Verzweiflung nach Erdbeben

​​«Es war unerträglich» 

Ein Bagger entfernt Schlamm aus einem eingestürzten Haus, während nach Opfern eines Erdbebens in der Provinz Herat im Westen Afghanistans gesucht wird. Foto: Benyamin Barez/Ap/dpa
Ein Bagger entfernt Schlamm aus einem eingestürzten Haus, während nach Opfern eines Erdbebens in der Provinz Herat im Westen Afghanistans gesucht wird. Foto: Benyamin Barez/Ap/dpa

KABUL: Mehrere Erdbeben innerhalb kurzer Zeit sind in gleich zwei Ländern zu spüren. Während die Taliban-Regierung erschreckend hohe Opferzahlen mitteilt, zeichnen Retter vor Ort ein dramatisches Bild der Zerstörung.

Dort wo einst ganze Dörfer standen, liegt das Leben Hunderter Familien in Trümmern. Begraben unter Ruinen suchten am Sonntag Rettungskräfte in Afghanistan verzweifelt nach Überlebenden. «Es war unerträglich. Wir sahen fünf, sechs Dörfer. Sie sind dem Erdboden gleich», erzählt Mohammed Rafik Schirsai per Sprachnachricht. Der erfahrene Mediziner ist Teil eines Rettungsteams in Westafghanistan, aus der Provinzhauptstadt Herat.

Am Samstagmorgen hatten mehrere Erdbeben Bewohner der afghanischen Grenzprovinz nahe dem Iran aufgeschreckt. Die beiden schwersten Beben hatten laut der US-Erdbebenwarte USGS eine Stärke von 6,3. Innerhalb von nur wenigen Stunden zitterte die Erde neun Mal, mehr als ein Dutzend Dörfer wurden weitgehend zerstört. Am stärksten betroffen war nordwestlich von Herat der Bezirk Sindadschan. Militär und Rettungsdienste eilten in die Katastrophengebiete, um zu helfen.

«Man kann den Unterschied zwischen einem Haus und einer Straße nicht mehr sehen», erzählt Schirsai weiter. «Unter jedem Stück Erde könnte ein Mensch sein, der sein Leben verloren hat und den niemand mehr retten kann. Leider waren wir nicht mehr in der Lage zu helfen», beschreibt der Arzt die bedrückenden Szenen. Videos in den sozialen Medien zeigten Rettungskräfte mit Bulldozern vor Ort sowie Helfer, die teils nur mit ihren Händen nach Vermissten gruben.

Selbst 300 Kilometer entfernt im Nachbarland Iran wackelten am Samstag Wände und Deckenleuchten, wie Bewohner der Millionenmetropole Maschhad erzählten. Auch dort setzten die Behörden Rettungsdienste in Alarmbereitschaft und schickten Teams an die Grenze, um mögliche Schäden zu untersuchen.

In Afghanistan sind fast 2500 Todesopfer zu beklagen, wie der afghanische Sender Tolonews am Sonntagabend unter Berufung auf offizielle Statistiken berichtete. Mehr als 2000 weitere Menschen seien in der Provinz Herat verletzt worden. Es werde befürchtet, dass die Opferzahlen weiter steigen, hieß es weiter. Das UN-Nothilfebüro OCHA war am Samstag noch von mehr als 100 Toten ausgegangen.

Die Europäische Union (EU) versicherte der betroffenen Bevölkerung Afghanistans ihre volle Solidarität, wie EU-Chefdiplomat Josep Borrell beim Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) schrieb. «EU-Teams haben das Katastrophengebiet bereits erreicht, um zu helfen», teilte er am Sonntag mit, ohne Details zu nennen.

Die Beben wecken Erinnerungen an die verheerende Katastrophe im Sommer vergangenen Jahres, als im Osten des Landes bei einem Erdbeben der Stärke 5,9 mehr als 1000 Menschen in den Tod gerissen wurden. Immer wieder ereignen sich schwere Erdbeben in der Region, besonders am Hindukusch, wo die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen.

Seit mehr als zwei Jahren sind die Taliban wieder an der Macht, das Land ist wegen seiner repressiven Politik, die vor allem Frauen und Mädchen diskriminiert, international politisch isoliert. Auch das ist ein Grund, warum Rettungsarbeiten teils schwierig vorankommen. Nach Jahrzehnten des Konflikts sind viele Dörfer mit einfacher Bauweise schlecht gegen Erdbeben gerüstet.

«Das Erdreich und die Trümmer sind auf die Menschen gestürzt, das Atmen wurde unmöglich», erzählt Schirsai weiter mit ruhiger, bedrückter Stimme. «Die Zahl der Todesopfer ist viel höher als das, was Sie gehört haben. In einem Dorf zum Beispiel, in dem tausend Menschen lebten, heißt es jetzt, dass nur noch 20 Menschen am Leben sind. Sie verstehen das Ausmaß der Katastrophe.»

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werner spierling 09.10.23 15:40
Und wieder ist das Sozialamt für die Welt Deutschland zur Stelle um diese kranken Taliban mit ihrem Terrorstaat die unfähig sind einen Staat zu bilden und sich selbst zu helfen mit deutschen Steuergeldern die zu Hause besser benötigt werden zu unterstützen.Reicht es nicht das wir schon zig Milliarden für denAufbau vor den Taliban verschwendet haben unfassbar.Wir haben die unfähigsten Politiker weltweit.