Russland annektiert Gebiete in Ostukraine

​Neue US-Sanktionen

Wladimir Putin, Präsident von Russland, als er spricht während der Feierlichkeiten zur Annexion der ukrainischen Regionen in Russland auf dem Roten Platz, mit dem Spasskaja-Turm auf der rechten Seite im Hintergrund. Foto: Sergei Karpukhin
Wladimir Putin, Präsident von Russland, als er spricht während der Feierlichkeiten zur Annexion der ukrainischen Regionen in Russland auf dem Roten Platz, mit dem Spasskaja-Turm auf der rechten Seite im Hintergrund. Foto: Sergei Karpukhin

MOSKAU/KIEW: Kremlchef Putin besiegelt die Annexion von vier Gebieten in der Ostukraine. Er fordert Kiew zugleich zu Verhandlungen auf - Selenskyj lehnt ab. Die USA verhängen weitere Sanktionen gegen Moskau. In Kiew treffen Raketen einen zivilen Konvoi.

Gut sieben Monate nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine hat Russland vier Gebiete im Osten und im Süden des Landes annektiert. Kremlchef Wladimir Putin unterschrieb am Freitag die Abkommen, mit denen die Einverleibung der besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson besiegelt wurde. International werden die Annexionen nicht anerkannt. Die EU, die G7-Staaten, die Nato und auch Deutschland verurteilten den Schritt scharf. Die USA verhängten neue Sanktionen gegen Moskau. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte als Reaktion auf die Annexionen an, einen beschleunigten Beitritt zur Nato zu beantragen.

Moskau hatte in den vier Regionen zuvor Scheinreferenden organisiert, in denen die Bevölkerung angeblich für einen Beitritt zu Russland gestimmt hat. Auch diese sogenannten Referenden wurden weltweit nicht anerkannt und als undemokratisch sowie völkerrechtswidrig verurteilt. Dennoch sagte Putin nun, die Annexion sei «der Wille von Millionen Menschen», die in «ihre historische Heimat zurückzukehren» wollten.

Putin forderte die Ukraine zu Verhandlungen auf. Kiew müsse die Angriffe gegen die russischen Besatzer im Osten stoppen - dort hatte die Ukraine Gegenoffensiven gestartet und Gebiete zurückerobert. Russland werde Militärschläge in den Regionen nun als Angriffe gegen das eigene Staatsgebiet werten. Putin wiederholte die Drohung, «mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln» zu reagieren. Dies verstärkt Ängste vor einem möglichen Atomschlag Moskaus.

Wegen der weiteren Eskalation schloss Finnland seine Grenze zu Russland für russische Touristen. Norwegen verschärfte seine Kontrollen an der Grenze mit Russland. Die EU-Staaten einigten sich auf europäische Notmaßnahmen zur Bekämpfung der hohen Energiepreise. Energieunternehmen müssen künftig einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat abführen. Dadurch sollen Verbraucher entlastet werden.

Nato sieht «entscheidenden Moment» im Ukraine-Krieg

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete das jüngste Vorgehen Russlands im Krieg gegen die Ukraine als schwerste Eskalation seit Beginn der Invasion am 24. Februar. «Das ist ein entscheidender Moment», sagte der Norweger in Brüssel. Er verwies auf die Teilmobilisierung Russlands, nukleares Säbelrasseln und die unrechtmäßige Annexion ukrainischer Gebiete. «Nichts davon zeugt von Stärke. Es zeigt Schwäche», sagte Stoltenberg. Dies sei ein Eingeständnis, dass der Krieg nicht nach Plan verlaufe.

Stoltenberg betonte, wenn man die Annexion akzeptiere und sich vom nuklearen Säbelrasseln davon abhalten lasse, die Ukraine zu unterstützen, dann akzeptiere man nukleare Erpressung. Vielmehr müsse man die Ukraine weiter unterstützen. Die G7-Gruppe führender Industriestaaten bezeichnete die Annexion als «einen neuen Tiefpunkt der eklatanten Missachtung des Völkerrechts durch Russland». Die Staaten stünden «unbeirrbar» zur Ukraine und deren Recht, sich zu verteidigen und ihr Hoheitsgebiet von Russland zurückzuerlangen.

23 Tote bei Beschuss von zivilem Autokonvoi

Unterdessen wurde in der südukrainischen Stadt Saporischschja ein ziviler Autokonvoi mit Raketen beschossen. 23 Menschen starben nach übereinstimmenden ukrainischen und russischen Angaben. Beide Seiten bezichtigten sich gegenseitig, den Konvoi angegriffen zu haben. Selenskyj nannte die Täter «absolute Terroristen», für die «in der zivilisierten Welt kein Platz ist».

Putin unterschreibt Dokumente zur Annexion ukrainischer Gebiete

Putin unterschrieb die Annexion der vier mehrheitlich von eigenen Truppen besetzten Gebiete in der Ukraine. Die Menschen in Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja seien ab sofort russische Staatsbürger - «und das für immer». Sein Land sei bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, fügte er an. Über die nun einverleibten Gebiete werde aber nicht mit der Ukraine diskutiert. Die Ukraine kontrolliert Teile der Gebiete weiterhin und will sie mit Hilfe westlicher Waffen komplett befreien. Selenskyj sagte, er lehne eine Wiederaufnahme von Gesprächen ab, solange Putin Kremlchef sei.

