Nahostkrise: Aktuelles Geschehen am Samstag

Nahostkrise: Aktuelles Geschehen am Samstag

Erneut Massenproteste gegen Netanjahu-Regierung

TEL AVIV: In Israel ist es erneut zu Massenprotesten gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gekommen. Wie die Zeitung «Times of Israel» in der Nacht zum Sonntag berichtete, versammelten sich regierungskritische Demonstranten am Samstagabend an mehreren Orten in Israel, um den Rücktritt von Netanjahu, vorgezogene Wahlen und eine Einigung über die Freilassung der von der islamistischen Hamas festgehaltenen Geiseln zu fordern. Bei einer zentralen Kundgebung in Tel Aviv sei es zu Festnahmen von Demonstranten gekommen. Die Organisatoren hätten die Zahl der Teilnehmer der Kundgebung in Tel Aviv mit mehr als 80.000 Menschen angegeben, hieß es.

Auch an anderen Orten, darunter Jerusalem, Haifa, Caesarea und Rehovot, sei es zu Protesten gekommen. Die Demonstranten warfen Netanjahu vor, vor dem beispiellosen Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober im israelischen Grenzgebiet Warnungen ignoriert zu haben. Zudem machten sie ihn für das Schicksal der noch mehr als hundert Geiseln in der Gewalt der Hamas verantwortlich. Wenn die Regierung jetzt keine Einigung über eine Freilassung der Geiseln erziele, «wird Israel letztendlich gezwungen sein, den Krieg ohne die Rückkehr der Geiseln zu beenden», zitierte die Zeitung eine Angehörige der Entführten.

Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas, bei denen Ägypten, Katar und die USA vermitteln, waren vor zwei Wochen nach mehrtägigen Gesprächen in Kairo und Doha in eine Sackgasse geraten. Medienberichte zufolge könnten sie möglicherweise in der kommenden Woche «auf der Basis neuer Vorschläge» wiederaufgenommen werden. Das hätten die Unterhändler der USA, Israels und Katars am Freitag in Paris besprochen, hieß es.


Anlegestelle für Gaza-Hilfe durch hohen Seegang beschädigt

GAZA/ASCHDOD: - Hohe Wellen und eine stürmische See haben die vor einer Woche errichtete provisorische Anlegestelle für humanitäre Lieferungen in den Gazastreifen beschädigt. Augenzeugen berichteten am Samstag, dass der Behelfshafen für Transporte über das Meer derzeit nicht funktioniere. Arbeiter seien damit beschäftigt, den Schaden zu reparieren.

Die Webseite des israelischen Fernsehsenders N12 berichtete, dass Teile der Anlegestelle von der starken Strömung an die Küste bei Aschdod getrieben wurden. Die israelische Stadt liegt gut 30 Kilometer von Gaza entfernt.

Die provisorische Anlage war vor einer Woche fertiggestellt worden. Frachter bringen dabei Hilfslieferungen von Zypern aus zunächst zu einer schwimmenden Plattform einige Kilometer vor der Küste des Gazastreifens. Die Güter werden dort auf kleinere Schiffe verladen, die näher an die Küste heranfahren können. Sie legen an dem an der Küste befestigten temporären Pier an, wo ihre Ladungen auf Lastwagen umgeladen werden.

Hilfsorganisationen haben die Errichtung der Anlage begrüßt, verweisen aber darauf, dass Transporte auf dem Landweg ungleich effizienter seien. Ihrer Darstellung zufolge behindert aber Israel an den Grenzen, die es kontrolliert, den Zugang für Hilfslieferungen mit Lastwagen.


Russland und Iran: Außenminister bekräftigen Kooperation

MOSKAU: Moskau und Teheran arbeiten seit Jahren eng zusammen - sehr zum Missfallen des Westens. Auch nach dem Unfalltod von Präsident Raisi halten beide Seiten zusammen.

Die Außenminister Russlands und des Irans haben die strategische Partnerschaft beider Länder auch nach dem Unfalltod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi bekräftigt. Das teilte das Außenministerium in Moskau am Samstag nach einem Telefongespräch von Minister Sergej Lawrow mit seinem kommissarischen iranischen Kollegen Ali Bagheri-Kani mit.

Der von den Staatsoberhäuptern Wladimir Putin und Raisi vorgegebene Kurs auf eine strategische Partnerschaft werde beibehalten, sagten die Minister der Mitteilung zufolge. Alle Vereinbarungen und Projekte auf verschiedenen Gebieten sollten fortgesetzt werden.

Präsident Raisi und der bisherige Außenminister Hussein Amirabdollahian waren am 19. Mai beim Absturz eines Hubschraubers ums Leben gekommen. Die vom Westen mit großem Misstrauen gesehene Kooperation zwischen Moskau und Teheran ist in den vergangenen Jahren immer enger geworden. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist Iran ein wichtiger Rüstungslieferant für Russland.


Indirekte Gaza-Verhandlungen könnten weitergehen

TEL AVIV: Israel, Katar und die USA haben sich für die Fortführung der feststeckenden indirekten Verhandlungen über eine Geiselfreilassung und Waffenruhe im Gazastreifen in der nächsten Woche ausgesprochen. Dies sei das Ergebnis von Gesprächen, die der CIA-Direktor William Burns, Mossad-Chef David Barnea und der katarische Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani in Paris führten, wie der gut vernetzte israelische Journalist Barak Ravid am Samstag unter Berufung auf einen israelischen Regierungsbeamten auf X berichtete.

