Die Khmer-Tempel im Isaan

Sakrale Monumente entstanden zu Beginn des letzten Jahrtausend

Phimai ist der grösste im Khmer-Stil errichtete Tempelkomplex im Nordosten des Landes. Prasat Hin Phimai wurde im frühen 12. Jahrhundert erbaut.
Phimai ist der grösste im Khmer-Stil errichtete Tempelkomplex im Nordosten des Landes. Prasat Hin Phimai wurde im frühen 12. Jahrhundert erbaut.

Der Nordosten Thailands ist wahrscheinlich der geeignetste Ort, um die grossartige Kultur des Khmer-Reiches wenigstens in ihren Überresten kennen zu lernen. Jedermann hat schon von Angkor Wat gehört oder gelesen, der riesigen Tempelruine in Kambodscha, die erst Anfang des letzten Jahrhunderts von französischen Archäologen entdeckt und in jahrzehntelanger Arbeit freigelegt wurde. Im Wat Phra Keo, neben dem Königspalast in Bangkok, in dem mit dem Emerald Buddha das thailändische Nationalheiligtum aufbewahrt wird, steht ein grosses Modell dieser weltberühmten Tempelanlage. Und viele Touristen fliegen von Bangkok aus dorthin.

Weniger bekannt ist hingegen, dass es auch im Isaan, im Grenzgebiet zu Kambodscha, eine ganze Reihe sehenswerter Khmer-Ruinen gibt aus der Zeit, als das Grossreich der Khmer zu Beginn des letzten Jahrtausends weit über die Grenzen des heutigen Kambodschas hinausreichte und weite Teile des heutigen Laos und Thailands umfasste. Solche alten Tempel oder Ruinen werden allgemein Prasat genannt.

Die brahmanischen Herrscher Kamputscheas hatten, wie die Pharaonen, unter Einsatz von riesigen Sklavenherden ihre Macht durch prächtige sakrale Monumente verewigen wollen. Mit dem Untergang des Brahmaismus und dem Vordringen des Buddhismus wie auch mit dem Niedergang der Macht der kamputscheanischen Gottkönige wurden die Monumente dieser Kultur von den Menschen verlassen und schnell vom gefrässigen Dschungel so überwuchert, dass sie bald in Vergessenheit gerieten. Die Eingeborenen, die noch von diesen Ruinen wussten, fürchteten sich vor den dort hausenden Geistern und hüteten sich, in ihre Nähe zu kommen.

Erst als sich in der französischen Kolonialzeit europäische Archäologen für diese alten Kulturzeugnisse zu interessieren begannen, wurden die Ruinen langsam der Vergessenheit entrissen. In dem Masse, wie die für die Freilegung der Ruinen von den Archäologen angeheuerten Eingeborenen ihre Scheu vor den Geistern in den Ruinen verloren, begannen sie auch interessante Skulpturen oder Teile davon, wie Köpfe von Naga-Schlangen, mit denen die Mauern reichlich geschmückt waren, abzuschlagen und an europäische Liebhaber zu verhökern. Wo die Ruinen nicht zu weit von einem Dorf lagen, wurden sie sogar als Steinbruch für den Bau von Häusern und Strassen genutzt.

Erst nach dem letzten Krieg begann die Regierung in Bangkok sich dieses alten Kulturguts auf thailändischem Boden bewusst zu werden und erliess Gesetze zum Schutz der Ruinen. Mit Hilfe und vor allem mit den Geldern der UNESCO begann man damit, die Anlagen vollständig freizulegen und so weit wie möglich zu restaurieren.

Die bekannteste und grösste dieser Tempelanlagen ist wohl Phra Viharn, etwa 150 Kilometer südwestlich von Ubon. Die Ruinen liegen direkt an der Grenze, schon auf kambodschanischem Gebiet, können aber nur von thailändischer Seite aus betreten werden. Das Gebiet war lange Zeit zwischen Thailand und Kambodscha umstritten, wurde aber 1965 durch einen Internationalen Gerichtshof Kambodscha zugesprochen.

