Was ein Mann nicht ertragen kann

Ein Mann besaß eine Frau und viele Kinder. Wohlhabend war er, die Familie hatte ihr gutes Auskommen.

Eines Tages fasste er den Entschluss, ins Kloster zu gehen und Mönch zu werden, um seine dadurch gesammelten Verdienste auf Vater und Mutter zu übertragen. Denn, so heißt es, in seinem Leben
soll der Mann einmal etwas tun, um seinen Eltern gegenüber die Dankesschuld abzutragen.

Als er das in aller Klarheit erkannt hatte, sprach er zu seiner Frau so:

“Maus, wir leben nun schon lange zusammen. Unser Hausstand ist wohlbegründet, und unsere Äcker sind nachgerade umfangreich genug. Darum brauchst du dich nicht zu sorgen, wenn ich nun in den
Orden treten will. Ich bitte dich, gestatte es mir, ich hoffe jedenfalls, dass du keine Einwendungen hast.”

Die Frau spürte, wie sehr es ihren Mann danach verlangte, Mönch zu werden. Sie wollte ihm nicht widersprechen, denn sie fürchtete sich vor der Zwietracht, die in ihre Herzen einziehen würde,
und so stimmte sie in die freudige Erwartung ein, die sich ihres Mannes bemächtigt hatte.

Das erfüllte ihn mit Genugtuung, und wenige Tage später unterwarf er sich der Regel des Ordens und trat in die Mönchsgemeinschaft im nahen Tempel ein.

Das Leben im Orden verläuft in stiller Zufriedenheit, denn da gibt es nichts, worüber man sich Sorgen machen könnte, wie es das Los des Hausvaters tagaus tagein mit sich bringt. Er genoss die
Ruhe des Klosterlebens, den Frieden des Herzens, und so verwarf er jeden Gedanken, das Mönchsgewand wieder abzulegen, nein, vielmehr sollte nun aus dem zunächst nur vorübergehend geplanten
Aufenthalt im Tempel ein unbegrenzter werden.

Je länger er Mönch war und die Ordensregeln erlernte, um so mehr gefiel ihm das Leben als Klosterbruder. Er übte sich in der Predigt und unternahm Pilgerreisen hierhin und dorthin, doch er
kehrte stets wieder in seinen Tempel zurück.

Frau und Kinder aber waren ihres Ernährers beraubt, und so verringerten sich allmählich die Einkünfte, an die sie gewöhnt. Ihre Mittel verzehrten sich, ja die Armut hielt Einzug bei ihnen, bis
sie schließlich kein Geld mehr besaßen zur Befriedigung der einfachsten Bedürfnisse des Lebens. Da entschloss sich die Frau, ihre Kinder zum Vater zu schicken und ihn um die Einwilligung zu
bitten, eines der Reisfelder zu verkaufen.

Die Kinder warfen sich dem Ehrwürdigen zu Füßen und riefen:

“Hochverehrter Vater, die Mutter schickt uns zu dir, denn sie will ein Feld verkaufen.”

Der Vater gab zur Antwort:

“Oeh, verkauft es nur, verkauft’s, so etwas ist Laiensache, einen Priester geht das nichts an!”

Da ihr Mann es gestattet hatte, fing die Frau an, ihre Äcker einen nach dem anderen zu verkaufen. Sie bekam dafür Geld, wie sie es für den Lebensunterhalt der Familie benötigte. Aber es dauerte
nicht lange, da waren Silber und Gold verbraucht, war dahin, was sie aus dem Verkauf erlöst. Sie sandte darum abermals ihre Kinder in den Tempel zu ihrem Mann.

Die Kinder sprachen zu ihm so:

“Ehrwürdiger Vater, Mutter sagt, sie muss unseren Garten am Haus verkaufen, um wieder Geld für unseren täglichen Unterhalt in die Hand zu bekommen.”

Der Vater antwortete:

“Verkauft ihn nur, verkauft ihn, das sind weltliche Dinge, einen Geistlichen betrifft so etwas nicht.”

Die Frau verkaufte nun nacheinander auch die Gärten, einen nach dem andren und bekam dafür Silber und Gold für den täglichen Bedarf. Aber der Erlös war gering gewesen, und schon bald hatte er
sich verzehrt. Die Frau wurde von Kummer befallen, weil ihr Mann sich überhaupt nicht anschickte, das Kloster zu verlassen und heimzukehren, um seiner Familie zu helfen, den täglichen Reis zu
verdienen. Sie musste die Kinder also zum dritten Mal in den Tempel schicken.

Die Kinder sagten:

“Ehrwürdiger Vater, die Mutter sendet uns zu dir, denn nun muss sie unser Haus verkaufen.”

Der Vater entgegnete:

“Verkauft es nur, verkauft es, so etwas sind Angelegenheiten des gewöhnlichen Lebens, einen Ordensbruder kümmert das nicht.”

Die Frau bot also ihr Haus feil und bekam dafür Geld, ihr Leben weiter zu fristen. Aber als Silber und Gold verbraucht waren, konnte sie das Warten auf die Rückkehr ihres Gatten nicht mehr
ertragen. Sie hatte inzwischen einen anderen Mann kennen gelernt, der sie mochte und der in gesicherten Verhältnissen lebte. Um ihrem Ehemann keinen Grund zum Vorwurf zu geben, sandte sie ihre
Kinder mit der entsprechenden Botschaft in den Tempel:

“Ehrwürdiger Vater, Mutter hat gesagt, sie nimmt sich einen neuen Mann, wenn du das Ordensgewand nicht ablegst, denn du kümmerst dich ja nicht mehr um uns. Je länger wir warten, um so ärmer
sind wir geworden.”

Heiss wallte das Blut in ihm auf, diese Nachricht vermochte er nicht zu ertragen. Er sprach:

“Geht und sagt eurer Mutter, sie soll nicht vorschnell handeln. Morgen schon werde ich das Mönchsgewand ablegen!”

Eilends kehrten die Kinder heim, und atemlos berichteten sie der Mutter die frohe Kunde.

Unsere Dorfgeschichten sind dem hübsch illustrierten Buch „Der Reiche und das Waisenkind“ entnommen, herausgegeben von Christian Velder (Foto). Der deutsche Philologe mit Wohnsitz in Chiang Mai hat über viele Jahre thailändische Volkserzählungen übersetzt und gesammelt. Das Buch mit 120 Geschichten kostet 680 Baht. Velders Buch „Der Richter Hase und seine Gefährten“ enthält reich illustrierte Volkserzählungen. Der kleine und zerbrechliche Hase gilt in Südostasien als ein Tier von Klugheit und List. Das Buch kostet 480 Baht. Beide Bücher sind in Pattaya erhältlich in den Buchläden DK an der Soi Post Office und der Central Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond, im
Restaurant Braustube an der Naklua Road sowie in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road.

Sie können das Buch hier bestellen

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.