Mit Bus und Bahn über Land

Nach einem Verkehrsunfall türmen die meisten Bus- und Lkw-Fahrer

Von Günther Ruffert

Wenn man nicht selber fährt, sondern Bus oder Eisenbahn benutzt, so sind die Fernverkehrsverbindungen für ein Entwicklungsland und vor allem für Thais - ansonsten nicht gerade Muster an
Verlässlichkeit und Berechenbarkeit - erstaunlich gut und zuverlässig. Eisenbahnen und Fernbusse verkehren häufig, sind pünktlich und nach unseren Massstäben relativ billig.

Die etwa 400 Kilometer lange Fahrt im klimatisierten Bus von Bangkok nach Surin kostet z. B. nur etwa 200 Baht. Die Reisebusse fahren meist stündlich von mehreren grossen Busbahnhöfen in
Bangkok sternförmig in alle Gebiete Thailands ab, wobei vor allem in den Norden und Süden erhebliche Distanzen, zum Teil über 1.000 Kilometer, zu überwinden sind.

Die Sitze der Busse sind allerdings für die körperlich kleinen Thais und nicht für die langen Beine der Farang konzipiert, so dass eine acht- bis zehnstündige Fahrt schon zur Strapaze werden
kann. Dafür werden aber in den Bussen von Stewardessen Getränke und Snacks angeboten, und alle paar Stunden wird an einem Rasthaus eine Pause eingelegt, so dass man sich etwas die Beine
vertreten und zur Toilette gehen kann.

Vor allem in den billigeren, nicht klimatisierten Bussen, in denen alles transportiert wird, was sich durch die Türen zwängen lässt, sind die Busfahrer oft verhinderte Rennfahrer und versuchen,
auf den Überlandstrecken ohne Rücksicht auf den Gegenverkehr und den Zustand der Reifen und Bremsen ihres Fahrzeuges alles herauszuholen, was die alten klapprigen Kisten hergeben. Wenn sie ihre
lautstarken Signalhörner ertönen lassen, verdrücken sich die anderen Verkehrsteilnehmer schleunigst an den Strassenrand.

Fahrer schlucken Aufputschmittel

Dazu sind die Fahrer noch oft übermüdet, da sie die langen Strecken in einem Zuge ohne Ersatzfahrer bewältigen müssen. Sie sitzen dann nicht selten 15 Stunden und mehr ununterbrochen am Steuer
und schlucken Aufputschmittel, um durchzuhalten. Das gilt noch mehr für die Lkw-Fahrer, die sich - obwohl unter Strafe stehend - an jeder Tankstelle mit den nötigen Tabletten versorgen können.
So kann man dann regelmässig in den Zeitungen von schweren Verkehrsunfällen lesen, an denen meist Lkw beteiligt waren, und bei denen es oft nicht ohne eine Reihe von Toten abgeht.

Im Jahr 1994 gab es z.B. über 14.000 Verkehrstote auf Thailands Strassen, also mehr als in Deutschland, wo das Strassennetz wesentlich dichter und dieMotorisierung erheblich höher ist als in
Thailand.

Grundsätzlich wird jeder Thai-Fahrer eines an einem Unfall beteiligten Fahrzeugs das Weite suchen, sofern er noch irgendwie davonhumpeln kann. Wenn in einer Zeitungsmeldung über einen schweren
Verkehrsunfall die regelmässige letzte Zeile fehlt „Der Fahrer des Busses/Lkw flüchtete vom Unfallort“, dann kann man sicher sein, dass der Fahrer bei dem Unfall getötet oder zumindest schwer
verletzt wurde.

Manchmal gelingt es dem Fahrer sogar, schon vor dem Unfall zu türmen. So sprang der Fahrer eines voll besetzten Busses, als er auf einer abschüssigen Strasse merkte, dass seine Bremsen
versagten, aus dem Führersitz und war bereits um die nächste Ecke verschwunden, als sein Fahrzeug am Ende der Strasse in einen geschäftigen Markt hineinrauschte.

Ich habe noch nie gelesen, dass man solch einen flüchtigen Fahrer geschnappt hätte. Böse Zungen vermuten, dass sich irgendwo im öden Norden des Landes ein Zufluchtsort für all diese flüchtigen
Typen befindet. Dieser müsste inzwischen eine der grössten Einwohnerzahlen aller Städte in Thailand haben.