Ein kambodschanisches Visum ist für den Besuch dieser Tempel nicht erforderlich, wohl aber eine gute Kondition, um bei glühender Hitze mehrere hundert zum Teil verfallene Stufen zu erklettern und zu den auf der Spitze des Berges liegenden Ruinen zu gelangen. Die Grösse der Anlage ist erstaunlich, vor allem wenn man bedenkt, mit welchen technischen Mitteln vor 1000 Jahren die riesigen Steinblöcke herangeschafft und aufeinander getürmt wurden.

Die Anlage ist von Thailand erschlossen, aber noch nicht restauriert worden (es ist ja kambodschanisches Staatsgebiet). Täglich unternehmen mehrere tausend, an Wochenenden auch mehrere zehntausend Thais die mühsame Pilgerfahrt zu der weit ab von bewohnten Gebieten auf dem Berggipfel liegenden Kultstätte.

Ausser den dort zu besichtigenden Überresten der alten Tempelanlage hat man von dort oben einen guten Blick weit in das kambodschanische Land. Die kambodschanische Armee hat deshalb auch einen Beobachtungsposten und ein paar Unterstände eingerichtet. Die früher beide Seiten der zum Gipfel führenden steilen Pilgerallee säumenden Mauern mit Symbolfiguren sind heute von Andenkenbuden kambodschanischer Händler ersetzt worden, in denen man, wie auch rund um den grossen Parkplatz, alles mögliche zu erstaunlich billigen Preisen erstehen kann.

In der Nähe von Korat - zirka 60 Kilometer nordöstlich der Provinzhauptstadt - befindet sich Prasat Hin Phimai, eine gut rekonstruierte Khmer-Tempelanlage, die etwa um 1100 n. Chr. erbaut wurde. Die Anlage ist der Beginn einer zur Zeit der mächtigen Khmer-Könige erbauten Kette von Tempeln entlang der über 300 Kilometer langen Königsstrasse, die vom heutigen Korat nach Angkor Wat in Kambodscha führte.

Phimai ist ein beeindruckendes religiöses Monument des Khmer-Reiches. Der Tempel gehört zu den besten Beispielen der klassischen Khmer-Baukunst und ähnelt Angkor Wat im heutigen Kambodscha im Stil, wenn auch nicht in der Grösse.

Der Tempel liegt genau im Zentrum der alten Stadt Phimai, die von einer 650 Meter breiten und 1.000 Meter langen Mauer umschlossen wurde. Der Hauptschrein ist reichhaltig mit Skulpturen der Hindu-Götter Shiva und Vishnu sowie Szenen des grossen Hindu-Epos Ramayana verziert. Mauern mit vier grossen und majestätischen Toren umschliessen das fast quadratische eigentliche Tempelgebiet.

Strasse führte bis zum Angkor Wat

Das südöstliche Tor war früher mit einer direkten und gepflasterten Strasse über Hunderte von Kilometern mit der Hauptstadt des Khmer-Königreichs und der riesigen Tempelanlage Angkor Wat im heutigen Kambodscha verbunden.

Eine andere bedeutende Tempelanlage an dieser Strecke ist Phanom Rung, in der Nähe von Prakonchai in der Provinz Surin. Dieser Khmer-Tempelkomplex wurde zu Ehren des hinduistischen Gottes des Universums auf einem 1.300 Meter hoch liegenden erloschenen Vulkankegel errichtet und wird auch manchmal als das Angkor Wat Thailands bezeichnet. Der Tempelkomplex ist wohl das bedeutendste kulturhistorische Bauwerk in Nordost-Thailand, wird aber von ausländischen Touristen kaum besucht.

