Festumzug zur Hauseinweihung

Neun Mönche bringen den Segen Reichlich Essen, Alkohol und Lärm

Auch die Kleinen dürfen beim Festumzug nicht fehlen
Auch die Kleinen dürfen beim Festumzug nicht fehlen

Von Günther Ruffert

Ein Haus muss nicht nur ordentlich gebaut, sondern auch den alten Bräuchen entsprechend eingeweiht werden, wenn die Bewohner glücklich darin leben sollen. So natürlich auch unser Haus.

Nach vielen Mühen und dem für Farang beim Hausbau unvermeidlichen Ärger, weil es Handwerker im Allgemeinen und Thai-Handwerker ganz besonders mit der sauberen und geplanten Ausführung nicht so genau nehmen, ist endlich der grosse Tag gekommen. Am Abend vorher haben die Fliesenleger bei Lampenlicht noch die letzten Platten angeklebt.

Morgens früh ist meine Frau schon um halb drei aufgestan-den, um zum Markt zu fahren und für das grosse Fest einzukaufen. Von dem ganzen Pick-up voll Waren, mit dem sie vom Markt zurückkam, sind mir nur 20 Flaschen Thai-Whisky (40 Prozent) und 10 Kartons Bier mit je 12 Flaschen, also 120 Flaschen, im Gedächtnis geblieben. Ich hatte aber so meine Bedenken, ob das ausreichen würde.

Morgens beginnen auch langsam die Gäste für die grosse Feier am Abend einzutrudeln. Während die Männer im Vorbau auf der Bank sitzen und anfangen die Alkoholitäten zu konsumieren, hocken dieFrauen zusammen und bereiten das grosse Festessen für den Abend vor. Alles unter einem grossen Zeltdach, das am Abend vorher aufgestellt wurde. Weniger um vor einem eventuellen Gewitterguss alsvor der brennenden Sonne Schutz zu bieten.

Meine Frau ist gestern den ganzen Tag herum gefahren und hat nur Familie zu dem Fest eingeladen. Da die Familie aber mit dem ganzen Dorf und auch noch einigen Nachbardörfern versippt ist, dürften wohl an die hundert Leute zusammen kommen. Dazu natürlich die Hauptsache: neun Mönche, die abends um neun kommen, um das neue Haus einzusegnen.

Mit lautem Heulen und Geschrei

Gegen fünf Uhr nachmittags ist dann die ganze Festversammlung eingetrudelt, tatsächlich über hundert Familienmitglieder. Vor dem Haus formiert sich die ganze Gesellschaft zu einem Zug. Alles, was von der Hauseinrichtung tragbar ist - Matratzen, Stühle, Töpfe usw. - hat sich jemand aufgeladen, und nun zieht der ganze Zug, der Grossvater mit einem Regenschirm an der Spitze, mit lautem Heulen und Geschrei dreimal um das Haus.

Anschliessend geht es in das Obergeschoss, wo an allen Pfosten Blumen, Früchte und Reisigbüschel aufgehängt sind. Die ganze Gesellschaft setzt sich nieder, das Hausbesitzerpaar in der Mitte. Nun beginnt eine Zeremonie, die sowohl das Haus wie auch das junge Paar einsegnet. Ausgeführt wird das alles vom Adschahn, was eigentlich Lehrer oder Meister bedeutet, hier im Dorf aber derZeremonienmeister für alle festlichen Angelegenheiten ist.

Nach einer ganzen Reihe von Zeremonien und Segenssprüchen, die dem Farang sowieso völlig unver-ständlich sind, legt der Adschahn die Hände des Paares übereinander auf ein Kissen, auf dem einStössel und noch ein anderer kleiner Hausratgegenstand liegen und bindet dann unter Segenssprüchen die Hände des Paares mit einer weissen Kordel zusammen. Noch ein paar Segenssprüche und eine ordentliche Dusche aus geweihtem Wasser mit dem Reiserstrauch, und der offizielle Teil ist gelaufen.

Jetzt kommt aber noch jeder der Anwesenden zum Glückwünschen, bindet dem Paar eine weisse Kordel um das Handgelenk und legt einen Geldschein in die offenen Hände; je nach Vermögen zwischen 20und 100 Baht.

Anschliessend wird die Zeit bis zum Eintreffen der Mönche mit Essen und Trinken verbracht. Die Mönche treffen gegen 9 Uhr abends ein, und jetzt zieht die ganze Gemeinde wieder ins Obergeschoss. Ich habe so meine Bedenken, ob die Holzdecke die Lasten aushält und hätte die ganze Veranstaltung lieber im Erdgeschoss abgehalten, wo im übrigen auch mehr Platz ist. Das geht aber nicht, weil dann jemand den Mönchen über den Kopf laufen könnte.

