BUENOS AIRES: Der neu gewählte Staatschef Argentiniens ist ein Exzentriker. Im Wahlkampf trat der Ökonom immer wieder mit laufender Kettensäge auf und wetterte gegen die politische «Kaste». Seine wichtigsten Gefährten: Seine Schwester und seine geklonten Hunde.
Javier Milei plant nicht weniger als eine Revolution. Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise will Argentiniens künftiger Präsident das Ruder herumreißen und das südamerikanische Land in eine völlig neue Richtung steuern. «Die Lage in Argentinien ist kritisch. Unser Land braucht einen drastischen Wandel», sagte Javier Milei nach seinem Sieg bei der Stichwahl am Sonntag. «Es gibt keinen Platz für halbe Sachen.»
Der ultraliberale Ökonom - sich selbst bezeichnet er als «Anarchokapitalist» - will den Staat auf ein Minimum zurechtstutzen, die Sozialprogramme zusammenkürzen und den freien Markt weitgehend sich selbst überlassen. Die schwächelnde Landeswährung Peso soll durch den US-Dollar ersetzt werden und die Zentralbank würde er am liebsten abschaffen. Das ist in Argentinien, wo die öffentliche Hand traditionell eine starke Rolle spielt und viele Arbeitnehmer beim Staat beschäftigt sind, eine radikale Kehrtwende.
Milei stammt aus einfachen Verhältnissen und spielte als Jugendlicher als Torwart beim Fußballverein Chacarita Juniors in Buenos Aires. Nach eigenen Angaben wurde er als Kind immer wieder von seinem Vater verprügelt, erst kürzlich nahm er wieder Kontakt zu seinen Eltern auf. Milei studierte Wirtschaftswissenschaften und arbeitete später als Berater und Chefvolkswirt für mehrere Unternehmen in Argentinien. Er veröffentlichte eine Reihe von Büchern, trat immer wieder mit zerzaustem Haar und Lederjacke im Fernsehen auf und spielte in einer Rockband. Heute gilt der 53-Jährige als leidenschaftlicher Opern-Fan.
Seit 2021 saß Milei schließlich als Abgeordneter im Parlament, wo er gegen die von ihm verhasste politische «Kaste» wetterte. Als seine engste Vertraute gilt seine Schwester Karina Milei, die er «el jefe» (der Chef) nennt. Sie gilt als der strategische Kopf hinter seiner Kampagne. «Ohne sie wäre nichts davon möglich gewesen», sagte Milei in der Wahlnacht über seine jüngere Schwester.
In einem Interview erklärte Milei die Rollenverteilung der Geschwister einmal so: «Moses war ein großer Anführer, aber er war nicht gut darin, das Wort zu verbreiten. Also schickte Gott Aaron, um die Botschaft zu verbreiten. Nun, Kari ist Moses und ich bin derjenige, der das Wort verbreitet. Ich bin nur ein Multiplikator.»
Milei lebt mit mehreren riesigen Mastiffs zusammen, die er nach dem Tod seines vorherigen Hundes Conan mit dessen Erbgut klonen ließ. Benannt sind sie nach liberalen Ökonomen wie Milton Friedman und Robert Lucas. Seit einigen Monaten ist der langjährige Junggeselle Milei mit der Komikerin Fátima Florez liiert.
Milei gilt als Exzentriker, der verbissen an seinen Überzeugungen festhält und sich mit Kompromissen schwertut. Sein Erfolg als Präsident dürfte nun aber maßgeblich davon abhängen, wie schnell er in der Lage ist, Allianzen zu schmieden. Seine Partei La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran) verfügt in keiner der beiden Parlamentskammern über eine eigene Mehrheit, stellt keinen einzigen Provinzgouverneur und verfügt wohl noch nicht einmal über genug qualifiziertes Personal, um wichtige Schlüsselpositionen zu besetzen. Ohne eine gewisse Gesprächsbereitschaft wird Milei als Präsident also nicht weit kommen.