Syrien macht sich auf US-Angriff gefasst

Russland kritisiert Trump

Foto: Monsef Memeri/Xinhua/dpa
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DAMASKUS (dpa) - Werden die USA und Frankreich Syrien angreifen? Die Stimmung der Menschen in Damaskus schwankt zwischen Angst und Gelassenheit. Nun wartet die Öffentlichkeit gespannt auf eine Untersuchung der OPCW.

Die Drohung von US-Präsident Donald Trump mit einem Militärschlag hat in Syrien Alarmbereitschaft und in Russland harsche Reaktionen ausgelöst. Aus regierungsnahen Kreisen in Damaskus hieß es am Freitag, zahlreiche staatliche und militärische Einrichtungen in der Hauptstadt seien alarmiert worden. Ein dpa-Reporter meldete, in den vergangenen Tagen habe der Verkehr deutlich abgenommen. Manche trauten sich nachts nicht mehr auf die Straße, weil sie davon ausgingen, dass eine Bombardierung zu dieser Zeit erfolgen werde, berichtete ein Bewohner.

Syriens enger Partner Russland warnte die USA vor «unüberlegten Schritten». Washington dürfe die Welt nicht mit Signalen zu einem möglichen Angriff in Syrien in Unruhe versetzen, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. «Wir sind der Meinung, dass die USA in dieser Situation eine deutlich konstruktivere Rolle spielen könnten», sagte der Diplomat der Agentur Interfax zufolge.

US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch mit einem Angriff auf syrische Stellungen gedroht. Washington macht die syrische Regierung für den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen bei Kämpfen um die Stadt Duma verantwortlich. Damaskus und Moskau dementieren dies und argumentieren, es gebe keine Beweise.

Das Weiße Haus hatte am Donnerstag erklärt, eine Entscheidung über einen Militäreinsatz sei noch nicht gefallen. Zunächst sollten weitere Geheimdiensterkenntnisse ausgewertet werden.

Ermittler der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) sollen am Samstag mit Untersuchungen in Syrien beginnen. Sie sollen herausfinden, ob in der von Rebellen kontrollierten Stadt Chemiewaffen eingesetzt wurden. Ihr Auftrag lautet jedoch nicht, die Verantwortlichen zu ermitteln. Bei dem Giftgasangriff auf Duma in Ost-Ghuta sollen am vergangenen Samstag nach unterschiedlichen Angaben zwischen 42 und 85 Menschen getötet worden sein.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow wies die Anschuldigungen entschieden zurück. «Wir haben unwiderlegbare Informationen, dass dies eine neuerliche Inszenierung von Geheimdiensten eines Staates war, der sich darum reißt, in der ersten Reihe der russophoben Kampagne zu stehen», sagte er. Russland wirft vor allem den USA vor, antirussische Stimmung zu schüren. Russische Spezialisten hätten bei ersten Untersuchungen in Duma keine Hinweise auf Chemiewaffen gefunden, teilte die russische Botschaft in London mit.

Mit Blick auf die US-Drohungen betonte Lawrow Russlands Willen zur Deeskalation. Die militärischen Kommunikationskanäle zwischen Moskau und Washington seien intakt, sagte er.

Als Option für eine US-Reaktion gelten Raketenangriffe auf ein Objekt oder mehrere ausgewählte Ziele in Syrien. Heikel daran wäre, dass dort stationierte russische Truppen getroffen werden könnten.

Vor dem Verteidigungsausschuss des US-Repräsentantenhauses deutete US-Verteidigungsminister James Mattis an, seine Regierung prüfe eine Reaktion, die sowohl eine Eskalation in der Region verhindere als auch wegen des angeblichen Giftgasangriffs eine deutliche Botschaft an Syriens Machthaber Baschar al-Assad sende. «Wir versuchen, den Mord an unschuldigen Menschen zu beenden», sagte Mattis US-Medien zufolge. «Aber auf einer strategischen Ebene geht es darum, wie wir verhindern, dass das außer Kontrolle gerät, wenn Sie mich verstehen.»

In Syrien hatten die Streitkräfte bereits in den vergangenen Tagen begonnen, sich zum Schutz vor einem Angriff von Stützpunkten zurückzuziehen. Ein 29-Jähriger aus Damaskus mit dem Namen Ibrahim berichtete, die Menschen in der Hauptstadt lebten wegen der Drohungen in Sorge und Angst. Andere zeigten sich gelassener. Ein Student sagte der Deutschen Presse-Agentur, er sei nicht besorgt, weil Trumps Vorwürfe auf «Lügen und konstruierten Nachrichten» basierten: «Mein Alltagsleben geht normal weiter.»

Auch Frankreich, Großbritannien und Deutschland beobachten die Lage in Syrien aufmerksam. Präsident Emmanuel Macron beriet in einem Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin darüber, durch engere Abstimmung «Frieden und Stabilität» in Syrien schaffen zu wollen. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte wegen der Krise Arbeitsbesuche in Albanien und Slowenien ab.

US-Präsident Trump telefonierte in der Nacht zum Freitag mit der britischen Premierministerin Theresa May. In einer Mitteilung der Downing Street hieß es, Trump und May seien sich einig, dass der Einsatz von Chemiewaffen durch das syrische Militär «nicht unbeantwortet» bleiben könne und dass ein weiterer Einsatz von Chemiewaffen verhindert werden müsse.

Nach Einschätzung von Bundesaußenminister Heiko Maas wägen die USA, Frankreich und Großbritannien die möglichen Risiken eines Militärschlags genau ab. Dass es derzeit eine intensive Abstimmung gebe, sei ein Hinweis darauf, dass man sehr verantwortungsvoll mit dieser Situation umgehe und keine Eskalationsspirale in Gang setzen wolle, sagte der SPD-Politiker.

Aus Russland kam scharfe Kritik an Berlin und Paris. Deutschland und Frankreich würden sich außenpolitisch zu stark nach den USA richten, kommentierte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Früher habe Europa noch eine eigene Stimme gehabt. «Jetzt hat sie aber nur noch den Part des Backgroundsängers», schrieb sie.

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ingo Kerp 14.04.18 17:43
Der unberechenbare Trump hat seine Unberechenbarkeit erneut unter Beweiws gestellt und bombardiert angebl. Chemiewaffenanlagen in Syrien zusammen mit der Unterstützung von Frankreich und England.
Jürgen Franke 14.04.18 17:42
Ein wunderbarer Gedanke von Dir, lieber Michael,
aber das würde ja FRIEDEN bedeuten. Aber leider wollen das bedauerlicherweise auf dieser Welt nur sehr wenige Menschen, sonst hätten wir ihn längst. Zwischen Staaten muss es immer Spannungen geben, damit man einen Grund hat, mit entsprechenden Maßnahmen, Frieden und Demokratie wieder herstellen zu können. Klappt zwar nicht immer, aber dafür sind 600 Milliarden Dollar Militärbudget nun mal vorhanden.