500 Jahre nach erster Erdumrundung

Der König feiert, einige zweifeln

Foto: Freepik/Wirestock
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MADRID: Vor 500 Jahren wurde die erste Weltumsegelung vollendet. In Spanien heißt es, die iberische Heldentat sei für die Menschheit wichtiger als die erste Mondlandung 1969 gewesen. Seitdem wissen die Menschen, dass die Erde eine Kugel ist. Zumindest die meisten.

Den Glauben an die flache Erde gibt es noch immer - und das 500 Jahre nach der ersten Erdumrundung. Allein in Brasilien sind elf Millionen Menschen nach einer repräsentativen Umfrage des angesehenen Meinungsforschungsinstituts Datafolha davon überzeugt, dass unser Planet in Wirklichkeit flach wie ein Frisbee ist. Diese Theorie wurde unter anderem in der Netflix-Doku «Behind the Curve» (2018) porträtiert. Anhänger gründen Fußballclubs und Youtube-Kanäle, Portale und Zeitschriften. Die spanischen «Flacherdler» veranstalten am 18. September ihren ersten Kongress auf Menorca. Die Nachfrage sei so groß, dass man einen größeren Veranstaltungsort habe suchen müssen, erzählte Mitorganisatorin Maria Llompart der mallorquinischen Zeitung «Última Hora».

Einen ungeeigneteren Zeitpunkt für die Veranstaltung hätten Llompart und ihre Mitstreiter wohl kaum wählen können. Denn in Spanien will man am Dienstag mit Pauken und Trompeten und auch mit König Felipe VI. 500 Jahre Vollendung der ersten Umsegelung der Erde feiern. Jener gewagten Expedition, die - zumindest für die meisten - nach drei Jahren und vier Monaten den endgültigen Beweis dafür lieferte, dass die Erde eine Kugel ist.

Das Unternehmen hatte allerdings einen hohen Preis - auch an Menschenleben: Nur die «Victoria», das viertkleinste Schiff der Flotte, schaffte über die Route um das Kap der guten Hoffnung den Weg zurück nach Spanien. Unter dem Kommando von Juan Sebastián Elcano lief sie am 6. September 1522 nach einer Fahrt von mehr als 80.000 Kilometern wieder in den Hafen von Sanlúcar de Barrameda im heutigen Andalusien ein - mit insgesamt nur noch 18 kranken und ausgehungerten Männern an Bord. Die meisten der 239 Männer, die 1519 in See gestochen waren, hatten auf dem Weg ihr Leben verloren. Darunter auch Expeditionschef Fernão de Magalhães (Ferdinand Magellan).

Der spanische Vizeadmiral Ignacio Horcada Rubio zeigt sich heute davon überzeugt, dass die Expedition «wichtiger als die erste Mondlandung» von 1969 war, wie er in einem Vortrag sagte. Der Mann vom ministeriellen Jubiläums-Ausschuss «V Centenario» betont, dass die erste Weltumsegelung anders als die erste Mondlandung «zu einer wahren Entdeckung, zu einem Paradigmenwechsel geführt» habe. Sie habe «damals praktisch alles verändert». Ihre Bedeutung sei mit jener des Internets in den vergangenen 20 Jahren vergleichbar. «Die Menschen dachten damals, dass sie in einer in jeder Hinsicht kleineren Welt lebten. Alles war viel regionalisierter.» Ähnlich denkt Portugals Parlamentspräsident Augusto Santos Silva, der die erste Weltumsegelung als «erste Globalisierungsaktion» bezeichnete.

Dabei war die Umrundung der Welt gar nicht das Ziel der Expedition. Vielmehr wollte Magellan im Auftrag der spanischen Krone eine Westroute nach Indien und zu den sogenannten Gewürzinseln, den heutigen Molukken, finden. Er sollte die Aufgabe vollenden, an der Christoph Kolumbus drei Jahrzehnte zuvor und anschließend auch andere Seefahrerkoryphäen gescheitert waren.

Das Ziel war damals vor allem - im harten Konkurrenzkampf mit dem Nachbarn Portugal - der direkte Zugang zum Pfeffer, der damals so wertvoll wie Gold war. Mit Hilfe des Pfeffers konnten Lebensmittel lange haltbar gemacht werden. Außerdem galt die Pflanze als Heilmittel. Aber auch Gewürze wie Zimt, Muskat und Nelken waren damals äußerst kostbar. Sie waren auch ein Grund für Kolonialkriege.

Spanien und Portugal feiern das Jubiläum der Erdumrundung seit 2019 zusammen. Dabei war Magellan damals bei seinem eigenen König Manuel I., dem «Glücklichen», unter dem Portugal eine wirtschaftliche, kulturelle und politische Blütezeit erlebte, mit seinem Projekt auf taube Ohren gestoßen. Es gab einige Gründe: Portugal hatte mit Seefahrer Vasco da Gama bereits die Ostroute nach Indien erschlossen. Außerdem soll Magellan daheim wegen illegalen Handels mit Mauren in Marokko in Ungnade gefallen sein.

Der knapp 30-Jährige zog daher kurzerhand nach Spanien, wo er den jungen, erst 18 Jahre alten und wohl auch sehr abenteuerlustigen kastilischen König Carlos I. überzeugen konnte. Carlos, der als Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, in die Geschichte einging, unterzeichnete mit Magellan den entsprechenden Vertrag im März 1518. Er stellte dem Portugiesen Besatzung und fünf Schiffe zur Verfügung.

Nach Magellan werden heute Raumsonden, Galaxien, Pinguine, Schiffe, Teleskope benannt - und natürlich auch die Magellan-Straße, die Meerenge zwischen dem südamerikanischen Festland und Feuerland, die die Expedition auf dem Weg nach Indien entdeckte. Schriftsteller Stefan Zweig widmete ihm ein Buch, es gibt unzählige Magellan-Denkmäler.

Doch die Weltumsegelung schaffte er nicht. Der Ritter und Seefahrer starb im April 1521 auf den Philippinen. Als er die Insel Mactan für Kastilien in Besitz nehmen wollte, wurde er nach Überlieferung von Expeditionschronist Pigafetta im Gefecht gegen die Männer von Inselhäuptling Lapu-Lapu von einem Giftpfeil am Oberschenkel getroffen und erhielt zudem zwei Lanzenstöße. Seine Leiche konnte nie geborgen werden. Lapu-Lapu wurde in den Philippinen zum Nationalhelden, nach ihm wurde sogar eine Großstadt benannt.

Wer in die Vergangenheit reisen möchte, kann dieser Tage die Nachbildung der «Victoria» in Sanlúcar besuchen oder - bequemer - vom Sofa aus bei Amazon Prime die neue Miniserie «Ohne Grenzen - Die Expedition, die die Welt veränderte» (Spanien/USA) anschauen. Llompart & Co., die an eine flache Erde glauben, wird die Serie aber wohl nicht überzeugen können.

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