Die indirekt geführten Verhandlungen, bei denen Ägypten, Katar und die USA vermitteln, waren im April in eine Sackgasse geraten. Im Wesentlichen geht es darum, dass die radikalislamische Hamas die von ihr in den Gazastreifen verschleppten israelischen Geiseln freilässt. Im Gegenzug dafür soll Israel eine große Zahl palästinensischer Häftlinge aus seinen Gefängnissen entlassen. Weiter soll der jüdische Staat seinen Militäreinsatz im Gazastreifen einstellen - ob zeitlich befristet oder endgültig, ist einer der Streitpunkte der schwierigen Verhandlungen.

Das israelische Kriegskabinett hatte am letzten Donnerstag den Spielraum des israelischen Verhandlerteams erweitert. Dies machte es offenbar möglich, dass die indirekten Gespräche zwischen Israel und der Hamas weitergehen können. Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive.

Bei dem Überfall hatten die Terroristen mehr als 250 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Mehr als 100 waren bei einem früheren Austausch von Geiseln gegen Palästinenser in israelischer Haft im November freigekommen. Mehr als 120 Geiseln befinden sich nach israelischer Zählung noch in der Gewalt der Islamisten. Dabei ist aber nicht klar, wie viele von ihnen schon tot sind.


Trotz Gerichtsentscheids: Israel setzt Militäreinsatz in Rafah fort

GAZA/TEL AVIV: Ungeachtet der Aufforderung des Internationalen Gerichtshofs (IGH), den Militäreinsatz in Rafah unverzüglich zu beenden, sind Israels Streitkräfte in der südlichsten Stadt des Gazastreifens am Samstag aktiv geblieben. Israelische Soldaten töteten mehrere palästinensische Bewaffnete, die zuvor auf die Israelis geschossen hatten, teilte die Armee am Samstag mit. Zudem habe man in Rafah weitere Waffenlager und Tunnelschächte gefunden. Bei einem israelischen Luftangriff sei in Rafah ein Zivilist ums Leben gekommen, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa unter Berufung auf Krankenhausmitarbeiter. Alle Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Der IGH hatte Israel am Freitag zu einer sofortigen Beendigung des Militäreinsatzes in Rafah verpflichtet. Mit der Entscheidung entsprach das höchste Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag einer Forderung Südafrikas. Nach Auffassung der Richter ist die humanitäre Lage in Rafah inzwischen desaströs. Zusätzliche Maßnahmen seien nötig, um weiteren Schaden für die Zivilbevölkerung abzuwenden.

Der Schwerpunkt der Kämpfe lag wie schon in den vergangenen Tagen in der Flüchtlingssiedlung Dschabalia im Norden des Gazastreifens. Israelische Soldaten töteten nach Darstellung der Armee in den letzten 24 Stunden Dutzende feindliche Kämpfer, teils im Nahkampf, teils durch gezielte Luftangriffe. Die israelischen Truppen zerstörten demnach Raketenabschussstellungen und Tunnelschächte und fanden eine große Zahl an Waffen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen Lage im Gazastreifen steht Israel international in der Kritik.


Italien gibt wieder Millionen für UN-Palästinenserhilfswerk

ROM/GAZA: Italien will seine Unterstützung für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA wieder aufnehmen. Die italienische Regierung habe als Reaktion auf die humanitäre Krise neue Mittel von insgesamt 35 Millionen Euro für die palästinensische Bevölkerung bereitgestellt, sagte Außenminister Antonio Tajani am Samstag nach einem Treffen mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mohammed Mustafa, in Rom.

Von den 35 Millionen Euro sollen demnach fünf Millionen an UNRWA gehen. Der Rest gehe an die Initiative «Food for Gaza». Die Initiative wurde zuvor vom Außenministerium in Rom sowie der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), dem Welternährungsprogramm (WFP) und der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) ins Leben gerufen, um die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu unterstützen und deren Leid zu lindern.

Italien hatte gemeinsam mit anderen Staaten im Januar seine Zahlungen an UNRWA eingestellt. Damals kamen Vorwürfe auf, UNRWA-Beschäftigte hätten sich an dem Massaker der islamistischen Terrororganisation Hamas in Israel beteiligt. Ein Untersuchungsbericht kam zum Schluss, UNRWA habe eine Reihe von Mechanismen etabliert, um die Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes zu gewährleisten. Allerdings gebe es Verbesserungsbedarf.

Nach dem Untersuchungsbericht habe Italien nun entschieden, die Zahlungen wiederaufzunehmen. «Allerdings erst nach strengen Kontrollen, um sicherzustellen, dass kein einziger Cent in die Unterstützung des Terrorismus fließt», sagte Tajani weiter.

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Ingo Kerp 26.05.24 14:40
Das politische Ende von Netanjahu und seiner rechtsextremen Regierung zeichnet sich schon ab. Der unsaegliche Krieg dauert schon zu lange und das einst vorschnell versprochene Ziel ist immer noch nicht erreicht. Im Gegensatz dazu sind die Proteste weltweit und innerhalb Israels gestiegen und auch politisch ist Israel durch die UN und den IStGH bereits auf der Verliererstrasse.