Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Handelsblatt» zu Stoltenberg/Ukraine-Unterstützung

Stoltenbergs Versuch, eine Finanzierung über die Nato zu organisieren, ist jedenfalls nicht sehr Erfolg versprechend.

Es geht ihm offenbar darum, ein Erbe zu hinterlassen, wenn er zum Jahresende aus dem Amt scheidet. Doch reagieren die Mitgliedstaaten allergisch auf Geldforderungen aus Brüssel: Sie wittern immer den Versuch, ihnen die Hoheit über ihre Steuergelder streitig zu machen. Mit einiger Sicherheit wird der neueste 100-Milliarden-Vorschlag daher nicht wie geplant auf dem Nato-Jubiläumsgipfel in Washington im Juli beschlossen.


«Münchner Merkur» zu Schäuble/Stoiber

Es ist kein Staatsgeheimnis, das Wolfgang Schäuble, der größte aller CDU-Granden, da postum ausplaudert: Edmund Stoiber habe ihn 2015 auf dem Höhepunkt der Asylkrise aufgefordert, die Flüchtlingskanzlerin zu stürzen und selbst die Regierung zu übernehmen.

Freilich zündelte auch Schäuble selbst damals kräftig gegen Merkel. Als er im Herbst 2015 den Flüchtlingsstrom als "Lawine" bezeichnete, deuteten manche das als verstecktes Signal zum Aufstand. So "absurd", wie es Schäuble in seinen Memoiren hinstellt, war für den "Reservekanzler" der Gedanke also nicht, Merkel abzulösen. Besser wäre es gewesen, wenn die vor Merkel kuschenden CDU-Granden damals den Mut mancher CSU-Leute aufgebracht und die Kanzlerin energischer auf die Folgen ihrer Asylpolitik hingewiesen hätten. Das hätte Deutschland vor Schaden bewahrt, etwa dem Vertrauensverlust in die Politik der Union, der Erosion der Mitte und dem steilen Aufstieg der AfD.


«Dziennik»: Israels Glaubwürdigkeit ist auf dem Nullpunkt Politik-Ausland

WARSCHAU: Im Gazastreifen sind sieben Mitarbeiter einer Hilfsorganisation bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Dazu schreibt die polnische Zeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Mittwoch:

«Die Welt schaut zu, und Israel hört nicht auf, Krankenhäuser zu bombardieren und wahllos, systematisch und vorsätzlich Kinder, Journalisten sowie Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zu töten. Es blockiert die Lieferung humanitärer Hilfe, hungert den Gazastreifen aus, vertreibt die Palästinenser aus ihren Häusern, und seine Soldaten dokumentieren dies in den sozialen Medien. Und jetzt hat es auch noch die Residenz des iranischen Botschafters in Syrien angegriffen und bei einem Luftangriff sieben Vertreter der World Central Kitchen ermordet.

Wenn dies ein Zufall ist, wirft das ein schlechtes Licht auf die israelische Armee. Es bedeutet, dass sie die russische Strategie verfolgt - schießen und alles dem Erdboden gleichmachen. Wenn es sich nicht um einen Zufall handelt, ist die Entscheidung politisch gesehen fatal. Die World Central Kitchen ist eine angesehene Organisation. Die Welt kennt sie, ihr Hauptsitz befindet sich in Washington. Das Völkerrecht mag zwar aus Gummi sein, aber Israels Vorgehen in Gaza ist nicht zu rechtfertigen. Es handelt sich um Kriegsverbrechen. Israels internationale Glaubwürdigkeit ist auf dem Nullpunkt.»


