Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zum Energiesparplan des Berliner Senats

Auf 20 Grad soll die Temperatur in den Büros, Arbeitsräumen und auch in den Oberschul-Klassenräumen im Herbst und Winter gedimmt werden, um ordentlich Energie einzusparen.

Sechs Prozent soll das bringen. Da fragt man sich doch, warum wir das nicht schon lange so gemacht haben. Das hätte den Etat des Landes schon früher entlastet und auch dem Klima ein wenig geholfen. Von Opfern, die irgendjemand hier bringen würde, kann wahrlich nicht die Rede sein. Wenn die Wirtschaft sich analog verhält und schon aus Eigennutz auf die Energieverschwendungsbremse tritt, kommt womöglich schon ein schöner Beitrag zusammen. Wenn das reicht, um Putins Drosselung der Gaslieferungen auszusitzen, ist alles gut. Mit dem gesparten Geld kann der Staat dann arme Menschen gezielt bei ihren Energierechnungen unterstützen.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Putins Angriff auf Deutschland

(...) Mit dem Zudrehen des Gashahns sowie der damit herbeigeführten Energiekostenexplosion und ihren fatalen Folgen attackiert Putin gezielt die politische Geschlossenheit und den sozialen Frieden Deutschlands.

Der Bundesregierung ist das bewusst. Sie schnürt ein Entlastungspaket nach dem anderen, um den Bürgern die Angst vor dem Winter zu nehmen und die drohenden Verteilungskämpfe schon im Vorfeld zu entschärfen. (...) Erst wenn die letztlich von Putin abgeschossenen Gasrechnungen in voller Höhe einschlagen, wird man sehen, wie krisenfest die Koalition, aber auch das ganze politische System Deutschlands wirklich sind. Dann werden sich viele wünschen, die Kilowattstunde wäre nur um 2,4 Cent teurer geworden, ob mit oder ohne Mehrwertsteuer.


«Stuttgarter Zeitung» zum Niedrigwasser

Es bleibt auf lange Sicht nur, dass mehr kleinere Schiffe mit geringerem Tiefgang den Transport übernehmen müssen.

Oder es müssen noch breitere und längere Schiffe gebaut werden, bei denen die Fracht auf eine größere Fläche verteilt wird. Das wird in jedem Fall enorm teuer. Die Niedrigwasser-Misere zeigt in aller Deutlichkeit, wie sehr uns die Folgen des Klimawandels in Zukunft belasten.


«Frankfurter Rundschau» zum Bau der LNG-Terminals

Die geplanten LNG-Lieferungen sind die einzig mögliche Absicherung, um einen Kollaps bei der Versorgung mit dem Brennstoff in diesem und im nächsten Winter zu verhindern.

Alle müssen damit kalkulieren, dass der russische Kriegsherr Wladimir Putin schon morgen den Gashahn zudrehen und in absehbarer Zeit nicht mehr aufdrehen könnte. Um unabsehbare ökonomische und soziale Verwerfungen zu verhindern, braucht Deutschland also so schnell wie möglich die beiden LNG-Terminals. Aber nur bis 2024 oder bis 2042? Erdgas-Lobbyisten wollen die fossile Energie noch viele Jahre einsetzen. Die Versuchung ist groß, sich darauf einzulassen. Damit wird der Druck für den sehr komplizierten Ausbau der Erneuerbaren verringert. Genau dies birgt aber enorme Risiken. So richtig der kurzfristige Aufbau der LNG-Infrastruktur ist, so wichtig ist auch, dass die Bundesregierung einen Fahrplan für einen Gas-Ausstieg vorlegt. Um den Weg in eine klimafreundliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung abzusichern.


«Gazeta Wyborcza»: Fischsterben zeigt Inkompetenz der PiS-Regierung

WARSCHAU: Die polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza» kommentiert am Dienstag das Fischsterben in der Oder:

«Umweltkatastrophen ereignen sich in jedem Land, und sie sind jedes Mal eine harte Prüfung für das Funktionieren der Regierung. Polen ist zuletzt mehrfach von Krisen heimgesucht worden, und jedes Mal zeigte sich, dass der Standard der Regierungsführung durch die (nationalkonservative) PiS von den Standards in Europa abweicht. Die Krise um die verseuchte Oder ist ein klassisches, lehrbuchhaftes Beispiel für die «Machtkrise der PiS». Deren Kern besteht darin, dass inkompetente, wegen ihrer Parteizugehehörigkeit ernannte Beamte versuchen, das Problem zu verstecken oder zu verleugnen, anstatt sich um eine Lösung zu kümmern.