Weniger riskant ist die Reise mit der Eisenbahn. Hier kann man wenigstens sicher sein, dass einem in der Gegenrichtung kein schwerer, mit mehreren Tonnen Betonpfählen überladener Laster
entgegenkommt. Besonders schnell sind die Züge, die alle auf Schmalspurgleisen fahren, allerdings nicht.

Wenn ein Zug mit über 40 km/h fährt, steht er schon als „Rapid“ im Fahrplan der staatlichen Eisenbahn, und wenn er nicht an jeder, sondern nur an jeder dritten Station hält, ist es ein
„Express“. Man kommt aber über lange Strecken nicht nur sicher und pünktlich ans Ziel, sondern hat auch eine Menge Abwechslung während der Fahrt.

Auf dem Land gibt es in den Städten auch noch richtige Fahrradrikschas, auf denen sich ein armer Hund abstrampelt, um die Fahrgäste durch die Gegend zu ziehen. Obwohl mir die Rikschafahrer
immer leid tun, hat man in manchen Städten, z. B. in Surin, gar keine andere Möglichkeit, mit seinem Gepäck vom Busbahnhof zu einem Hotel zu kommen, als in solch ein Vehikel zu klettern.
Ausserdem ist dem armen Kerl, der ja in dieser Gegend oft gar keine andere Möglichkeit hat, für den Unterhalt seiner Familie Geld zu verdienen, auch nicht damit geholfen, wenn man aus Mitleid
darauf verzichtet, seine Dienste in Anspruch zu nehmen.

Vorsicht ist für die Farang im Übrigen auch bei der Benutzung von Motorrädern oder Mopeds geboten, die man in den Touristenzentren mieten kann. Wenn der Ausländer auf solch ein Motorrad
klettert, das in Pattaya oder Phuket überall am Strassenrand zu mieten ist, sollte er sich darüber klar sein, dass die Maschine wahrscheinlich vor ihm schon von hundert anderen Farang
malträtiert worden ist und seine Fahrweise entsprechend einrichten. Kommt es zu einem Unfall, an dem ein Thai beteiligt ist, so ist meistens der Farang schuld und hat hoffentlich genug Geld, um
Motorradreparatur und Schmerzensgeld für den Thai, nicht zu vergessen das „Tee-Geld” für die Polizisten, zu bezahlen.

Thais, die als Zeugen des Unfalls den Farang entlasten könnten, gebietet es das nationale Selbstverständnis, ihre Zeugenaussagen so zu machen, dass ihr Landsmann gut wegkommt. Wenn ein Farang
mit seinem Motorrad einen Unfall mit einem Thai-Verkehrsteilnehmer hat, wird er deshalb - falls er diesem nicht erkennbare Selbstmordabsichten nachweisen kann - nicht um das Zahlen eines
erheblichen Betrags herumkommen. Falls es ihm nicht gelingt, die Sache an Ort und Stelle zu regeln, bleibt er dann erst mal auf der Polizeistation, oder sein Pass wird solange eingezogen, bis
er die eventuell fällige Strafe, nebst „Tee-Geld” für die Polizei und eine Entschädigung für den thailändischen Unfallbeteiligten bezahlt hat.

Natürlich wird hier dann die Möglichkeit ausgenutzt, von einem „reichen“ Farang zu kassieren. Thais sind der Meinung, dass der Farang grundsätzlich immer schuld ist, denn wäre er zu Hause
geblieben, dann wäre der Unfall nicht passiert. Eine etwa bestehende Versicherung kann man als Farang vergessen. Es erfordert eine Unmenge Papierkrieg und mehrere Monate, um berechtigte
Versicherungsansprüche ausbezahlt zu bekommen.

Auf einige Besonderheiten, die den Strassenverkehr im Isaan mit zusätzlichen Risiken belasten, ist hier noch hinzuweisen. Das sind zunächst die vielen Hunde. Augenscheinlich gibt es in den
Dörfern noch mehr Hunde als Kinder. Die Köter halten sich grundsätzlich nicht nur auf der Strasse auf, sondern sind der Meinung, dass die Strasse ihnen gehört und alle anderen
Verkehrsteilnehmer also im Bogen um sie herumzufahren haben.

Ein weiteres Problem sind die freilaufenden Wasserbüffel, die trotz der Regierungsprogramme nicht flächendeckend der Strassenverkehrsordnung mächtig sind und deren grosse, mitten auf der
Asphaltstrasse platzierte Haufen besonders bei Regenwetter eine akute Gefahr für Motorradfahrer darstellen.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und
Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und
Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf in
seinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus
unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im
Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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