«Wall Street Journal»: Bessere Antworten zu Havanna-Syndrom nötig

NEW YORK: Trotz einer aufsehenerregenden Recherche halten die US-Geheimdienste an ihrer Einschätzung fest, dass kein ausländischer Gegner für das sogenannte Havanna-Syndrom - rätselhafte Krankheitssymptome bei US-Diplomaten - verantwortlich ist. Dazu schreibt das «Wall Street Journal» am Dienstag (Ortszeit):

«All dies veranlasst uns und andere, sich zu fragen, warum die Geheimdienste so sehr darauf bedacht sind, auszublenden, dass Russland hinter dem Havanna-Syndrom stecken könnte. Möglicherweise wollen die Geheimdienste ihr Personal, ihre Quellen und die US-Bürger nicht verängstigen, zumal die Regierung nicht zu wissen scheint, wie sie die Vorfälle verhindern kann.

Auch ein Eingeständnis, dass ein ausländischer Gegner in der Lage ist, US-Amerikanern mit einer neuen Waffe Schaden zuzufügen, wird der amerikanischen Öffentlichkeit nicht gefallen. Die Geheimdienste machen sich womöglich auch (...) Sorgen über die Auswirkungen, falls Russland dafür verantwortlich ist. Die USA müssen dann womöglich einen weiteren Streit mit (dem russischen Präsidenten) Wladimir Putin austragen.

Dennoch ist der (...) Bericht überzeugend und besorgniserregend genug, um mehr als eine undurchsichtige Zurückweisung durch die Regierung zu rechtfertigen. In diesem Zeitalter des institutionellen Misstrauens braucht die Öffentlichkeit bessere Antworten.»


«Hospodarske noviny»: Russland im Krieg mit dem Westen

PRAG: Journalisten aus Deutschland, den USA und Russland haben Hinweise darauf gefunden, dass hinter dem sogenannten Havanna-Syndrom bei US-Diplomaten womöglich doch Angriffe des russischen Geheimdienstes stecken könnten. Dazu schreibt die Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien am Mittwoch:

«Es liegt auf der Hand - und dennoch wollen es sich viele immer noch nicht eingestehen: Russland führt einen Krieg gegen den Westen und benutzt dafür alle Methoden, die ihm zur gegebenen Zeit und unter den gegebenen Umständen als zielführend erscheinen. (...) Eine geheime Waffe, die das Gehirn schädigt, ist eine Form der physischen Liquidierung des Gegners, die aber keine so dramatischen Spuren hinterlässt wie zum Beispiel das Nervengift Nowitschok. (...) Dennoch leben viele westliche Politiker weiter in der Vorstellung, dass sich die Situation in Russland ändern und das Land wieder zu einem normalen politischen und wirtschaftlichen Partner werden wird. Dabei tritt immer deutlicher zutage, dass weder der russische Präsident Wladimir Putin noch ein etwaiger künftiger Nachfolger die Beziehungen zum demokratischen Westen wiederaufbauen werden, solange dem Regime in Moskau nicht die Grundlagen entzogen werden.»


«Aftenposten»: Putin kann keine Meinungsfreiheit dulden

OSLO: Die konservative norwegische Tageszeitung «Aftenposten» (Oslo) kommentiert am Mittwoch Putins Regierungsführung:

«In Diktaturen gibt es wenig Raum für die Pressefreiheit. In Diktaturen, die Krieg führen, ist die Situation besonders schwierig. Zwischen 1500 und 1800 russische Journalisten sind laut einer Umfrage der Organisation «Reporter ohne Grenzen» seit der Annexion der Krim 2014 aus dem Land geflohen.

Jeder, der «falsche Nachrichten» über das russische Militär verbreitet, wird mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft. Das Gesetz macht keine Ausnahme für ausländische Korrespondenten mit einer Akkreditierung des russischen Außenministeriums.

«Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer», schrieb der tragische Dichter Aischylos vor zweieinhalbtausend Jahren. Putin beweist auf tragische Weise, wie weitsichtig dieser antike Grieche war. Der russische Präsident benutzt Journalisten und die Meinungsfreiheit als Geisel. Das ist beschämend und inakzeptabel.»


