Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Wahltermine

Was die Klimaschützer erreicht haben, ist ein riesiger Erfolg für ihr Anliegen: Sie haben das Quorum geschafft.

Das muss ein Ansporn für die Politik sein, noch mehr Kraft in den schnellen Umbau der Stadt zu stecken. Und dennoch: Jetzt droht das Thema im Berliner Wahlkampf zu versinken. Bei der wichtigen Frage, wann die Abstimmung stattfinden soll, streitet die Koalition. Die Chaoswahl von 2021 ist Mahnung genug. Neben der Bundestags- und der Abgeordnetenhauswahl sowie der Entscheidung zu den Bezirken musste damals auch noch über einen Volksentscheid abgestimmt werden. Innensenatorin Spranger will am 12. Februar auf Nummer sicher gehen. Und sie hat gute Argumente. Eine eigene Klima-Abstimmung wird Geld kosten. Aber noch schlimmer wäre eine Wiederholung der Wiederholungswahl. Die kann sich Berlin wahrlich nicht mehr leisten.


«Stuttgarter Zeitung» zum Gas-Deal mit Katar

Ist es moralisch vertretbar, Gasgeschäfte mit Katar zu machen? Ja und nein.

Im Gegensatz zu Russland ist das Emirat kein Land, das durch einen Angriffskrieg die europäische Friedensordnung unterminiert und dadurch eine direkte Bedrohung für Deutschland und seine Verbündeten wäre. Zur Wahrheit gehört aber auch: Solange die Bundesrepublik und andere europäische Staaten von fossilen Energieträgern abhängig sind wie der Junkie vom Heroin, können sie bei der Beschaffung nicht allzu wählerisch sein. Es wäre schön, wenn Deutschland seinen Gasbedarf ab sofort ausschließlich aus lupenreinen Demokratien wie Norwegen, den Niederlanden oder Kanada decken könnte, am besten noch ohne umweltschädliches Fracking. Leider ist das illusionär. Wer sich darüber aufregt, sollte beim nächsten Mal, wenn er in einem Auto sitzt, daran denken, dass der Sprit im Tank mit einiger Wahrscheinlichkeit aus libyschem oder kasachischem Öl gewonnen wurde.


«Frankfurter Rundschau» zu G7- und Nato-Treffen zur Ukraine

Es ist richtig und wichtig, dass die westlichen Verbündeten der Ukraine das überfallene Land weiter mit allem unterstützen, was nötig ist, damit Kiew den Kampf gegen die russischen Invasoren fortführen und die Menschen möglichst gut durch den Winter kommen.

Oder anders gesagt: Wenn die USA, Deutschland und die anderen EU-Staaten Worten Taten folgen lassen. Insofern ist es hilfreich, wenn die G7-Staaten zu Recht die russischen Kriegsverbrechen besser dokumentieren wollen, damit die Täter in Uniform und im Kreml dereinst zur Rechenschaft gezogen werden können. Noch wichtiger ist aber die konkrete Hilfe, die die Nato-Staaten nun liefern wollen. Dazu zählen unter anderem Winterausrüstung, medizinisches Material oder Störsender zur Drohnenabwehr für die ukrainischen Streitkräfte oder Generatoren und Transformatoren. All das ist nötig, um der Ukraine beizustehen und um dem Autokraten Wladimir Putin zu verdeutlichen, dass er nicht gewinnen kann. Alles andere muss leider warten.


«Hospodarske noviny»: Repressionen in China werden hart sein

PRAG: Zu den wachsenden Protesten in China gegen die Null-Covid-Politik schreibt die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Die kommunistische Diktatur in China hat ihre Bürger an den Rand der Geduld gebracht. Die Null-Toleranz-Politik gegen Covid-19 mag am Beginn der Pandemie eine Berechtigung gehabt haben, als die Regierungen nicht ahnen konnten, mit was für einem Gegner sie es zu tun haben. In Zeiten funktionierender Impfstoffe ist diese Strategie mehr als problematisch. (...) Doch trotz der ungeahnten Ausmaße und Intensität der Demonstrationen verfügt die kommunistische Partei Chinas über genügend Instrumente, um die Proteste niederzuschlagen.

Für chinesische Verhältnisse handelt es sich immer noch um sehr kleine Gruppen von Demonstranten. Die allgegenwärtigen Kameras ermöglichen es, nicht nur die Organisatoren, sondern auch die aktivsten Teilnehmer zu identifizieren. Die Repressionen werden zweifellos hart sein.»


