Geburtstagsparty auf dem Dorf

Für den Jubilar gibt’s weisse Bändchen Geldscheine und Glückwünsche

Von Günther Ruffert

Mancher Besucher, der im Jahr 1999 nach Bangkok kam, wird sich vielleicht über die riesengrossen Porträts des Königs in den Strassen gewundert haben, mit denen Seiner Majestät zum 72. Geburtstag Glück und langes Leben gewünscht wurde. Auch wer mit Thai Airways International geflogen ist, wird sich sicher gefragt haben, warum alle Maschinen mit Glückwünschen zum 72. Geburtstag des Königs bemalt waren.

In der buddhistischen Tradition hat jeder Geburtstag im 12-Jahreszyklus eine besondere Bedeutung. Erst recht natürlich der 72. Geburtstag, denn nicht allen, die dieses reife Alter erreicht haben, wird vergönnt sein, auch noch ein weiteres Dutzend Jahre bis zum 84. Geburtstag voll zu machen. Das alles gilt natürlich nicht nur für Majestäten, sondern trifft auch für gewöhnliche Sterbliche zu, so wie ich einer bin.

Nun befand ich mich zu meinem 72. Geburtstag nicht in Thailand, sondern in Deutschland, und ausser den üblichen Geburtstagsgrüssen von Kindern und Freunden nahm niemand besondere Notiz von diesem Festtag. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Meine Thai-Frau war der Meinung, dass wenn schon nicht der 72., dann eben der 73. Geburtstag gebührend gefeiert werden müsste. Schon Wochen vor dem grossen Tag wurde ich im Dorf immer wieder gefragt, wann denn nun die grosse Geburtstagsparty stattfinden würde.

Am Morgen des Festtages fuhren wir mit dem Pick-up zum Einkauf der notwendigen Sachen auf den Markt. Meine Frau hatte nach Konsultation mit der Familie eine grosse Liste gemacht mit all den Dingen, die für eine vernünftige Party erforderlich erschienen. Ich war zwar der Meinung, dass zehn Kartons (120 Flaschen) Chang-Bier und zehn Flaschen 40%er Reisschnaps etwas reichlich seien, aber meine Frau beruhigte mich und meinte, ich sollte mir über den vollständigen Verzehr der Spirituosen keine Gedanken machen.

Die Scheune wurde zur Festhalle

Als wir mit vollgeladenem Pick-up vom Markt zurückkamen, waren gerade ein paar Jungen dabei, unsere grosse Scheune mit Luftballons und Girlanden zu einer Festhalle umzuwandeln und dazu auch eine riesengrosse Lautsprecheranlage aufzubauen. Mir schwante Böses für mein armes Trommelfell, aber ohne Musik, und zwar sehr laute Musik, ist im Isaan keine Feier denkbar. Am frühen Nachmittag wurde dann von einigen Nachbarn hinter der Scheune aus ein paar Blocksteinen und Bambusstäben ein grosser Rost gebaut, auf den dann die zerteilten Stücke des von mir zu dieser Feier gekauften 35 Kilo schweren Spanferkels gelegt wurden. Das Ganze wurde mit Bananenblättern abgedeckt, und der Braten brutzelte langsam vor sich hin.

Inzwischen trafen die ersten Gäste ein, hockten sich im Kreis auf den Zementboden der Scheune und begannen auf mein Wohl zu trinken. Nun kam die Party langsam in Gang, immer mehr Gäste trudelten ein, Leute die ich kannte und auch viele, die ich nicht kannte. Alle schluckten kräftig mit und taten sich an dem saftigen Schweinebraten gütlich. So gegen 20 Uhr war alles Trinkbare durch die durstigen Kehlen geflossen, und von da an war ständig ein Junge mit dem Motorrad unterwegs, um Nachschub ranzukarren.

Auf dem Höhepunkt der Feier wurde ein Tablett mit kleinen Schälchen voll Ess- und Trinkbarem vor mich hingestellt, der Dorfschamane und ein paar alte Leute hockten sich im Kreis darum, jeder schüttete aus einem Glas etwas Bier oder Schnaps über die Schälchen und erbat den Segen der Geister für mich. Dann kam jeder der Anwesenden, band ein weisses Bändchen um mein Handgelenk, steckte einen Geldschein hinter das Bändchen und wünschte mir Glück.

Irgendwann im Laufe des Abends merkte ich dann, dass ich mir doch etwas zu viel zugemutet hatte, mit jedem der über 50 Gäste einzeln anzustossen und einen Schluck auf mein Wohl zu trinken. Während die Party weiter ging, suchte ich also meine Lagerstatt auf, und selbst der Riesenlärm konnte mich nicht daran hindern sofort einzuschlafen.

Ein paar Tropfen für die Hausgeister

Als ich am nächsten Tag so gegen Mittag wieder auf die Beine kam und das Schlachtfeld besichtigte, war alles schon wieder sauber aufgeräumt. Nur ein Riesenberg leerer Flaschen und ein grosser nasser Fleck auf dem Zementboden, der fürchterlich nach Alkohol stank, zeugten von der Mordsparty. Jeder der Anwesenden hatte nämlich, bevor er den ersten Schluck aus seinem Glas nahm, ein paar Tropfen als Opfer für die Hausgeister auf den Boden geschüttet.

Es war jedenfalls die schönste Geburtstagsparty in meinem Leben, und alle Anwesenden haben eine Menge „sanuk“ gehabt, mit Ausnahme des Spanferkels natürlich.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf in seinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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