Zeitungen zum Geschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Münchner Merkur» zu AfD/Bayernwahl

In Bayern geht's immer etwas barocker zu.

Sogar im Wahlkampf. Staunend blickte der Rest der Republik erst auf das Staatstheater um den wundersam zum Opfer mutierten niederbayerischen Freischärler Aiwanger. Dann auf einen Steinwurf gegen die Grünen. Und jetzt noch der Tusch zum Finale: ein Angriff auf die AfD, den aber nur die AfD bemerkt haben will. Parteichef Tino Chrupalla begibt sich ins Krankenhaus, Kollegin Alice Weidel flüchtet nach Mallorca. Ohne Opfer-Mythos scheint es nicht zu gehen im Freistaat des wandelbaren Herrschers Markus Söder. Dessen CSU kommt kaum noch hinterher, den Wählern das Mitleid mit den tatsächlichen oder vermeintlichen Angriffsopfern auszureden. «Hinterfotzig» nennt Innenminister Herrmann das Agieren der AfD. Bei aller Vorsicht: Die Angaben von Polizei und Ärzten sprechen eher dafür, dass die AfD kurz vor der Wahl noch einen Aiwanger-Moment zu inszenieren versucht, mit sich selbst als Märtyrer und Profiteur.


«Stuttgarter Zeitung» zu EU-Gipfel in Granada

Das Aufnahmeversprechen an die Ukraine bedeutet gleichzeitig auch einen Zwang zu Reformen in der EU.

Allein der Agrarhaushalt, der einen Großteil des gesamten EU-Budgets ausmacht, würde im Falle eines Beitritts Kiews kollabieren. Auch die anderen Baustellen sind seit Jahren bekannt. So ist die Erosion des Rechtsstaates vor allem in einigen osteuropäischen Staaten ein wachsendes Problem. Brüssel muss endlich Mittel und Wege finden, darauf zu reagieren, denn damit zusammen hängt auch die Legitimation der Demokratie. Überarbeitet werden muss auch das Einstimmigkeitsprinzip, denn Staaten wie Ungarn nutzen das darin liegende Erpressungspotenzial immer wieder, um ihre eigenen Interessen rücksichtslos durchzudrücken. In diesem Umbau liegt auch eine große Chance, denn eine reformierte Union wird auch eine bessere EU sein. Europa hat nicht mehr viel Zeit, die eigene Zukunft selbst zu gestalten. Alte Gewissheiten gelten nicht mehr.


«Frankfurter Neue Presse» zu Landtagswahlen in Hessen und Bayern

Die Abstimmungen könnten zu einer Denkzettelwahl für die Ampelparteien in Berlin werden.

Tatsächlich aber geht es um die Problemfelder im Land. Nur wer am Sonntag seinen Wahlzettel abgibt, nutzt sein Recht auf politische Mitbestimmung. Und die Möglichkeit, ein Zeichen für die Demokratie zu setzen. Auch wer manchmal daran zweifelt, ob seine Stimme einen Unterschied macht, weil er sich ohnehin von keiner Partei zu hundert Prozent vertreten fühlt, hat die Macht, zu verhindern, dass er künftig von Menschen regiert wird, die seinen Interessen womöglich noch stärker entgegenstehen.


«de Volkskrant»: Hoekstra musste ehrgeizige Klimaziele akzeptieren

AMSTERDAM: Der bisherige niederländische Außenminister und frühere Shell-Manager Wopke Hoekstra ist als EU-Klimakommissar bestätigt worden. Dazu meint die Amsterdamer Zeitung «de Volkskrant» am Freitag:

«Die Art und Weise, wie Wopke Hoekstra während einer Anhörung im Europäischen Parlament plötzlich als Klima- und Umweltschützer auftrat, war unglaubwürdig. Doch paradoxerweise ist Hoekstras Ernennung zum Klimakommissar der Europäischen Kommission eine gute Nachricht für die Klimapolitik. Um die Unterstützung der Sozialdemokraten und Grünen zu gewinnen, musste er sich nämlich schriftlich zu ambitiösen Klimazielen bekennen. (...)

Der Streit um Hoekstras Ernennung fand vor dem Hintergrund einer umfassenderen politischen Meinungsverschiedenheit statt. Die europäischen Christdemokraten sind der Ansicht, dass die EU inzwischen genug für das Klima und die Umwelt getan hat, und wollen die Pausentaste drücken. Doch gegen den starken Widerstand der Christdemokraten hat das Europäische Parlament kürzlich ein Naturschutzgesetz verabschiedet. Auch im Kampf um den neuen EU-Klimakommissar hat die Linke gewonnen, denn mit Hoekstra wurde ein Christdemokrat gezwungen, sich zu ehrgeizigen Klimazielen zu verpflichten.»