Regierungschef Mateusz Morawiecki hat, wie er selbst einräumte, zu spät von der Katastrophe erfahren. Er sprach von Nachlässigkeit und entließ zwei Spitzenbeamte. Nur ist die Oder-Katastrophe kein Unfall, sondern ein Ergebnis. So wird ein Land regiert, wo Kompetenz durch Linientreue ersetzt wurde. Damit der Staat effizient funktioniert, müsste man sie alle entlassen.»


«Pravo»: USA und China müssen Krieg vermeiden

PRAG: Zu den Spannungen zwischen China und den USA wegen der Taiwan-Frage schreibt die linksgerichtete Zeitung «Pravo» aus Tschechien am Dienstag:

«Statt einen Kompromiss zu suchen, wie man miteinander auskommen und einen möglichen Krieg verhindern könnte, steigern beide Seiten das Risiko eines direkten Konflikts. Dabei haben wir bereits einen Krieg in Europa. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass sich der russische Krieg in der Ukraine mit einem Krieg in Asien verbinden könnte, in dem die USA mit ihren Verbündeten China und Russland gegenüberstehen. Doch selbst ein begrenzter Konflikt um Taiwan hätte verheerende Folgen für die Weltwirtschaft. Manche Akademiker fühlen sich bereits an Europa vor dem Ersten Weltkrieg erinnert. Nur ein schmaler Grat trennt heute den Frieden vom Krieg. Jeder unüberlegte Schritt könnte diese Grenze durchbrechen.»


«DNA»: Italiens Rechte auf dem Vormarsch

STRAßBURG: Zum möglichen Sieg einer Koalition aus Parteien der radikalen Rechten bei den Parlamentswahlen in Italien schreibt die französische Tageszeitung «Les Dernières Nouvelles D'Alsace» am Dienstag:.

«Wenn Italien tatsächlich das politische Laboratorium Europas ist, wie es oft bezeichnet wird, dann stehen uns düstere Stunden bevor. (...) Wie (die französische rechte Politikerin) Marine Le Pen bestreitet Giorgia Meloni, eine Gefahr für die Demokratie zu sein.(...) Was sich derzeit in Italien herausbildet, ist ein neuer Ansatz einer illiberalen und populistischen Doktrin, die sich der Zeit angepasst hat.

In vielen europäischen Ländern und in den USA ist die Linke zusammengebrochen. Der Prozess der Banalisierung ist überall auf dem Weg zur Vollendung, wie wir sehen können. Und was in einigen Wochen in Italien passieren könnte, wäre ein neuer Vorbote, eine letzte Warnung auch für Frankreich, wo die extreme Rechte bereits an der Schwelle zur Macht steht.»


«La Vanguardia»: China könnte Weltwirtschaft nach unten ziehen

MADRID: Zur Senkung der Zinssätze in China schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Dienstag:

«Dieser Rückgang des Geldpreises spiegelt die große Sorge Chinas um seine Wirtschaft wider. Die Finanzmärkte befürchten jedoch, dass diese Maßnahme nicht ausreichen wird, um die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln. Man befürchtet, dass das Wachstum in diesem Jahr deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben und bestenfalls vier Prozent erreichen wird, was für China als zu niedrig angesehen wird. Neben den internen Problemen, die dadurch in China entstehen können, wird dies auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.»


