Tunesiens Präsident Saied entlässt Ministerpräsidentin

Der neue tunesische Premierminister Ahmed Hachani (R) schüttelt dem tunesischen Präsidenten Kaïs Saïed (L) nach seiner Ernennung im Präsidentenpalast von Karthago in Tunis die Hand. Foto: epa/Tunesische Präsidentschaft Handout
Der neue tunesische Premierminister Ahmed Hachani (R) schüttelt dem tunesischen Präsidenten Kaïs Saïed (L) nach seiner Ernennung im Präsidentenpalast von Karthago in Tunis die Hand. Foto: epa/Tunesische Präsidentschaft Handout

TUNIS: Zwei Jahre nach Beginn seines Machtausbaus in Tunesien hat Präsident Kais Saied Ministerpräsidentin Najla Bouden entlassen. Ahmed Hachani wurde als Nachfolger ernannt und am Dienstagabend vereidigt, wie das Präsidialamt der Staatsagentur TAP zufolge am Mittwoch mitteilte. Hachani übernehme den Posten «unter besonderen Umständen», sagte Saied. Tunesien stehe vor großen Herausforderungen. Hachani müsse jetzt dazu beitragen, «den Staat zu erhalten sowie die Harmonie und Integration seiner Institutionen».

Bouden war die erste Frau auf dem Posten in der Geschichte Tunesiens. Seit ihrer Amtsübernahme im Oktober 2021 hielt sie sich aber sehr im Hintergrund und trat kaum öffentlich auf. Kritiker bezeichneten sie als «Schatten des Präsidenten» und als nicht einflussreich genug für das Amt. Gründe für Boudens Entlassung nannte Saied nicht. Der Jurist Hachani hatte zuletzt einen leitenden Posten bei der tunesischen Zentralbank.

Der Personalwechsel kommt während einer Zeit wachsenden Unmuts in der tunesischen Bevölkerung angesichts einer schweren Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit. Hachani steht nun mit vor der Aufgabe, eine Einigung für Tunesien mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erzielen. Ein IWF-Kredit in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar an Tunesien hängt seit Monaten in der Luft, weil Saied bisher keine verbindliche Zusage zu den dafür verlangten Reformen machen will. Die Einigung ist auch wichtig, damit von der EU-Kommission in Aussicht gestellte Finanzhilfen in Höhe von bis zu 900 Millionen Euro fließen können.

Präsident Saied hat seine Macht in Tunesien in den vergangenen zwei Jahren immer weiter ausgebaut, unter anderem mit einer umstrittenen neuen Verfassung. Er löste zudem das Parlament auf und ließ eine neue, deutlich geschwächte Volksvertretung wählen. Etliche Kritiker, darunter Richter und Politiker der Opposition, wurden festgenommen. Ihnen wird unter anderem Korruption vorgeworfen. Saied hat immer wieder betont, sich im Rahmen geltenden Rechts zu bewegen.

Tunesien galt einst als einziger Staat, dem nach den Aufständen in der arabischen Welt ab 2011 ein Übergang zur Demokratie gelang. Wegen Saieds Machtausbau sprechen Kritiker inzwischen von einem «demokratischen Kollaps» und einer autoritären Regierung in einem Polizeistaat, in dem Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in hohem Tempo ausgehöhlt werden.

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