«Rzeczpospolita»: Null-Covid-Politik und null Illusionen über China

WARSCHAU: Die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» kommentiert am Dienstag die Protestwelle gegen die Corona-Politik in China:

«Seit drei Jahren kennen wir das Coronavirus. In diesen drei Jahren haben wir viel über China gelernt, das durch technische Geräte in jedem Haushalt präsent ist. Und wir konnten uns ausmalen, was passiert, wenn wir noch mehr von ihnen hereinlassen und uns noch abhängiger von einem Staat machen, der noch immer eine Null-Covid-Politik verfolgt und zuvor ähnliche Strategien verfolgt hat: Null Ungehorsam, Null Pluralismus, Null Veränderung, Null Information. Und auch keinerlei Konsequenzen für sein Handeln.

Trotz der Grundsätze «Null Information» und «Null Ungehorsam» konnten einige Menschen die Folgen der Null-Covid-Politik nicht ertragen. Sie gehen auf die Straße und riskieren Repressionen. Dies geschieht auch zu einer Zeit, in der Xi Russland unterstützt, das einen imperialen Krieg in der Ukraine führt, und die «Vereinigung der chinesischen Länder» ankündigt. Leider haben unsere Null-Illusionen über (Staats- und Parteichef) Xi Jinping nicht unbedingt Auswirkungen auf die Allianz zwischen Peking und Moskau und die Pläne zur Eroberung Taiwans. Aber wir können, ja müssen uns unabhängig machen vom chinesischen Markt, von chinesischer Technologie, chinesischer Propaganda, von liebevollen Worten.»


«Washington Post»: Musks Twitter-Chaos schadet der Meinungsfreiheit

WASHINGTON: Der neue Twitter-Besitzer Elon Musk hat angekündigt, von dem Kurznachrichtendienst verbannte Accounts in dieser Woche wieder freischalten zu wollen. Dazu schreibt die «Washington Post»:

«Vielleicht glaubt Musk nicht, dass Menschen, die Hass und Hetze verbreiten, von seiner Plattform verbannt werden sollten. In Ordnung. Aber wenn das der Fall ist, hätte er die Richtlinien der Seite überarbeiten sollen (...). Der Ansatz, den Musk stattdessen gewählt hat, untergräbt die Werte, die er zu verteidigen vorgibt. Der Abbau von Personal, das sich um die Überprüfung von Inhalten kümmert, kann zur Folge haben, dass Freiheitsrechte bedroht werden. (...) Twitter ertrinkt in Spam-Beiträgen, vor allem Pornografie, die von Konten mit Verbindung zur Kommunistischen Partei Chinas auf die Plattform gespuckt werden, um Nachrichten der jüngsten Proteste zu verdecken. (...)

Darüber hinaus wird die lückenhafte Durchsetzung von Regeln - oder das wissentliche Zulassen von Regelverstößen - die Entscheidungsfindung von Twitter willkürlicher und damit der freien Meinungsäußerung weniger dienlich machen. (...) Momentan ist unklar, was man auf Twitter sagen darf und was nicht - oder was die nächste Umfrage von Musk ergeben könnte. Wer an freie Meinungsäußerung auf Twitter glaubt, sollte sich für klare und konsequente Regeln einsetzen, die transparent durchgesetzt werden. Stattdessen hat Musk Chaos verursacht.»


«Dagbladet»: Der Corona-Kaiser ohne Kleider

OSLO: Die norwegische sozialliberale Boulevardzeitung «Dagbladet» (Oslo) kommentiert am Dienstag die Protestwelle gegen die Corona-Politik in China:

«Chinas Null-Toleranz für Covid ist dabei, eine Null-Toleranz beim Volk zu schaffen. Weil die Bevölkerung sieht, dass der Kaiser sie hinters Licht führt. Vor nur fünf Wochen klatschten die 2300 Delegierten beim Parteikongress im Wesentlichen für zwei Dinge. Zum einen, dass sich Parteichef Xi Jinping zum Diktator auf Lebenszeit erhoben hat, sofern er denn will. Zum anderen, weil die Null-Toleranz der Partei angesichts des Coronavirus ein toller Erfolg gewesen sei.

