Immer nur lächeln

Die Bedeutung ist vielschichtig: Freude, Spass, Verlegenheit, aber auch Zorn

Von Günther Ruffert

Jeder Thailand-Besucher hat schon irgendwo gelesen, dass Thailand das Land des Lächelns ist. Bei seiner Ankunft wird er bald sehen, dass das wahr ist. Die Menschen lächeln hier oft und viel. Das erweckt den Eindruck, Thais wären besonders freundliche Leute. Das trifft zwar im Grossen und Ganzen zu, ist aber nicht die ganze Wahrheit.

Thais lächeln bei jeder passenden, in unseren Augen auch bei jeder unpassenden Gelegenheiten. Ausländer müssen schon einige Zeit im Land und unter Thais leben, um zu verstehen, dass das dauernde Lächeln ganz unterschiedliche Bedeutung haben kann.

Thais sind mit der Fähigkeit gesegnet, für den Augenblick zu leben. So geniessen sie jeden Augenblick des Lebens. Unerfreuliche Dinge werden weitmöglichst beiseite geschoben oder einfach umgangen. So gesehen ist das Lächeln ein Ausdruck der Lebensfreude.

Da die Thais gewöhnt sind, in jeder Situation zu lächeln, sind sie oft der falschen Meinung, dass der gelangweilt oder mürrisch aussehende Farang - weil er gerade keinen Grund zum Lächeln sieht - wegen irgend etwas sauer wäre. Wenn ich an einer Bar sitze und in aller Ruhe mein Bier trinke, werde ich totsicher gefragt, ob ich traurig oder böse wäre, nur weil ich nicht lächle.

Das Lächeln ist oft auch ein Lächeln der Verlegenheit oder um keine Emotionen zu zeigen. Wenn ein Farang im vollbesetzten Bus mit seinen Schuhen versehentlich einer kleinen Thai auf ihre unbeschuhten Zehen tritt, kann es ihm passieren, dass sie ihn anlächelt, obwohl ihr die Tränen vor Schmerz in die Augen schiessen. Es lächelt auch der Taxifahrer, der sich das Geschimpfe eines Farang anhört, den er anstatt zum Hauptbahnhof zum Königspalast gefahren hat, weil er ihn falsch verstanden hat und nach seiner Erfahrung die meisten Farang zum Königspalast wollen. Da hat das Lächeln eher eine Überlebensfunktion, wie beim Dackel, der sich auf den Rücken legt, um zu signalisieren: bitte tu mir nichts.

Lächeln ersetzt in vielen Situationen ein „Dankeschön“, vor allem für kleinere Dienstleistungen. Ein Lächeln, verbunden mit einem leichten Kopfnicken, drückt „ein bisschen Dankeschön“ aus. Wenn ein Lächeln erwidert wird, heisst das soviel wie „bitteschön“.

Thais lächeln auch immer dann, wenn sie etwas nicht verstehen. Wenn z. B. der Farang einen Mann auf der Strasse fragt, ob dies der nächste Weg zu seinem Hotel wäre, wird dieser zustimmend lächelnd nicken, auch wenn er kein Wort verstanden hat. Das lässt den Farang dann fälschlicherweise glauben, dass er verstanden worden ist und dass die ihm lächelnd gegebene Auskunft stimmen würde.

Ein strahlendes Lächeln wird aufgesetzt, wenn ein Thai miterlebt, dass dem Farang ein Ungemach passiert, z. B. wenn er gegen ein tiefhängendes Reklameschild läuft oder über eines der vielen Schlaglöcher im Bürgersteig stolpert und auf die Nase fliegt. Ein Farang wird kaum lachen, wenn er sieht, wie eine Person in voller Kleidung in den Swimmingpool fällt. In Thailand werden die Leute immer lachen, wenn sie in eine solche oder ähnliche Situation kommen, nicht aus Schadenfreude, sondern weil sie das einfach komisch finden.

Schliesslich ist Lächeln auch ein typischer Ausweg der Thais, um Konflikte zu lösen oder - noch besser - zu vermeiden. Thais stehlen sich mit einem Lächeln aus unangenehmen Situationen davon, ohne etwas zu sagen, worauf man sie später festnageln könnte. Dies macht den Farang oft wütend, entspricht aber der Thai-Philosophie, in jeder Situation „chai yen“, d. h. ein kühles Herz, zu bewahren. Dieses Lächeln kann am besten mit „kein Kommentar“ übersetzt werden.

Für den Farang ist Lächeln ein Zeichen von Vergnügen und Wohlbefinden. In vielen Situationen wäre es unangebracht oder gar unhöflich zu lächeln. In Thailand ist das Lächeln ein wesentlicher Teil des täglichen Lebens.

Der skeptische Ausländer, der schon viele Jahre in Thailand verbracht hat, meint allerdings feststellen zu können, dass das typische Thai-Lächeln in dem Masse abnimmt, wie das Land von Farang überlaufen wird. Vor allem in touristischen Gegenden haben sich die Thais im Umgang mit Ausländern das Lächeln oft abgewöhnt. Sie lächeln höchstens dann, wenn abends die Kasse gemacht wird.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf in seinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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