«La Stampa»: Netanjahu kann nur gewinnen

ROM: Die italienische Tageszeitung «La Stampa» beschäftigt sich am Mittwoch mit den internationalen Reaktionen auf Israels Vorgehen im Gaza-Krieg:

«Wir sind noch weit davon entfernt, dass die USA und Europa Israel den Rücken kehren, angefangen bei der Aussetzung der Militärhilfe für Israel; aber früher oder später könnte es so weit sein, und dies würde Israel zu einem Kurswechsel zwingen. Der russische Präsident Wladimir Putin braucht die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine, um im Sattel zu bleiben. Ebenso ist es mit (Israels Ministerpräsident Benjamin) Netanjahu im Nahen Osten.

Solange sich Israel im Krieg befindet, ist Netanjahu in Sicherheit. Und sollte die Invasion des Gazastreifens nicht mehr ausreichen oder zu lästig werden, lässt sich der Einsatz dessen, was in der Region auf dem Spiel steht, immer weiter erhöhen. Netanjahu kann nur gewinnen, im Gegensatz zu allen anderen: den USA, Europa, den Palästinensern und dem Iran, aber letztlich auch Israel.»


«NZZ»: Israels Strategie ist riskant

ZÜRICH: Nach einem mutmaßlich israelischen Anschlag auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Damaskus mit sieben Toten hat der Iran mit Vergeltung gedroht. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«Es steht außer Frage, dass die iranische Militärpräsenz in Syrien eine Bedrohung für Israel darstellt. Ebenso klar ist, dass Israel das Recht hat, sich gegen die Angriffe der Hisbollah-Miliz zu verteidigen, die nach dem Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober eine eigene Front im Norden aufgemacht hat. Die Raketen- und Mörserangriffe der schiitischen Miliz kosten immer wieder Leben und haben Israel gezwungen, über 100.000 Einwohner aus dem Grenzgebiet im Norden zu evakuieren.

Nach sechs Monaten ist aber klar erkennbar, dass weder Iran noch die Hisbollah Interesse an einem größeren Krieg haben. Das Regime in Teheran scheint vielmehr bemüht, eine gewisse Schwelle nicht zu überschreiten. Israel spekuliert womöglich darauf, dass Iran auch jetzt eine weitere Eskalation vermeiden wird. Doch Israels Strategie ist riskant. Denn der Angriff auf das Konsulat könnte Iran zwingen, härter als bisher zu reagieren, um die Abschreckung wiederherzustellen. Das Ergebnis könnte ein Krieg sein, den auch Israel nicht wollen kann.»


«The Times»: Angriff in Damaskus war kalkulierte Eskalation

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Mittwoch den mutmaßlich israelischen Luftangriff auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Damaskus:

«Der israelische Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus, bei dem Brigadegeneral Mohammed-Resa Sahedi, ein ranghoher Kommandeur der Elitetruppe Al-Kuds-Brigaden, getötet wurde, ist eine kalkulierte Eskalation des umfassenderen Konflikts um den Krieg im Gazastreifen. Israel ist seit Langem entschlossen, den Preis dafür in die Höhe zu treiben, dass der Iran die Hisbollah mit Waffen versorgt und seine libanesischen Stellvertreter ermutigt, Raketen auf Nordisrael abzufeuern.

Die Ermordung Sahedis wird unweigerlich eine brutale Antwort nach sich ziehen, wie Teheran angekündigt hat. Aber es wird den Iran auch dazu zwingen, seine Provokationen im Libanon sowie im Roten Meer mithilfe der jemenitischen Huthis einzuschränken oder einen weitaus verheerenderen israelischen Schlag gegen den Iran selbst zu riskieren, sollte dieser damit beginnen, selbst Raketen auf Israel abzufeuern. (.)

Dennoch ist ein Angriff auf eine diplomatische Vertretung im Ausland ein Risiko für Israel. Zumindest ein Teil der arabischen Welt wird Irans Behauptung glauben, dass dies von Washington geplant und sanktioniert wurde. Das schadet der Glaubwürdigkeit der USA weiter und erschwert die amerikanischen Bemühungen um einen Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung aller israelischen Geiseln.»

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