EU und Steinmeier: Keine Anerkennung illegaler Annexionen

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten wiesen die russische Annexion als unrechtmäßig zurück. In einem Statement heißt es: «Diese Entscheidungen sind null und nichtig und können keinerlei Rechtswirkung entfalten.» Russland setze die globale Sicherheit aufs Spiel. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Scheinreferenden und Annexionen.

USA verkünden weitere Sanktionen gegen Russland

Die USA verhängten neue Sanktionen gegen Russland. Die Strafmaßnahmen richten sich etwa gegen weitere russische Regierungsvertreter, deren Familienmitglieder sowie Angehörige des Militärs. Die Liste umfasst Hunderte Personen - und auch Firmen. Präsident Joe Biden sagte: «Die Vereinigten Staaten verurteilen den heutigen betrügerischen Versuch Russlands, souveränes ukrainisches Gebiet zu annektieren.»

Ukraine beantragt beschleunigten Nato-Beitritt

Zum Antrag auf einen beschleunigten Nato-Beitritt sagte Selenskyj: «Faktisch haben wir unseren Weg in die Nato schon beschritten. Heute stellt die Ukraine den Antrag, um es auch de jure zu tun.»

Finnlands Grenze für russische Touristen dicht - Norwegen alarmiert

Finnland schloss in der Nacht zum Freitag seine Grenze für russische Touristen. Wie Aufnahmen des Senders Yle zeigten, schafften es am Grenzübergang Vaalimaa um 0.02 Uhr noch sieben Autos sowie ein Mann auf einem Fahrrad über die Grenze. Dann fiel der Schlagbaum herunter. Für Finnland, das eine komplexe Geschichte mit Russland verbindet, war das ein historischer Moment. Norwegen kündigte an, seine Grenze zu Russland stärker zu überwachen.

Ostsee-Explosionen entsprachen «Sprengladung von mehreren 100 Kilo»

Die Lecks an den Nord-Stream-Gaspipelines wurden nach Einschätzung von dänischen und schwedischen Experten von Explosionen unter Wasser herbeigeführt mit «vermutlich einer Sprengladung von mehreren hundert Kilogramm». Das berichteten die zwei skandinavischen Länder dem US-Sicherheitsrat vor der Dringlichkeitsdebatte am Freitagabend.

EU einigt sich auf Gewinnabschöpfung gegen hohe Energiepreise

Die EU-Staaten haben sich angesichts hoher Energiepreise auf europäische Notmaßnahmen verständigt, um Strom zu sparen und Entlastungen zu finanzieren. Die Fachminister einigten sich darauf, dass Energieunternehmen künftig einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat abgeben müssen, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. Mit diesem Geld sollen Verbraucher entlastet werden. Die Einigung muss noch formell bestätigt werden.


G7-Staaten verurteilen russische Annexion - «neuer Tiefpunkt»

BERLIN: Die G7-Gruppe führender Industriestaaten hat die Annexion von besetzten ukrainischen Gebieten als «einen neuen Tiefpunkt der eklatanten Missachtung des Völkerrechts durch Russland» verurteilt. «Wir werden weder diese vorgeblichen Annexionen noch die mit vorgehaltener Waffe durchgeführten fingierten «Referenden» jemals anerkennen», hieß es am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung der Außenministerinnen und Außenminister. Russland verstoße gegen internationales Recht und die Souveränität der Ukraine.

Die G7 riefen alle Länder auf, Russlands Angriffskrieg und den Versuch der gewaltsamen Gebietsaneignung in der Ukraine unmissverständlich zu verurteilen. Russlands «brutaler Expansionismus» und Moskaus Bestrebungen zur Leugnung der Existenz der Ukraine als unabhängiger Staat müssten zurückgewiesen werden.

«Wir stehen unbeirrbar zu unserer Unterstützung für das Recht der Ukraine, sich gegen Russlands Angriffskrieg zu verteidigen, und für ihr unbestreitbares Recht, ihr Hoheitsgebiet von Russland zurückzuerlangen», erklärten die Außenminister weiter. Die Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja sowie die Krim seien integraler Bestandteil der Ukraine, betonten sie weiter.

Deutschland hat derzeit den Vorsitz der G7-Gruppe, der auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien angehören.

Kremlchef Wladimir Putin hatte am Freitag die Abkommen unterzeichnet, mit denen die Annexion der besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson besiegelt wurde. International wird dieser Schritt nicht anerkannt. Zuvor hatte Moskau in den vier Regionen Scheinreferenden organisiert, in denen die Bevölkerung angeblich für einen Beitritt zu Russland gestimmt hat.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Derk Mielig 01.10.22 17:40
@JEG
Sie sind ein dumpfer Nationalist, der von internationalen Grundrechten nicht das geringste zu wissen scheint. Jeder Kommentar zu Ihren Behauptungen ist verschwendete Energie. Ich hoffe, dass das dt. Volk nicht die Fehler von 1933 wiederholt.
Ingo Kerp 01.10.22 13:30
Wer die annektierten Gebiete angreift, greift RUS an, so Putins Worte. Da die Ukrainer ihr Staatsgebiet wieder haben wollen, kommt Putin jetzt in Handlungszwang, wenn die Kämpfe in den Gebieten weitergehen. Ob er doch noch zu lokalen A-Bomben Anschlägen kommt? Zuzutrauen ist Putin inzwischen alles, auch Undenkbares.
Beat Sigrist 01.10.22 11:50
Putin hat wohl
das Buch mein Kampf gelesen! Entweder ist dieser Mensch Drogensüchtig und seine Hirnzellen sind abgestorben, oder er ist einfach krank und gehört in eine Klinik oder ein Irrenhaus.