«Politiken»: Nobelpreise als Aufmunterer in Zeiten wie diesen

KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» (Kopenhagen) kommentiert am Freitag die Bekanntgaben der diesjährigen Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger:

«In all den Bereichen, in denen der Nobelpreis vergeben wird, kommt ihm eine entscheidende Funktion zu: uns daran zu erinnern, wozu Menschen fähig sind. Was Menschen, die ständig forschen, weiterentwickeln und sich ausdenken, für das Beste von uns allen erreichen können. Jahr für Jahr würdigt der Preis wissenschaftliche, künstlerische und politische Leistungen, die nicht zerstören, sondern Brücken bauen, inspirieren, erneuern und das Handlungsfeld erweitern, in dem Menschen agieren können. In einer Zeit, in der es in vielerlei Hinsicht den Bach runtergeht, in der es ständig schlechte Nachrichten über Krieg und Klima gibt, ist das eine große Ermutigung. Und man könnte sich wünschen, dass es im globalen Aufmerksamkeitsraum noch viel mehr Bekanntmachungen dieser Art gäbe, die das Allerbeste hervorheben.»


«The Guardian»: Viele Staaten erfüllen Klimaversprechen nicht

LONDON: Der Londoner «Guardian» kritisiert am Freitag die aus seiner Sicht unzureichenden internationalen Klimaschutzbemühungen:

«Der Countdown für die aktuelle Runde der UN-Klimaverhandlungen, die Ende November in Dubai starten, hat begonnen. Am Mittwoch veröffentlichte Papst Franziskus eine Aktualisierung seiner Enzyklika aus dem Jahr 2015 - ein Dokument, das sich an Katholiken auf der ganzen Welt richtet - und warnte, dass «die Welt, in der wir leben, zusammenbricht». Der Papst forderte eine Änderung des «unverantwortlichen» westlichen Lebensstils. (...)

Das Vorgehen der Ölkonzerne und der Petrostaaten ist eine Sache. Überall in der reichen Welt gibt es Regierungen, die ihren Worten zum Thema Net Zero keine Taten folgen lassen. Und selbst jetzt, da Wissenschaftler fassungslos sind angesichts der neuesten Daten, gibt es keine Garantie dafür, dass der Anstieg der Treibhausgase bis 2025 gestoppt wird, wie es nach Ansicht von Experten notwendig wäre, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.»


«Tages-Anzeiger»: Aserbaidschan verdient Milliarden in der Schweiz

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» kommentiert am Freitag die Haltung der Schweiz angesichts des Vorgehens Aserbaidschans gegen Armenier in Berg-Karabach:

«Die Schweizer Botschafterin Pascale Baeriswyl zeigte sich im UN-Sicherheitsrat lediglich «tief besorgt». 100.000 Menschen werden vertrieben, und die offizielle Schweiz ist «tief besorgt»? Noch verharmlosender geht es kaum. (...)

Beim Bund wird die zurückhaltende Wortwahl damit begründet, dass man sich die Möglichkeit nicht verbauen wolle, als Vermittlerin aufzutreten. Man habe beiden Seiten die Guten Dienste angeboten. Lässt die Schweizer Diplomatie diesen schön klingenden Worten hinter den Kulissen auch wirklich handfeste Taten folgen? Man hofft es, weiß es aber nicht.

Was man hingegen weiß: Aserbaidschan finanziert seine Hightecharmee wesentlich mit den Milliarden, welche die staatliche aserbaidschanische Erdölgesellschaft Socar verdient - und zwar in der Schweiz. Rund drei Viertel ihres globalen Umsatzes macht Socar über eine Handelsgesellschaft in Genf. (...)

Die Schweiz ist im Konflikt zwischen den Armeniern und Aserbaidschan nicht die neutrale, noble Vermittlerin, als die sie sich gern sieht. Durch unser Verhalten unterstützen wir als ganzes Land einen Aggressor.»

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Hermann Hunn 08.10.23 02:20
@Michael R.: Wie scheinheilig ...
... sind dann die jenigen Staaten, die mit dem angeblich scheinheiligsten Staat der Welt Geschäfte abschliessen oder diejenigen Staatsbürger, die ebendort ihre steuergünstigen Domizile errichten?

Die "Drahtzieher" von SOCAR Trading Gas & Power SARL sitzen in Luxembourg, dem wichtigsten "Finanzdienstleister" der EU.

Es scheint, dass das "auf andere zeigen" leichter zu bewerkstelligen ist, als "vor dem eigenen Haus den Dreck wegzukehren".
Michael R. 07.10.23 19:00
Kennt man von der Schweiz
In Geld- bzw. Bankdingen ist die Schweiz einer der scheinheiligsten Staaten dieser Welt, getreu dem Motto pecunia non olet.