Gefährliches Leben mit Bombies

Deutsche räumen explosives Vietnamkriegserbe in Laos

Gefährliches Leben mit Bombies

Die Landschaft ist spektakulär. Hohe, schwarz-graue, mehr als 1.200 Meter hohe Felswände ragen senkrecht in den blauen Himmel empor. Das Tal zwischen den Bergwänden erstrahlt in einem satten Grün. Reisfelder wechseln sich ab mit Wäldern, Plantagen und Bambushecken. In den Dörfern tummeln sich zwischen den Holzhäusern Hühner, Enten, Schweine, Ziegen, Kühe, Hunde und spielende Kinder. Die Bauern auf den Feldern tragen zum Schutz vor der Sonne spitze Bambus­hüte und Anoraks wegen des kühlen Winds, der vom nahen Golf von Tonkin in Vietnam durch die 500 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Täler von Zentrallaos bläst.

Gefährliches Leben mit Bombies

Die asiatische Bilderbuchidylle im ländlichen Khamkeut ist trügerisch. Der Distrikt ist einer der ärmsten in der Provinz Bolikhamxay, die wiederum zu den ärmsten von Laos zählt. Was da die Idylle aber noch mehr zerstört, ist das in den Feldern und Wäldern verborgene explosive Erbe des Vietnamkriegs: Bombies. Die tennisballgroßen, mit Sprengstoff und vielen hundert kleinen Kügelchen gefüllten Minibomben wurden in Mutterbomben von den gefürchteten B-52-Bombern der Amerikaner abgeworfen.

Durch das Tal schlängelt sich die gut ausgebaute Straße 8 A. Während des Kriegs war sie ein Teil des legendären Ho-Chi-Minh-Pfads, über den die Nordvietnamesen ihre Truppen mit Nachschub versorgten. Die Truppen der kommunistischen Pathet Lao als auch der Vietkong hatten in den Höhlen der malerischen Berge Lazarette und Truppenstützpunkte eingerichtet. Deshalb wurden die Dörfer in Khamkeut besonders brutal bombardiert. Wie etwa Ban Kouanchanh. "An einem einzigen Tag starben 36 Menschen, die in der Schule Zuflucht gesucht hatten", erinnert sich Bürgermeister Boun Phon Thamawong. Nach dem Krieg wurde Ban Kouanchanh an anderer Stelle neu aufgebaut. "Der alte Standort war mit Streumunition verseucht. Es war zu gefährlich, dort wieder zu wohnen", sagt Thamawong.

Auf dem Gelände des zerstörten Ban Kouanchanh und in anderen Dörfern im Distrikt Khmakeut räumt die deutsche Organisation "SODI!" seit einigen Monaten mit dem gefährlichen Kriegserbe auf. Jürgen Hinderlich weist auf eine Fläche mit Wiesen und Reisfeldern und sagt: "Das sind gut 20 Hektar, und darauf wurden mehr als 33.000 Bombies abgeworfen." Der 50-jährige Spezialist für Kampfmittelräumung kann Dank moderner GPS-Systeme, kombiniert in der Bombendatenbank, die Abwurfstellen genau lokalisieren. Insgesamt gingen über Laos 2,1 Millionen Bomben nieder, mehr als während des Zweiten Weltkriegs über Europa abgeworfen wurden. Als Faustregel gilt unter Bombenexperten eine Blindgängerquote von 30 Prozent. Schätzungsweise 80 Millionen nicht explodierter Bombies blieben nach dem Krieg in Laos.

Die Angst bei der Reisernte

Somphon steht in ihrem Reisfeld, das noch nicht von Streubomben geräumt ist. "Was soll ich machen? Der Reis muss geerntet werden." Die Bombies liegen im Schnitt 25 Zentimeter unter der Erde. Besonders gefährlich ist daher die Arbeit der Bauern, wenn sie ihre Felder umpflügen und für die neue Reissaat vorbereiten. "Ich habe dann immer große Angst", gibt Somphon zu.

Etwa einhundert Meter von Somphon entfernt räumt Hinderlich an diesem Nachmittag mit seinem Team aus Einheimischen Bomben. Auf abgesteckten Bahnen suchen sie mit Detektoren das Gelände ab. Piepst es, wird die Stelle mit einem gelben Fähnchen markiert, dann mit einem Spaten Schicht für Schicht die braune Erde abgetragen, bis gefunden wird, was den Detektor hat reagieren lassen. Das können Bombensplitter sein, Patronenhülsen oder eben Blindgänger, wie die sechs Bombies vom Typ BLU 26, die an diesem Nachmittag von Hinderlich gesprengt werden. Gut 105 Hektar hat SODI! in diesem Jahr geräumt, 140 sollen es 2011 werden.

SODI! versteht seinen Einsatz als humanitäre Hilfe, in die Bombenräumung und Entwicklungsprojekte wie der Bau von Schulen integriert sind. "In Absprache mit den Menschen der Dörfer räumen wir nur Nutzflächen", erklärt Siegfried Block, ein ehemaliger DDR-Diplomat, der in Laos die vom Auswärtigen Amt und vom Entwicklungshilfeministerium finanzierte, auf fünf Jahre angelegte Mission von SODI! leitet. "Auf den geräumten Flächen kann wieder gefahrlos Landwirtschaft betrieben werden. Das schafft Einkommen und verbessert so die Lebenssituation."

Kinder werden trotz Aufklärung durch Eltern, Großeltern, Lehrer und Hilfsorganisationen am häufigsten Opfer der Bombies. Ein trauriger Beweis war Mitte November 2010 der Tod der neunjährigen Pui, die beim Spielen ein Bombie gefunden hatte. Der Tod des kleinen Mädchens war eine eindringliche Mahnung an die Teilnehmer der internationalen Konferenz zur Ächtung von Streubomben, die just zu diesem Zeitpunkt in Vientiane stattfand und einen 66-Punkte-Aktionsplan gegen Streubomben verabschiedete. Mit Blick auf die kleine Pui sagte Thongloun Sisoulith, Außenminister von Laos: "Neben der Verpflichtung zur Räumung der betroffenen Länder von nicht explodierten Streubomben ist die Hilfe für die Opfer ein zentraler Punkt in dem Aktionsplan."

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