SINGAPUR: Die Beziehungen zwischen den USA und China sind auf einem Tiefpunkt. Zwischen ihren Streitkräften kommt es häufiger zu Zwischenfällen. Der Bundesverteidigungsminister plädiert für die Einhaltung von Regeln.
Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu hat die USA vor einer Einmischung im Streit um Taiwan gewarnt. In einer Rede auf der Sicherheitskonferenz Shangri-La-Dialog in Singapur, drohte der General am Sonntag erneut mit einem militärischen Vorgehen gegen die demokratische Inselrepublik. «Wenn es jemand wagen sollte, Taiwan von China abzuspalten, wird das chinesische Militär nicht eine Sekunde zögern», sagte der neue Verteidigungsminister. «Wir werden keinen Gegner fürchten und ungeachtet der Kosten entschieden unsere nationale Souveränität und territoriale Integrität schützen.»
Vor dem Hintergrund der Spannungen im Indopazifik und des Ukraine-Krieges warnte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in einer Rede auf dem Sicherheitsforum vor politischem Faustrecht. Die asiatischen Staaten sollten sich klar gegen Angriffe auf die internationale Sicherheitsarchitektur stellen. «Das ist unglaublich gefährlich für die ganze Welt: Wenn Russland gewinnt, wird die Botschaft an revisionistische Mächte in der Welt sein, dass Aggression und grundlose Anwendung militärischer Gewalt akzeptabel sind und erfolgreich sein können. Auch hier im Indopazifik.»
Die Verschärfung der Zwistigkeiten zwischen China und den USA überschatteten die jährliche Sicherheitskonferenz mit Hunderten Teilnehmern aus mehr als 40 Staaten. Außer um Chinas Drohungen gegen das demokratische Taiwan ging es auch um seine umstrittenen Territorialansprüche im Südchinesischen Meer. Die USA und Chinas Nachbarn werfen Peking eine zunehmende Militarisierung der Region vor. Der internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag wies die Gebietsansprüche 2016 zurück. China ignoriert das Urteil aber.
Die Beziehungen zwischen China und den USA beschrieb General Li Shangfu auf einem «Rekordtief» seit Aufnahme der Beziehungen 1979. Zu dem Mangel an Kommunikation, den die USA zunehmend beklagen, sagte der Verteidigungsminister auf Fragen, China sei grundsätzlich offen für Gespräche zwischen den beiden Regierungen und Militärs, verfolge aber den Grundsatz: «Wenn wir keinen gegenseitigen Respekt haben, dann wird unsere Kommunikation nicht produktiv sein.» In Singapur hatte Li Shangfu auch den amerikanischen Wunsch nach einem Treffen mit seinem ebenfalls teilnehmenden US-Amtskollegen Lloyd Austin abgelehnt.
Der General kritisierte die Waffenlieferungen und das militärische Training durch die USA für Taiwan sowie die Aufwertung der Beziehungen zu Taipeh. Taiwan sei eine innere Angelegenheit Chinas, in die sich niemand einmischen dürfe. Es sei «gefährlich», das Ein-China-Prinzip Pekings zu unterhöhlen. Danach gehört Taiwan zur Volksrepublik. Die «Wiedervereinigung» sei unaufhaltsam, sagte der Minister bei seinem ersten Auftritt auf dem Forum, wo er sich auch kritische Fragen der Teilnehmer anhören musste.
Auf zunehmende Zwischenfälle zwischen Flugzeugen und Schiffen beider Streitkräfte in der Meerenge der Taiwanstraße und im Südchinesischen Meer ging der General nicht konkret ein. Er sagte aber, der beste Weg, solche Vorfälle zu vermeiden, sei, chinesischem Territorium nicht zu nahe zu kommen. Die Freiheit der Navigation und des Überfluges werde benutzt, um Vormachtstreben auszuüben, beklagte der Minister in einem indirekten Hinweis auf die USA. Er sehe viele Schiffe und Kampfjets, die China nahe kämen. «Sie sind nicht hier für eine friedliche Durchfahrt. Sie sind hier, um zu provozieren.»
Der Bundesverteidigungsminister rief in seiner Rede dazu auf, die auf Regeln basierende, internationale Ordnung zu schützen, wo immer sie gefährdet sei. Dazu gehöre auch das Recht auf freie Schifffahrt. Deutschland stehe bereit, alle bilateralen oder multilateralen Maßnahmen zur Vertrauensbildung zu unterstützen, sagte Pistorius. Er nannte dabei den Informationsaustausch und die Beobachtung von Militärübungen, Inspektionen von Militäreinrichtungen und Abkommen zur Rüstungskontrolle. «Wir brauchen die Herrschaft des Gesetzes anstelle einer Herrschaft mit Faustrecht.»