Geister brauchen ein Domizil

Für das Aufstellen von Geisterhäuschen gibt es feste Regeln

Besuchern des Isaan fallen die vor jedem Haus auf hohen Pfählen stehenden Geisterhäuschen auf. Das grössere dieser Häuschen dient dem Erdgeist „Dschao Thi“ als Wohnsitz, den man beim Bau desHauses aus dem Boden vertrieben hat. Die Menschen glauben, dass jedes Stück Land von einem Geist bewohnt wird. Will man also auf einem Grundstück ein neues Haus bauen, so ist es erforderlich,dem aus dem Boden des Bauplatzes vertriebenen Erdgeist ein neues Domizil anzubieten, damit er nicht mit den Menschen zusammen in dem neuen Haus wohnen muss. Neben dem grösseren Häuschen stehtmeist noch ein kleineres für den „Dschao Phum“, den Luftgeist.

Vor dem Aufstellen der Geisterhäuschen wird zunächst der Dorfschamane befragt, der einen günstigen Platz ausmacht. Dabei gibt es natürlich ein paar Regeln. So darf der Schatten des neuen Hausesauf keinen Fall auf das Geisterdomizil fallen. Wenn diese Regeln nicht beachtet werden, kann es sein, dass die Geister nicht geneigt sind, ihr neues Zuhause zu beziehen, und das kann dann böseFolgen für die Hausbewohner haben.

Auch für die Form eines solchen Häuschens gibt es Regeln. Da die Geister aber alle anscheinend den gleichen Geschmack haben, ist es möglich, solche Häuser in Serienproduktion aus Betonherzustellen. In den Baustoffhandlungen werden neben allen Dingen, die man zum Hausbau braucht, auch fertige Geisterhäuschen in verschiedenen Grössen und Preislagen angeboten.

Das Geisterhäuschen ruht auf einer Säule aus Holz oder Beton, hoch genug, um Respekt auszudrücken, aber niedrig genug, um Opfergaben überreichen zu können. Die Plattform muss immer mindestensin Augenhöhe angebracht werden, denn eine niedrigere Bauweise könnte die Geister erzürnen.

Auf der Plattform der Geisterhäuschen stehen kleine Ton- oder Holzfiguren wie Tänzerinnen, Elefanten oder Pferde. Oft ist sogar eine regelrechte Puppenstube eingerichtet, um den Geistern dasWohnen angenehm zu machen. Einmal in der Woche, und vor allem zu festlichen Gelegenheiten, werden kleine Schälchen mit Essen und Trinken dazu gestellt, damit es den guten Geistern auch annichts mangelt. Auch Coca-Cola oder ein Gläschen Mekhong wird angeboten.

Manchmal - vor allem wenn sie direkt an der Strasse stehen - sind die Häuschen auch mit bunten Lichterketten geschmückt, die bei Dunkelheit aufblinken. Für den Farang sehen sie oft wie bunte Vogelhäuschen aus. Auch vor Behörden, Banken, in Parks und sogar vor manchen Bars haben sie ihren festen Platz. Vor manchen grossen Hotels oder Einkaufszentren hat man wahre Paläste für dieGeister errichtet.

Wenn ein Geisterhäuschen vernachlässigt wird, so wird der Bewohner dafür sorgen, dass das auf dem Grundstück stehende Haus in den selben Zustand gerät. Wenn er gar sein vernachlässigtesHäuschen verlässt, so kann dies grosses Unglück über die Hausbewohner bringen. Diese Geisterhäuser sind übrigens keineswegs ein buddhistischer Brauch, wie die Farang meistens denken. Sie sindbrahmanischen Ursprungs und von den Thai vor vielen Jahren übernommen worden.

Häufig sieht man solche Geisterhäuschen auch an unfallträchtigen Strassenstellen oder den Orten von Verbrechen, da hier nach dem Glauben der Menschen ein besonders böser Geist sein Unwesentreiben muss. Die Errichtung der Geisterhäuschen an solchen Stellen geschieht dann meist durch Personen, die ein Gelübde erfüllen.

Einige dieser Geisterhäuser haben mittlerweile auch besondere Bedeutung erlangt - so z. B. das Geisterhaus beim Erawan-Hotel in Bangkok. Beim Bau des Hotels gab es ungewöhnlich viele Unfälle.Nach Befragung der dafür zuständigen Experten kam man zu dem Schluss, dass die Ortsgeister verstimmt seien, weil man auf dem Grundstück einige Bäume gefällt hatte, auf denen die Geisternormalerweise ruhten. Um sie wieder zu besänftigen, war es also erforderlich, so schnell wie möglich einen grossräumigen Schrein für sie zu bauen, wonach die Arbeiten ohne weitere Probleme zuEnde gebracht werden konnten.

Der damals errichtete Brahma-Schrein, der ursprünglich aufgestellt wurde, um Unglück von der Baustelle fernzuhalten, wird heute aber wegen seiner vielen Wunder täglich von Tausenden vonMenschen besucht und ist zu einem regelrechten Wallfahrtsort geworden. Das Hotel-Management musste um den Schrein herum einen besonderen Tempelhof errichten, um Platz für die vielen Bittstellerzu schaffen. Die Besucher erhoffen sich Glück in den alltäglichen Dingen des Lebens, wenn sie hier ein Opfer darbringen. So werden an diesem Ort regelmässig grosse Mengen Blumengebinde undkleine Holzelefanten niedergelegt, die laufend wieder beseitigt werden müssen, um der wahren Flut der Opfergaben Herr zu werden. Eine Truppe von einem Dutzend Tempeltänzerinnen intraditionellen Kostümen steht darüber hinaus für die bereit, die den hier wohnenden Geist durch eine dargebrachte Tanzdarbietung günstig stimmen wollen.

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