Polizisten verdienen zu wenig

Uniformierte leiten gerne mal ein Bussgeld in die eigene Tasche um

Bangkoker Polizisten regeln den chaotischen Verkehr und gehen erhebliche gesundheitliche Risiken ein
Bangkoker Polizisten regeln den chaotischen Verkehr und gehen erhebliche gesundheitliche Risiken ein

In die Polizei einzutreten, ist für die meisten jungen Leute ohne Hochschulausbildung oft die einzige Möglichkeit für eine gesicherte Existenz in Staatsdiensten. Wie begehrt dieser Beruf ist, zeigt z. B. der Umstand, dass sich im August 2000 für 1.800 Neueinstellungen zirka 75.000 Kandidaten bewarben und sich für die obligatorische Einstellungsprüfung anmeldeten.

Ein wichtiges Motiv, Polizist zu werden, ist auch die Möglichkeit, sich etwas ausserhalb der Legalität Nebeneinnahmen zu verschaffen. Wenn man von der Polizei bei Rechtsverstössen ertappt wird,so hat man - zumindest solange die Sache noch nicht aktenkundig ist - in der Regel die Möglichkeit, sich durch eine entsprechende Ablösungssumme aus der Affäre zu ziehen.

Wenn man in Thailand bei einer Verkehrskontrolle auffällt, gibt es in der Regel zwei Möglichkeiten. Entweder man bezahlt sofort - je nach Schwere des Vergehens 100 bis 500 Baht ohne Quittung -oder man bekommt eine Strafanzeige, die dann allerdings wesentlich teurer wird und mehr Ärger verursacht.

In Thailand sorgt die Polizei mit gesetzlicher Genehmigung für sich selbst. Von den mit Quittung bei Verkehrsverstössen vereinnahmten Bussgeldern kann die örtliche Polizeibehörde 70 Prozentbehalten, siemuss nur 30 Prozent an den Staat abführen. Die Gelder werden dann innerhalb der örtlichen Polizeibehörde verteilt, wobei dann, dem Thai-Hierarchie-Denken folgend, die oberen Rängeden Löwenanteil kassieren, während für den kleinen Strassenpolizisten nur wenig übrig bleibt.

Kein Wunder, dass der dies wieder wettmacht, denn jeder, der sich in Thailands Strassenverkehr auskennt, weiss, dass sich, von Ausnahmen abgesehen, jeder Polizist, der einen Fahrer wegenVerstosses gegen die Verkehrsvorschriften anhält, bei einem in die Hand gedrückten 100-Baht-Schein die Augen zumacht und den Verkehrssünder unbehelligt weiterfahren lässt.

Aber es gibt auch durchaus legale Möglichkeiten, sich als Polizist etwas nebenbei zu verdienen, wie folgendes Beispiel zeigt. In jedem Dorf gibt es einen oder mehrere Händler, die von denBauern sackweise Reis aufkaufen, um ihn dann, wenn eine Lkw-Ladung zusammen gekommen ist, zum Grosshändler in die Stadt zu fahren. Reis ist ein schweres Gut, Benzin teuer und die Fahrer Thais.Die Lkws sind deshalb immer heillos überladen.

Nun baut die Polizei an einer Hauptstrasse eine Sperre auf und kontrolliert die voll mit Reissäcken beladenen Fahrzeuge, die vorbei kommen. Zur Kontrolle der Ladung braucht sie dazu keineLkw-Waage, sondern man zählt nur die Säcke. Ein Sack Reis wiegt etwa 80 kg, also bringen die normalerweise 80 Säcke auf dem nur für 4,5 Tonnen zugelassenem Lkw rund 6 1/2 Tonnen.

Der Fahrer muss also ein Bussgeld bezahlen und den überladenen Lkw an Ort und Stelle erleichtern. Nun befindet sich „zufällig” ein paar hundert Meter weiter ein Grosshändler, und die Polizeierlaubt dem Fahrer grosszügig, bis dorthin weiter zu fahren, um seinen Reis dort abzuladen und zu verkaufen. Der Händler zahlt aber für den im Notverkauf abgegebenen Reis einen Baht pro Kiloweniger als andere Händler. Das macht bei 6.500 kg zirka 6.500 Baht zusätzlichen Gewinn, den er natürlich mit den Polizisten teilen muss, die freundlicherweise gerade vor seiner Haustür dieKontrollstelle eingerichtet haben.

Alles völlig legal, denn die Lkws sind tatsächlich überladen, und der Händler kann für den ihm angebotenen Reis soviel zahlen, wie er will.

Aber die Polizisten sind auch Thais, und man darf von ihnen nicht zuviel selbständiges Denken erwarten. Ein typisches Beispiel für das Scheuklappen-Denken der thailändischen Polizei ist die Kontrolle der Einhaltung der Gurtpflicht.

Als ich mit zehn Leuten hinten auf der Ladefläche meines Pick-ups, darunter ein paar Kinder, vom Markt komme, gerate ich in eine Polizeikontrolle und muss 300 Baht Bussgeld bezahlen, weil meineFrau auf dem Beifahrersitz keinen Gurt angelegt hatte, da der so auf ihren ansehnlichen Busen drückt.

Dass alle Personen, die ungeschützt hinten auf der Ladefläche des Pick-ups sitzen – vor allem die Kinder – bei einem Unfall schwer verletzt oder gar zu Tode kommen würden, interessiert diekontrollierenden Polizisten dagegen überhaupt nicht.

Es gibt hier nämlich kein Gesetz, dass das Mitfahren von Personen auf der Ladefläche eines Pick-ups verbietet. Falls es ein solches Gesetz in Thailand gäbe, würde allerdings auch der Verkehrauf dem Lande zusammenbrechen.

Bürokratische Hindernisse

Ein wichtiges Rechtsprinzip sollte der Farang beachten. Wenn die Polizei Verdacht auf einen Gesetzesverstoss hat, geht der Angeschuldigte erst mal ins Gefängnis, wenn er keine Kaution bezahlenkann. Um die Kaution zurückzubekommen, muss er zum einen seine Unschuld beweisen, zum anderen lange kämpfen und viele bürokratische Hindernisse überwinden.

Bei allem Ärger, den man manchmal mit der Polizei haben kann, so tut man ihr doch Unrecht, wenn man - vor allem bei den kleinen Leuten - die Angelegenheit mit unseren Massstäben misst. Eineinfacher Verkehrspolizist in Bangkok bekommt ein Gehalt von etwa 8.000 bis 10.000 Baht im Monat. Damit muss er nun seine Familie durchbringen, wobei zwar die Nahrungsmittel und auch dieWohnungen allgemein nur etwa halb so teuer sind wie bei uns in Deutschland, andere, nicht in Thailand hergestellte Gebrauchsgüter wie Elektrogeräte, Fahrzeuge usw. aber erheblich teurer kommen.

Dem Polizisten bleibt also gar nichts anderes übrig, als zu sehen, wie er zusätzlich an ein paar Baht kommt, vor allem wenn er dann auch noch Kinder auf eine schulgeldpflichtige Oberschuleschicken will.

Und da das Leben insbesondere für Thailänder nicht nur aus Arbeit, sondern vor allem auch aus „Sanuk“ (Spass) besteht, will auch das finanziert werden.

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