Die neun Mönche platzieren sich an einer Wand und die ganze Gemeinde davor. Alles sitzt natürlich auf dem Boden in der geziemenden Sitzhaltung, das heisst die Beine nach hinten abgewinkelt und dabei praktisch auf den Unterschenkeln sitzend.

Langsam schlafen die Beine ein

Für den Thai ist diese Sitzhaltung normal, für den ungeübten Farang aber eine Qual, die er nicht länger als fünf Minuten durchhält. Nun dauert das eintönige Gebet der Mönche aber eine halbe Stunde, so dass mir, obwohl ich häufig die Seite wechsle, langsam die Beine einschlafen. Ganz kritisch wird es dann, wenn – was während des Gebets mehrere Male in Abständen geschieht – sich die ganze Gemeinde nach vorne neigt, mit den Handflächen und mit der Stirn den Boden berührend. Der Farang, der das aus der besch-riebenen Sitzhaltung heraus versuchen würde, kippt unweigerlich um, was dann nicht unbedingt zur feierlichen Stimmung der Veranstaltung, wohl aber zum Gaudi der Anwesenden beiträgt.

Nach dem der Obermönch alle Anwesenden und das ganze Haus (meinen Laptop eingeschlossen) reichlich mit gesegnetem Wasser eingesprüht hat, ist der offizielle Teil beendet. Nun geht das Feiern richtig los. Jetzt kommt auch das wichtigste Requisit der Veranstaltung voll zur Geltung: die Musik. Schon am Vortage war eine Lautsprecheranlage aufgebaut worden, die zur Beschallung eines Grossraumstadions völlig ausgereicht hätte. Davor sitzt ein Diskjockey, der eine Kassette, meist mit Songs aus dem Isaan, einschiebt, und im Übrigen dafür sorgt, dass die Lautstärke voll aufgedreht bleibt und vor allem die Bässe nicht zu kurz kommen. Das Ding läuft – mit Ausnahme der Zeit, in der die Mönche beten – den ganzen Tag und auch noch fast die ganze Nacht.

Als ich mich gegen Mitternacht nach reichlichem Alkoholverzehr in meine Koje zurückziehe, kann ich kein Auge zumachen. Die dröhnenden Bässe geben mir das Gefühl, dass direkt vor meinem Fenster eine Dampframme Pfähle in den Boden rammt. Als das Ding auf meinen energischen Protest gegen 3 Uhr nachts endlich abgestellt wird, bekomme ich trotzdem nur zwei Stunden Schlaf, denn um 5 Uhr morgens geht es wieder in voller Lautstärke los.

Nun beginnt der zweite Tag der Veranstaltung. Um 7 Uhr morgens rücken die Mönche vom Vortag wieder an. Nachdem die Lautsprecher von der Dauermusik auf den mit einem Mikrofon bewaffneten Obermönch umgeschaltet wurden, beginnt dieser wieder mit endlosen Sprüchen in einer Sprache, die keiner versteht. Von Zeit zu Zeit werden aber allgemein bekannte Passagen von der ganzen Gemeinde im Chor wiederholt. Nach dem Obermönch kommt der Reihe nach jeder Mönch mit seinem Sermon an die Reihe; alles wird durch Lautsprecher nach draussen übertragen, so dass das ganze Dorf, soweit nicht schon im Festraum anwesend, alles mitbekommt.

Nach zirka zwei Stunden ist alles überstanden. Der Obermönch zündet eine geweihte Kerze an, lässt sie in einen Eimer Wasser abtropfen und beregnet anschliessend die ganze Gemeinde wieder reichlich mittels eines Reisigbesens mit geweihtem Wasser.

Nach Beendigung der Feierlichkeit und Überreichung eines 100 Baht enthaltenden Briefumschlags an jeden Mönch geht es nun an die Abfütterung der heiligen Männer. Die Frauen haben schon zwei Tagelang gebrutzelt und gebacken, so dass nun alle vorhandenen Töpfe und Pfannen mit den köstlichen Sachen gefüllt sind.

Nachdem die Mönche satt und wieder abgezogen sind, beginnt auch die Festversammlung, unter reichlichem Alkoholgenuss und natürlich wieder mit voll aufgedrehten Lautsprechern, mit dem Gelage.Gegen Mittag beginnen dann die ersten Gäste - die ja vergangene Nacht kaum geschlafen haben - schläfrig zu werden, und langsam läuft alles auseinander. Der Musikjockey baut seine Anlage ab, unddie Familie beginnt mit dem Aufräumen.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und

Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf inseinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten ausunterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und imCentral Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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