Die Harmonie zwischen dem Tempelkomplex und der umgebenden Landschaft bietet dem Besucher (auch wenn er sich wenig für Archäologie und Geschichte interessiert) Eindrücke, die noch lange nach dem Besuch anhalten und kaum vergessen werden. Ein 200 Meter langer und 12 Meter breiter Prozessionsweg, der exakt auf Angkor Wat in Kambodscha ausgerichtet ist, führt hinauf zu einer Brücke mit vier Naga-Schlangen. Eine steile Treppe über fünf Ebenen führt weiter nach oben zum Heiligtum. Jede dieser Ebenen auf der langen Treppe bietet einen immer spektakuläreren Ausblick auf das unten liegende Gelände und die Landschaft. Von ganz oben hat man eine phantastische Aussicht auf die malerische Umgebung.

Die Anlage ist nicht so gross wie Phra Viharn, wer aber die vielen Stufen bis zu den Ruinen erklommen hat, weiss auch dort, dass Khmer-Tempel zwar interessant zu besichtigen sind, dass sie dem europäischen Touristen aber einige Kondition abverlangen. Zum Glück kann man sich auch hier in den vielen um den Parkplatz herum gelegenen kleinen Thai-Restaurants bei einer guten Flasche Bier und einem gebratenen Hähnchen von den Strapazen erholen.

Brahmanische Klosteranlage

Wesentlich leichter fällt die Besichtigung der sieben Kilometer östlich von Phanom Rung gelegenen Tempelanlage Prasat Muang Tam. Diese relativ kleine Anlage liegt zu ebener Erde neben einem von den Khmer seinerzeit angelegten künstlichen See. Der Tempel ist inmitten einer gepflegten Parkanlage vollständig restauriert worden und gibt einen guten Eindruck der damaligen brahmanischen Klosteranlagen.

Alle hier beschriebenen Anlagen haben den Nachteil, dass sie weitab von allen Verkehrsverbindungen liegen. Man braucht also für den Besuch ein eigenes Fahrzeug oder man schliesst sich einer Bustour an, die von den in diesem Gebiet gelegenen Hotels angeboten werden.

Mit örtlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist dagegen die kleinere Tempelanlage Prasat Muang Tot, direkt an der kambodschanischen Grenze. Man fährt vom zentralen Busbahnhof in Surin mit einem lokalen Bus etwa zwei Stunden über Prasat bis zum Dorf Bahn Tamiang (Endstation). Dort kann man an der Bushaltestelle für 100 bis 150 Baht ein Motorradtaxi mit Fahrer mieten, der einen dann über eine zum Teil noch im Ausbau befindliche Asphaltstrasse rund zehn Kilometer bis zu den mitten im Busch gelegenen Ruinen bringt. Diese Tempelanlage ist besonders interessant für Leute, die gerne den ursprünglichen Zustand der Ruinen sehen möchten. Man hat zwar auch hier mit Restaurieren begonnen, dann ist aber wohl das von der UNESCO zur Verfügung gestellte Geld ausgegangen, so dass man sich weitgehend darauf beschränkt hat, die Anlage vom umgebenden Busch freizulegen.

Die Ruinen liegen, wie gesagt, direkt an der kambodschanischen Grenze und werden von Grenztruppen bewacht. Direkt hinter den letzten Steinen beginnt der weglose kambodschanische Busch. Es ist auch nicht ratsam, hier von den freigelegten Wegen abzuweichen, da im Busch immer noch Minen aus der Zeit der Roten Khmer liegen. Diese Anlage ist im Gegensatz zu den oben geschilderten Örtlichkeiten kaum bekannt, und nur alle paar Tage verirrt sich mal ein Tourist hierher.

Es gibt ausser den hier angeführten Beispielen für archäologisch interessierte Thailand–Touristen auch noch viele andere Möglichkeiten, die Überreste der vor rund 1000 Jahren hier blühenden Khmer-Kultur zu besichtigen.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau und Tochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau und Ernte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf in seinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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