«Volkskrant»: Vorstellung von «Taliban 2.0» war eine Illusion

AMSTERDAM: Zur Lage in Afghanistan ein Jahr nach der Machtübernahme durch die Taliban meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Dienstag:

«Die Not ist endlos, und die Themen sind seit Jahren dieselben (Frauenrechte, Gewalt, Terrorismus, Armut), während sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit mittlerweile verlagert hat - zum Beispiel auf den Konflikt in der Ukraine. Die Situation hat sich jedoch in fast allen Bereichen dramatisch verschlechtert. Ja, seit der Machtübernahme durch die Taliban gibt es etwas mehr Sicherheit - aus dem einfachen Grund, dass die heutigen Machthaber selbst keine Anschläge mehr verüben, aber abgesehen davon geht es bei Themen wie Lebenserwartung, Menschenrechten und Alphabetisierung, die sich zuvor sehr langsam in die richtige Richtung bewegten, steil bergab. Im vergangenen Jahr hoffte man eine Zeit lang, dass die Welt «gemäßigte Taliban 2.0» erleben würde, doch daraus wurde nichts. Kritiker und politische Gegner wurden inhaftiert, und die Medien wurden zum Schweigen gebracht. Mädchen und Frauen sind am stärksten betroffen: Sie werden erneut vollständig vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.»


«Guardian»: Machtübernahme Melonis hätte nichts Hoffnungsvolles

LONDON: Den rechtsextremen Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) um Parteichefin Giorgia Meloni werden große Chancen auf einen Sieg bei den Wahlen im Herbst eingeräumt. Dazu meint der Londoner «Guardian» am Dienstag:

«Es ist wichtig, sich darüber klar zu werden, was Giorgia Meloni nicht ist. Bestimmte Teile ihrer Partei hegen eine kulturelle «Nostalgie» für Italiens faschistische Traditionen, aber es wird Ende September, 100 Jahre nach Benito Mussolinis Machtergreifung, keinen Marsch auf Rom geben. Die demokratischen Institutionen Italiens bleiben erhalten (auch wenn der Wunsch der Rechten nach einem System mit direkt gewählten Präsidenten die verfassungsmäßigen Kontrollmechanismen verändern würde). In Bezug auf die Wirtschaft lassen das Wahlprogramm der Rechtskoalition und ein Video von Meloni auf ein relativ pragmatisches Vorgehen ihrer Regierung schließen. Sie wird versuchen, die Märkte zu beschwichtigen und sichezurstellen, dass Brüssel weiterhin die Gelder aus dem Corona-Aufbaufonds der EU nach Rom schickt.

Es gibt jedoch keinen Grund, der möglichen Machtübernahme durch Meloni auch nur im Entferntesten hoffnungsvoll entgegenzusehen. Debatten über den Faschismus des 20. Jahrhunderts sind nebensächlich. Melonis Bestreben ist es, de facto Europas Anführerin einer modernen radikalen Rechten zu werden. Mit dem Ziel, sich vom Bekenntnis des Westens der Nachkriegszeit zu universellen Rechten und zum Schutz von Minderheiten abzuwenden.»


«NZZ»: Ampel schaut noch zu sehr auf Wählerklientel

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Dienstag den Anstieg der Energiepreise in Deutschland:

»Die Regierung sollte sich darauf fokussieren, das Angebot von Erdgas und Strom zu erhöhen. Bei Erdgas passiert einiges, doch da sind die Möglichkeiten begrenzt. Beim Strom hätte der Staat noch deutlich mehr Optionen. So schlägt beispielsweise der Ökonom Volker Wieland, der bis zum Frühjahr noch Mitglied des deutschen Sachverständigenrats war, vor, die drei noch laufenden Atomkraftwerke weiter zu nutzen, die drei im vergangenen Jahr abgeschalteten Kernkraftwerke zu reaktivieren und Fracking zur Gewinnung des in Deutschland verfügbaren Erdgases zu genehmigen. Durch Fracking ließen sich die russischen Importe mittelfristig ersetzen, bis man die bestehenden Probleme bei den erneuerbaren Energien gelöst hat.

Berlin hat also noch einige Optionen. Doch die Regierungsparteien schauen weiterhin noch zu stark auf ihre jeweilige Wählerklientel, anstatt das Gesamtwohl des Landes im Blick zu haben. Die drohende Gasmangellage im Winter, inklusive möglicher Blackouts bei der Stromversorgung, ist ein realistisches Szenario. Es wäre verheerend, wenn Erdgas aus Not rationiert werden müsste - und zwar gesellschaftlich, ökonomisch und politisch.»

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