Zeitungen zum Geschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Münchner Merkur» zu Aiwanger

Spät und unter höchstem Druck hat Hubert Aiwanger sich doch noch zu einer Entschuldigung durchgerungen - und dabei das Kunststück fertiggebracht offenzulassen wofür.

Noch immer gibt der Freie-Wähler-Chef vor, sich nicht an das zu erinnern, was Mitschüler über ihn berichten, etwa die Hitlergrüße und Judenwitze. Falls, durch was auch immer, "Gefühle verletzt" worden seien, bereue er das zutiefst. Das kann glauben, wer mag. Auch wenn man Aiwanger zubilligt, dass er nicht mehr der ist, der er vor 35 Jahren war, hätte bedingungslose Ehrlichkeit nach Tagen des Dementieren und Herumlavierens anders aussehen müssen. So war Aiwangers Entschuldigung eine taktische mit dem Ziel, aus dem Stand heraus wieder zum Gegenangriff überzugehen: Er solle, schloss Aiwanger, durch eine Kampagne politisch und persönlich "fertiggemacht" werden. Der Schwarze Peter liegt nun wieder bei CSU-Chef Söder. Der Rosenkrieg in der bayerischen Koalition tobt weiter.


«Frankfurter Rundschau» zu Hubert Aiwanger/Flugblatt-Affäre

Während sich der Vorstand der CDU/CSU-Fraktion in dieser Woche zur Klausur im heimatlichen Sauerland des Vorsitzenden Friedrich Merz trifft, liegt der Schatten der Aiwanger-Affäre auf dem Treffen.

Es geht aber um mehr als um eine "unappetitliche Geschichte". Die Schwesterpartei CSU muss sich im bayerischen Landtagswahlkampf dringend zum Koalitionspartner der von Aiwanger geführten Freien Wähler positionieren. CSU-Chef Markus Söder hat sich ein wenig Luft verschafft, indem er Aiwanger einen Katalog mit 25 Fragen geschickt hat. Täglich aber kommen neue Fragen hinzu. Um es noch einmal klar zu sagen: Dieses Flugblatt ist widerlich hetzerisch, menschenverachtend und antisemitisch. Was Aiwanger dazu sagt, hat bisher nicht erkennen lassen, dass er ein Gespür für die Tragweite seiner Verfehlung hat und für die Notwendigkeit einer überzeugenden Aufklärung mit maximaler Distanzierung von den Inhalten. Daran ändert auch seine am Mittwoch Spätnachmittag vorgetragene Entschuldigung nichts.


«Washington Post»: Biden muss in Vietnam Menschenrechte einfordern

WASHINGTON: Zu dem für September geplanten Besuch von US-Präsident Joe Biden im kommunistischen Vietnam schreibt die «Washington Post» am Donnerstag:

«Der Plan der US-Regierung, eine «strategische Partnerschaft» mit Vietnam zu begründen, wird getrieben von dem Wunsch, China in der indo-pazifischen Region etwas entgegenzusetzen. Doch bevor Biden einen Toast auf die vietnamesische Führung ausspricht, sollte er die sich verschlechternde Menschenrechtslage in Vietnam ansprechen und auf einen Wandel dringen. Der Präsident hat mehr Instrumente, zu Reformen zu ermutigen, als es den Anschein hat.

Vietnam ist ein Einparteienstaat, der von der Kommunistischen Partei regiert wird. Unter der Herrschaft des Hardliner-Generalsekretärs Nguyen Phu Trong ist die Regierung seit 2016 weitreichend gegen Aktivisten, abweichende Meinungen, die Zivilgesellschaft und die religiöse Freiheit vorgegangen. (...)

Wie andere Präsidenten auch wird Biden zweifellos Respekt für das sich unterscheidende politische System Vietnams äußern. Aber er sollte der vietnamesischen Führung auch die Wahrheit sagen: Kein Herrscher oder System wird gestärkt, wenn es die Rechte und die Würde der eigenen Bevölkerung zerstört.»


«Corriere della Sera»: Krim für Putin rote Linie

ROM: Die italienische Tageszeitung «Corriere della Sera» beschäftigt sich am Donnerstag mit den Möglichkeiten einer Friedenslösung im Ukraine-Krieg:

«Die US-Regierung drängt (den ukrainischen Präsidenten) Wolodymyr Selenskyj seit mehreren Wochen, ein Zeichen der Öffnung zu setzen. Nach 18 Monaten Krieg war und ist es dringend notwendig, die Möglichkeit eines Friedens auszuloten.