Doch dann - fast ohne Vorwarnung - wurde Xi in den vergangenen Tagen fast gleichzeitig von drei verschiedenen Seiten angegriffen: einer lokalen Revolte, einer Studentenrevolte und einer Arbeiterrevolte. Der Grund liegt eben darin, dass seine Null-Toleranz gegenüber dem Virus letztlich eine Katastrophe für Land und Leute ist. Menschen in so großen Städten wie Shanghai - mit seinen 26 Millionen Einwohnern - sind seit Wochen abgeriegelt. Es ist längst mehr als genug gewesen, denn wie sich herausgestellt hat, hat das Virus nicht nur die Lungen, sondern auch die Nerven angegriffen.»


«The Times»: Chinas Herrscher stehen vor einem Dilemma

LONDON: Zu den Protesten gegen Chinas strenge Null-Covid-Politik meint die Londoner «Times» am Dienstag:

«Die Führung Chinas durch Präsident Xi Jingpin hat kaum jemals so instabil gewirkt. Die Straßenproteste in Städten und Handelszentren wie Shanghai, Peking, Chengdu und Guangzhou stellen die herrschende Kommunistische Partei vor ein Dilemma. Entweder sie beugt sich der Menge und lockert die erdrückende Null-Covid-Politik - vielleicht mit Hilfe westlicher mRNA-Impfstoffe - oder sie macht die Luken dicht, verprügelt die Demonstranten und hofft, dass die Wut abklingt.

Ersteres würden Hardliner unter den Kritikern Xi Jinpings als Signal der Schwäche deuten. Die zweite Option würde ihn in den Augen der Bevölkerung seiner Legitimität berauben und die grundlegende Instabilität seines Reiches noch verstärken. Bei dieser Entscheidung kann der Westen Xi nicht helfen, wenngleich das Angebot eines wirksamen westlichen Impfstoffs auf dem Tisch liegt. Es anzunehmen würde aber voraussetzen, dass der chinesische Präsident seinen Stolz herunterschluckt.»


«Trouw»: Verlauf der Proteste in China schwer einzuschätzen

AMSTERDAM: Zu den Corona-Protesten in China schreibt die niederländische Zeitung «Trouw» am Dienstag:

«Die Wucht der Proteste, die am Samstagabend begannen, ist kaum zu überschätzen. Bemerkenswert sind dabei die Unterschiede zwischen den Demonstranten. In Ürümqi (chinesisch: Wulumuqi, Hauptstadt der Region Xinjiang) forderten Menschen ein Ende der seit Monaten andauernden Abriegelungen, schwenkten aber zugleich eine rote Flagge, um ihre Unterstützung für die Kommunistische Partei Chinas zu zeigen. In Wuhan überwanden vor allem ältere Menschen unbeirrt Barrieren und weigerten sich, die erdrückenden Corona-Regeln weiter zu befolgen.

Zu diesem zivilen Ungehorsam gesellen sich die Klagen vieler junger Menschen. Manchen Schätzungen zufolge fanden landesweit an etwa 50 Universitäten Demonstrationen statt. Sie verliehen den Protesten eine politische Note. Einige Studenten machten Präsident Xi Jinping persönlich verantwortlich und forderten einen Regimewechsel. (...) Inwieweit die politischen Ansichten der Studenten von Demonstranten in anderen Städten geteilt werden, ist nicht klar. Unklar ist auch, ob es einen Anführer oder eine zentrale Forderung gibt. Das macht es schwierig zu beurteilen, was als nächstes geschehen wird.»


«El País»: Rebellion in China

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Dienstag die Proteste in China:

«Knapp einen Monat nach dem 20. Kongress der Kommunistischen Partei, der Xi Jinping eine dritte Amtszeit als Präsident bescherte, erlebt China seinen größten politischen Umbruch seit dem Frühjahr 1989. Damals besetzten Studenten den Platz des Himmlischen Friedens, forderten Demokratie und die brutale Antwort war eine Intervention des Militärs. In den vergangenen Tagen sind Tausende Demonstranten in mindestens zehn Großstädten auf die Straße gegangen, um die strengen Null-Corona-Beschränkungen anzuprangern. Die Demonstranten rebellieren erstmals gegen Xi Jinping und lehnen sowohl die Anti-Corona-Maßnahmen als auch die ständigen Kontrollen durch die Polizei eines autokratischen Regimes ab.

Aber die Erfahrungen mit der Repression des chinesischen Regimes und insbesondere die Erinnerung an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor 33 Jahren lassen jetzt das Schlimmste befürchten. Es ist kaum vorstellbar, dass Xi Jinping sein Scheitern einräumt und damit auch den Anspruch auf Überlegenheit des autokratischen Systems aufgibt. Die furchterregende Polizeirepression hat bereits begonnen.»

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