tages-Anzeiger»: Die Welt steuert auf eine neue Blockbildung zu

ZÜRICH: Zu den Beziehungen zwischen den USA und der EU heißt es am Dienstag im Schweizer «Tages-Anzeiger»:

«Die EU und die Amerikaner sind dabei, ihren Subventionsstreit um das protektionistische US-Investitionsprogramm für Elektroautos, Batterien und Windräder zu entschärfen. So zumindest die Botschaft Ende vergangener Woche. Es hilft, dass die EU-Kommissions-Chefin und der US-Präsident einen guten Draht zueinander haben.

Die harmonischen Bilder können nicht darüber hinwegtäuschen, worum es in der Tat geht. Nämlich darum, angesichts des Handelskonflikts der USA mit China die europäische Flanke zu schließen. Joe Biden will die alten Verbündeten möglichst an seiner Seite wissen. Die EU könnte hier rascher gezwungen sein, Farbe zu bekennen, als manchen Mitgliedsstaaten recht ist. (...)

Die US-Regierung hat angekündigt, Wirtschaftssanktionen gegen China zu verhängen, sollte Peking Russland mit Waffen unterstützen. Die Europäer würden unter Druck geraten, nachzuziehen. Die Welt steuert auf eine neue Blockbildung zu, auf der einen Seite die autoritären Regimes in Moskau und Peking, auf der anderen Seite westliche Demokratien mit den USA an der Spitze, gefolgt von Europa, Kanada, Australien und Japan.»


«Público»: Es gibt nur einen Ausweg aus dem Wahnsinn des Krieges

LISSABON: Die portugiesische Zeitung «Público» kommentiert am Dienstag die verlustreichen Kämpfe um die ukrainische Stadt Bachmut:

«Die Monate vergehen, und die schier endlosen Schrecken der russischen Aggression sind zu einer Routine geworden, die alles relativiert und alles auflöst. Aber wir müssen innehalten und uns die Realität hinter den Nachrichten, Bildern und der Geopolitik vergegenwärtigen. Dann landen wir in Bachmut, wo sich Russen und Ukrainer seit Mai vergangenen Jahres gnadenlos gegenseitig umbringen. 10.000 oder 11.000 tote Ukrainer und 20.000 bis 30.000 tote Russen in Bachmut erinnern uns daran, dass es aus dem Wahnsinn dieses Krieges, aller Kriege, nur einen Ausweg gibt: ein Friedensabkommen. Die Ukraine darf den Donbass nicht verlieren und muss der EU beitreten können; Russland kann die Krim wiedererlangen, ohne dass es sich für sein imperialistisches Abenteuer belohnt fühlen könnte. Es ist schwierig, aber alle Friedensverträge ohne Kapitulation einer der beiden Seiten waren schwierig.»


«NZZ»: Inflationsbekämpfung muss trotz Bankpleite weitergehen

ZÜRICH: Zum Kollaps der Silicon Valley Bank in den USA meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Der amerikanische Präsident will die Verantwortlichen für den Schlamassel zur Rechenschaft ziehen und dürfte dabei vor allem das Management im Visier haben. Die Schuldigen sitzen aber auch in den Behörden: Weshalb hat die Aufsicht nicht genauer hingeschaut, als die Silicon Valley Bank innert kürzester Zeit extrem wuchs und ihre Bilanz immer fragiler wurde? Weshalb etwa müssen Banken für verbriefte Hypotheken, hinter denen staatliche Schuldner stehen, kaum Eigenkapital halten?

Auch wenn der Steuerzahler unmittelbar kein Geld verliert, so droht noch eine ganz andere Gefahr. Gemunkelt wird bereits, dass die amerikanische Notenbank die Zinsen nun weniger schnell erhöhen könnte, um nicht weitere Banken in Schwierigkeiten zu bringen. Wenn das Fed bei der Inflationsbekämpfung aber ausgerechnet jetzt nachlässt, dann wäre das ein viel größerer Schaden als das Scheitern einiger nicht systemrelevanter Banken.»


«Sydney Morning Herald»: Nicht im Krieg, aber auch nicht im Frieden

SYDNEY: Zum U-Boot-Deal für den Indopazifik zwischen den USA, Großbritannien und Australien und den nun bei einem Treffen in San Diego bekannt gegebenen Details zu der Sicherheitsallianz schreibt die australische Zeitung «Sydney Morning Herald» am Dienstag:

«Die Zahlen sind so hoch, dass einem die Augen tränen und der Atem stockt. Es hat sich herausgestellt, dass all die beeindruckend klingenden Zahlen, die Experten genannt haben, um die Kosten für den Erwerb einer Flotte von Atom-U-Booten zu schätzen - vielleicht 100 Milliarden Dollar oder 200 Milliarden Dollar - zu niedrig angesetzt waren. Stattdessen können die Steuerzahler damit rechnen, in den nächsten 30 Jahren zwischen 268 und 368 Milliarden Dollar auszugeben, um die Flotte von acht atomgetriebenen U-Booten zu entwickeln. (...)

Die Dringlichkeit, zusätzlich zu dem schwindelerregenden Preisschild, spiegelt die Tatsache wider, dass wir uns in einer gefährlichen und unvorhersehbaren neuen Grauzone der Rivalität zwischen den Supermächten China und USA bewegen. Es ist ein Wettbewerb, bei dem wir dazu bereit sind, trotz unserer geografischen Isolation und relativ kleinen Bevölkerung ein zentraler Akteur zu sein. (...) Die monumentalen Kosten des Aukus-Paktes haben es deutlich gemacht. Wir befinden uns nicht im Krieg, aber wir leben auch nicht im Frieden.»

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