Tatsächlich glaubte das Pentagon selbst in den günstigsten Momenten des Konflikts nie daran, dass die Ukrainer die Krim zurückerobern könnten. (...) Die Krim bedeutet für (Russlands Präsident) Wladimir Putin eine rote Linie. Ein Landstreifen, der um jeden Preis und mit allen Mitteln verteidigt werden muss, einschließlich der berüchtigten taktischen Atomwaffen - Atomwaffen mit begrenzter Reichweite, aber mit verheerendem Potenzial.»


«Libération»: Wird Gabun nach dem Putsch zur Demokratie?

PARIS: Zum Militärputsch in dem westafrikanischen Staat Gabun schreibt die französische Tageszeitung «Liberation» am Donnerstag:

« (...) Der Militärputsch könnte das Ende der fast 56-jährigen ungeteilten Herrschaft einer Familiendynastie über ein an Mineralien und Kohlenwasserstoffen reiches Land bedeuten, das weit davon entfernt war, alle seine Bürger, von denen die meisten nicht einmal über fließendes Wasser verfügen, gleichmäßig daran teilhaben zu lassen. (...)

Mann kann Frankreich dankbar sein, dass es - wenn vielleicht auch versehentlich - seine demokratischen Werte dorthin exportiert hat. Es bleibt abzuwarten, ob die Macht, die sich etablieren wird, daraus Lehren für Freiheit und Gleichheit ziehen wird oder nur die Lehren einer Heuchelei, die über fünfzig Jahre gedauert hat.»


«Lidove noviny»: Korcok steht für prowestliche Haltung

PRAG: Der slowakische Ex-Außenminister Ivan Korcok hat seine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Frühjahr angekündigt. Dazu schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Donnerstag:

«Die Liberalen in der Slowakei können nun wieder Hoffnung schöpfen. Die derzeitige Präsidentin Zuzana Caputova hatte viele enttäuscht, als sie im Juni ankündigte, im nächsten Frühjahr nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Was darf man von einem möglichen Präsidenten Ivan Korcok erwarten? Vor allem würde er die bisherige prowestliche Linie der slowakischen Außenpolitik fortsetzen, die sich auch in der Unterstützung der Ukraine zeigt. (...)

Vieles wird indes davon abhängen, welche Rolle Ex-Ministerpräsident Robert Fico einnehmen will. Er ist zwar der Favorit der Parlamentswahl im September, aber nirgends steht geschrieben, dass er auch die nächste Regierung übernehmen muss. Für den erfahrensten slowakischen Politiker könnte die Präsidentschaftswahl eine Möglichkeit sein, im Spiel zu bleiben. Schon heute lässt sich sagen, dass ein etwaiges Duell zwischen Korcok und Fico für die Slowakei der größte politische Wettstreit der letzten Jahrzehnte wäre.»


«La Vanguardia»: Trump bleibt trotz Prozessen politisch am Leben

MADRID: Zum Prozess gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump im Zusammenhang mit versuchtem Wahlbetrug, der im kommenden März einen Tag vor dem sogenannten «Super Tuesday», dem wichtigsten Vorwahltag in den USA beginnen soll, schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Donnerstag:

«Da es sich um Trump handelt, scheint es riskant, vorherzusagen, wie und in welchem Umfang die vier gegen ihn laufenden Strafverfahren, von denen drei bereits einen Verhandlungstermin haben, das Wahlrennen beeinflussen werden (...) Die große Frage ist, ob Trump seinen großen Vorsprung vor seinen Konkurrenten bei den Umfragen wird halten können, wenn die Prozesse beginnen. Einige Erhebungen sagen voraus, dass seine Erscheinungen vor Gericht ihm bei den Präsidentschaftswahlen im November 2024 mehr schaden könnten als bei den Vorwahlen der Republikaner, weil die Basis weiterhin blind für ihn stimmen wird. (...)

Trumps juristische Zukunft ist sehr kompliziert, und 2024 wird ein verrücktes Jahr für ihn sein. Aber in seinem Fall könnte sich das eher als Vorteil denn als Problem erweisen. Die Vereinigten Staaten haben noch nie einen angeklagten Präsidenten gewählt, aber Trump könnte einmal mehr die Geschichte seines Landes prägen.»


