Neues Fahrzeug hebt das Ansehen

Und treibt die Familie weiter in die Schuldenfalle

Von Günther Ruffert

Es gibt zwei Dinge, über die ich mich in der ersten Zeit, in der ich in dem Dorf wohnte, immer gewundert habe. Zum einen, dass fast zu jedem Haushalt ein oft nagelneues Motorbyke gehört und zum anderen, dass fast alle Leute verschuldet sind und sich von mir Geld leihen wollen. Später kam ich dahinter, was die Ursache der Geldprobleme ist.

Da die Banken den verschuldeten Bauern keinen Kredit mehr bewilligen, müssen die Fahrzeughändler die Finanzierung der zu verkaufenden Maschinen selbst übernehmen. Wer also ein neues Motorrad kaufen will, kann das bei einer relativ geringen Anzahlung haben, muss dann aber den Kaufpreis und die horrenden Zinsen für den vom Händler gewährten Kredit in monatlichen Raten, meist über zwei Jahre, abbezahlen. Die Zinsen für den Kredit sind dabei so hoch, dass nach zwei Jahren fast der doppelte Kaufpreis zusammenkommt.

Nun ist es sehr schön und hebt auch das Ansehen im Dorf, wenn man plötzlich mit einer blitzblanken neuen Maschine durch die Gegend knattern kann, die monatlichen Raten sind aber - zumindest ausserhalb der Erntezeit, in der der Reis verkauft werden kann - oft nicht aufzubringen. Wenn man nicht will, dass die schöne Maschine eines Tages vom Händler - der sich bis zur vollen Bezahlung das Eigentumsrecht vorbehalten hat - wieder abgeholt wird und sowohl Anzahlung als auch bisher gezahlte Raten verfallen, muss man bei einem Geldhai einen neuen Kredit aufnehmen. Die Zinsen dafür sind aber noch höher als die Zinsen für den Ratenkauf, und so gerät man immer weiter in die Misere.

Als Lösung gibt es praktisch nur zwei Möglichkeiten: Entweder geht die Tochter nach Pattaya anschaffen und verdient dort das Geld für die monatlichen Raten oder es wird ein weiteres Stück Land verkauft.

Typisch ist, dass man beim Kauf nur die schöne neue Maschine gesehen, aber keinen Gedanken daran verschwendet hat, ob man in Zukunft überhaupt in der Lage sein wird, die monatlichen Raten zu bezahlen. Die weitverbreitete Verschuldung bzw. die Tatsache, dass immer mehr Bauern kein Eigentum mehr besitzen und gepachtetes Land bestellen müssen, sind also nicht nur eine Folge der natürlichen Armut im Isaan, sondern werden zunehmend auch dadurch verursacht, dass man sich Dinge anschafft, die zwar schön und angenehm sind, die man sich aber gar nicht leisten kann.


Eines Tages kam der Rektor unserer Dorfschule mit dem Bürgermeister zu mir und fragte mich, ob ich an der Schule mit meinen Computer-Kenntnissen etwas aushelfen würde. Der Schule war nämlich im Zuge eines Crash-Programms des Erziehungsministeriums eine komplette Computeranlage zugewiesen worden, um damit ins Internet gehen zu können. Natürlich sagte ich zu und fuhr mit den beiden zur Schule.

Dort stand im Büro des Rektors ein nagelneuer Computer nebst Monitor, Keyboard, Drucker und Modem. Davor sassen ein paar Lehrer und blickten ratlos auf Kabel und Stecker. Keiner wusste, wie die verschiedenen Geräte anzuschliessen waren. Nachdem ich nun die Hardware angeschlossen und den Computer in Gang gebracht hatte, setzte sich einer der Lehrer, der für den Computerunterricht an der Schule vorgesehen war, vor die Anlage und wollte ins Internet gehen. Der Rektor wollte mit einer Email der Schulbehörde in Bangkok melden, dass die Schule in unserem Dorf jetzt ans Internet angeschlossen sei. Natürlich ging die Sache völlig daneben, und ich sah, dass niemand aus dem Lehrerkollegium jemals vor einem Computer gesessen hatte.

Auf meinen Vorschlag, doch erst mal ein oder zwei Lehrer zu einer in der Kreisstadt befindlichen Computerschule zu schicken, um sich dort die Grundbegriffe der elektronischen Datenverarbeitung beibringen zu lassen, sagte mir der Rektor, dass er das ja gerne tun würde, dass aber die Schulbehörde dafür kein Geld mehr zur Verfügung habe.

Was bleibt mir anders übrig Anstatt nur einmal auszuhelfen, bringe ich den Lehrern, die später den Kindern das Computern beibringen sollen, in Crashkursen zuerst einmal selbst die Grundbegriffe des Computer-geschäfts bei. Da hat man also in Bangkok ganz richtig erkannt, dass die weitere Entwicklung des Landes und der Anschluss an das Weltniveau entscheidend davon abhängen, wieviel junge Leute in Zukunft in der Lage sein werden, mit Computern arbeiten zu können. Man kauft den Schulen also für teures Geld Computer, denkt dann aber nicht daran, dass man den Umgang damit erst einmal lernen muss, und das gilt natürlich vor allem für die Lehrer, die die Kinder darin unterweisen sollen.

In unserem Dorf geht die Geschichte noch einmal gut, weil hier zufällig ein Farang wohnt, der zum einen in dem Geschäft fit ist, zum anderen viel Zeit hat, und dazu auch noch genug Thai spricht, um sich verständlich zu machen. An anderen Schulen, wo dies nicht der Fall ist, werden die teuren Geräte wahrscheinlich unbenutzt herumstehen oder solange malträtiert werden, bis sie abstürzen, und dann überhaupt keiner mehr weiter weiss.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf in seinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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