Thailand unter der Haut

Bernd Linnhoff im Interview über sein neuestes Thailand-Buch

Katai Kamminga (l.) und Buchautor Bernd Linnhoff (r.) vor einer Skulptur in Chiang Mais Erotischen Garten.
Katai Kamminga (l.) und Buchautor Bernd Linnhoff (r.) vor einer Skulptur in Chiang Mais Erotischen Garten.

Bernd Linnhoff aus Hamm/Westf. lebt seit 2008 in Thailand. Zunächst vier Jahre in Bangkok und seit zehn Jahren in Chiang Mai. In Deutschland arbeitete Linnhoff vor allem als Sportjournalist (Chefreporter Fußball bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa), Berichterstatter von sieben WM-Turnieren und Chefredakteur des offiziellen FIFA WM-Buches (2006). In Thailand betreibt er den Reiseblog Faszination Fernost; zudem war er Co-Autor der Biografie Bodo Försters: „Ein Leben für die Elefanten.“

DER FARANG unterhielt sich mit Linnhoff über sein neues­tes Buch „Thailand unter der Haut“, das als Druckversion für 490 Baht im Onlineshop DER FARANG sowie als eBook für 9,99 Euro bei Amazon erhältlich ist.

Wie kamst du auf die Idee zum Buch „Thailand unter der Haut“?

Als begeisterter Leser von Kind an habe ich einen hohen Respekt vor Büchern. Erst als mir immer mehr User meines Blogs „Faszination Fernost“ vorschlugen: Schreib doch ein Buch über deine Themen, wuchs der Mut. Geschichten für einen Blog sind Kurzstrecke, und ich bin Sprinter. Ein Buch ist Marathon, selbst wenn es aus einzelnen Geschichten besteht. Mehr Recherche, Struktur, präzisere Formulierungen. Und vor allem: Welchen Ton will ich anschlagen?

Du versprichst 31 Nahaufnahmen aus deinen 14 Jahren in Thailand. Bist du nun der 112. Autor, der den Expats das Leben in Thailand erklärt?

Die Standardreaktion langjähriger Expats war mir klar: „Was will der uns denn noch erzählen? Wir sind doch viel länger hier.“ Aber kein Autor schreibt für die, die schon alles wissen. Sondern für die Neugierigen. Und es gibt zum Glück erfahrene Expats hier, die das Buch gekauft, gelesen und mir ihr Urteil gemailt haben.

Wie fiel es aus?

Der Tenor lautete: „Natürlich kam mir manches bekannt vor, manches war auch neu. Vor allem aber habe ich noch bei keinem Thailand-Buch so gelacht.“ Damit war mein Ziel erreicht: Ich will unterhalten.

Warum hast du gerade das Kapitel zum Erotischen Garten in Chiang Mai für den FARANG ausgewählt?

Weil es recht kurz ist und den unernsten Stil des gesamten Buchs zeigt.

Silvester 2007 standest du auf einem Balkon in Bangkok und hast spontan entschieden: Hier will ich leben. Welches Fazit ziehst du heute, nach fast anderthalb Jahrzehnten?

Es war meine beste Entscheidung überhaupt. Manchmal ist das Leben hier Achterbahn pur, jedoch nie langweilig. Aber ich erwarte weder in Thailand noch anderswo die ideale Welt. 

Nachfolgend eine Leseprobe aus „Thailand unter der Haut“:

Katai im Erotischen Garten

Wenn die Dame noch ein paar Sekunden länger auf mich einredet, finde ich selbst einen rostigen Nagel erotisch. „Alles ist erotisch“, behauptet Katai, „du siehst es nur nicht.“ Als sie den hartnäckigen Rest Skepsis in meinem Blick entdeckt, reibt sie lächelnd eine Pusteblume an meiner Wange und bläst sanft in die Blüten. Dabei kennen wir uns erst seit zehn Minuten.

Katai Kamminga, schlank, intensiv, neugierig, hat Tabus in Stein meißeln lassen und Thailands Grenzen der kulturellen Toleranz gedehnt. Ihr Erotischer Garten nahe Chiang Mai ist anschaulich genug, um das Weltbild konservativer Kulturbeauftragter kräftig durchzuschütteln.

Am Eingang überraschen uns drei Phalli mit Goldhelm, drinnen begrüßen uns aufrecht einige palad khik, traditionelle Amulette in Penisform. Einige haben eine Anstellung gefunden als Schirmständer. Bei vielen Skulpturen hat das Kopfkino Ruh. Wozu Fantasie, wenn das Ideal eines männlichen Gliedes unübersehbar in der Landschaft steht, stramm und gülden.

Ein bisschen groß vielleicht.

Katai zeigt auf die Astgabel vor uns, an der ich gerade ahnungslos vorbeispaziert bin: „Was siehst Du da?“ Vor einer Stunde hätte ich noch „Astgabel“ geantwortet, aber mittlerweile bin ich vorsichtig geworden. Vom Start weg wurde der Erotische Garten zum Beispiel dafür, wie Kommunikation heute funktioniert. Die Agentur Getty Images schickte Fotos der Skulpturen um die Welt. Damit illustrierte die Huffington Post eine anspielungsreiche Story über den Park. Feedback: Vier Millionen Klicks in zwölf Stunden. Der Garten war in New York schon bekannt, bevor Chiang Mais Beamte von seiner Existenz erfuhren. Dann aber rauschten 15 Mitarbeiter der Kulturbehörde plus Polizei  heran.

Am bedauernswerten Polizeioberst Adul hing die Entscheidung, ob der Park eher obszön ist oder ein Spaß für die ganze Familie. Eine Skulptur beunruhigte Khun Adul nachhaltig: Eine Frau umarmt einen erigierten Penis. „Wie“, fragte der Polizist die Inhaberin, „erklären Sie mir das?“

„Das“, erwiderte Katai lächelnd, „ist mein Traum.“

„Ihr Traum“, wiederholte der Hüter der Ordnung nachdenklich. Dann lächelte auch er und sagte: „Was kann man schon machen gegen einen Traum? Ein Traum verstößt nicht gegen das Gesetz.“

Auf dem Weg zum Ausgang entdecke ich erotische Andeutungen, wo ich vorher nur einen Baum oder eine Kuh wahrgenommen hätte. So etwas kann zur Obsession werden. Beim Anblick meiner Yamaha sage ich leise vor mich hin: „Ein Motorroller ist ein Motorroller ist ein Motorroller.“ Aber sicher bin ich mir nicht.

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