«Magyar Nemzet»: Söder will Aiwanger durch die Grünen ersetzen

BUDAPEST: Zur Flugblatt-Affäre des bayerischen Vize-Ministerpräsidenten und Freie-Wähler-Chefs Hubert Aiwanger schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Donnerstag:

«(Markus) Söder, dem begnadeten Wendehals, käme es gut gelegen, wenn sein gegenwärtiger Koalitionspartner über diesen künstlich aufgeblasenen Skandal stürzte. (...) Aiwangers starker Charakter und sein Redetalent gefallen Söder nicht. Als er während der Corona-Pandemie einen harten Kurs fuhr und eine Impfpflicht forderte (...), widerstand der (Corona-Maßnahmen-)skeptische Aiwanger lange Zeit einer Impfung. Der CSU-Ministerpräsident, der keinen Widerspruch duldet, nahm ihm das äußerst übel. Viel lieber möchte sich Söder mit der Grünen-Chefin Katharina Schulze zusammentun, die er für schwach hält und die in einem lächerlichen TikTok-Video tanzend herumsprang. Mit ihr würde er leichter regieren können als mit dem charakterfesten, widerspenstigen Bayern Aiwanger.»


«De Telegraaf»: Putsch in Gabun ist wohl ein Korrektiv

AMSTERDAM: Zum Militärputsch in dem westafrikanischen Staat Gabun heißt es am Donnerstag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«Weite Teile Afrikas scheinen in die Arme von Generälen mit großen Rangabzeichen auf den Schultern getrieben zu werden, wie am Mittwoch auch im staatlichen Fernsehen von Gabun zu sehen war. Doch es gibt kaum einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Militärputschen. Der Staatsstreich in Gabun scheint vor allem ein Korrektiv zu sein. Dort übernahmen die Generäle die Macht, nachdem der langjährige Präsident Ali Bongo in einer nach Ansicht von Beobachtern gefälschten Wahl eine dritte Amtszeit gewonnen hatte.

Die Putschisten scheinen die Hegemonie der Familie Bongo beenden zu wollen, die seit 1967 ununterbrochen an der Macht war. Die Bongos haben in den vergangenen Jahren in ihrem Ölstaat ein beispielloses Geschäftsimperium aufgebaut und sind bei der armen Bevölkerung unbeliebt. In der Hauptstadt Libreville feierten Menschen auf offener Straße.»


«NZZ»: Afrika befindet sich in einem Teufelskreis

ZÜRICH: Zum Militärputsch in Gabun meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Donnerstag:

«Mali, Burkina Faso, Niger, Guinea, Tschad, der Sudan - und nun Gabun. Es wird schwierig, den Überblick zu behalten über die afrikanischen Länder, in denen Militärs in den vergangenen Jahren die Macht ergriffen haben. Es ist inzwischen theoretisch möglich, von der westafrikanischen Atlantikküste bis ans Rote Meer durch einen Gürtel von Ländern zu reisen, in denen Putschisten an der Macht sind. (...)

Was die Coups gemeinsam haben: Militärs in vielen Ländern glauben offenbar, ungestraft zivile Regierungen entfernen zu können. Sie glauben das, weil es in einer länger werdenden Reihe von Ländern geglückt ist. Das heißt auch: Jeder geglückte Coup erhöht das Risiko, dass ein nächster geschieht. Afrika befindet sich in einem Teufelskreis.»


«The Times»: Abbruch der Beziehungen zu China wäre kontraproduktiv

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Donnerstag den ersten Besuch eines britischen Außenministers in China seit 2018:

«Außenminister James Cleverly hat Recht. Allein schon im Hinblick auf Großbritanniens eigene Interessen wäre ein Abbruch der Beziehungen zu Peking aus Protest gegen die chinesische Spionage in Großbritannien, die entsetzliche Behandlung der Uiguren in China, die Unterstützung Russlands und die Repression in Hongkong kontraproduktiv. China ist immer noch Großbritanniens viertgrößter Handelspartner. Im Jahr 2021 importierte Großbritannien Waren im Wert von 63,6 Milliarden Pfund (rund 74 Milliarden Euro) aus China, was mehr als 13 Prozent aller Wareneinfuhren ausmachte.

Großbritannien ist zudem nicht das einzige Land, das die Wirtschaftsbeziehungen fördern und das wachsende Misstrauen auf beiden Seiten überwinden möchte. Cleverly war zur gleichen Zeit in Peking wie die US-Handelsministerin Gina Raimondo, die China aufforderte, die Risiken für US-Unternehmen, die dort Geschäfte machen, zu verringern. Andere hochrangige westliche Politiker haben in letzter Zeit bereits Besuche abgestattet, unter ihnen der französische Präsident Emmanuel Macron, US-Außenminister Antony Blinken und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Sie alle vermittelten die gleiche Botschaft: Engagement ist der einzige Weg, um mit den wachsenden Meinungsverschiedenheiten umzugehen.»

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