Zeitungen zum Geschehen am Dienstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Frankfurter Rundschau» zu Tempolimit

Volker Wissing ist für ein allgemeines Tempolimit.

Wie bitte? Natürlich nicht für eines auf der Autobahn, das widerspräche der reinen PS-Lehre der FDP, die ihr Bundesverkehrsminister selbstredend vertritt. Gerade hat er wieder getönt: Es sei "keine Lösung". Es handelt sich um ein intellektuelles Tempolimit. Eine Art Gedankenbremse, die eine schnelle Aufnahme von Argumenten in die deutsche Verkehrspolitik verhindert. Ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen, wie es fast alle Länder weltweit eingeführt haben, ist das Gebot der Stunde. Klar ist: Es würde der Verkehrssicherheit nützen, den CO2-Ausstoß senken und helfen, Autos - gerade auch solche mit E-Antrieb und schweren Batterien - sparsamer auslegen zu können. Minister Wissing aber gönnt sich den Luxus, Erkenntnisse wegzubügeln, wenn sie nicht in sein Weltbild passen.


«Münchner Merkur» zu Ampel

Regiert die Ampel eigentlich noch? Oder sind SPD, Grüne und FDP schon im Wahlkampf - und zwar gegeneinander? Die Kanzlerpartei SPD brüskiert Grüne und FDP in der Ukrainepolitik und gibt die "Friedenspartei".

Die FDP verspricht trotz eines gähnenden Haushaltslochs munter Steuersenkungen und provoziert die Koalitionspartner mit Forderungen nach einer "Sozialstaatswende". Und die Grünen, die zu Beginn der Ampel noch die (Klima-)Agenda diktierten, wissen kaum noch, wie ihnen geschieht, und machen vorsorglich schon mal der Union schöne Augen. Alle Drei ahnen, dass ihre Ampel bis Herbst 2025 nicht durchhalten wird. Jetzt kämpft jeder nur noch für sich. Nicht dass das schon je anders gewesen wäre in diesem zänkischen Dreierbündnis. Doch so ungeniert wie jetzt wurden noch nie Schienbeintritte verteilt, um sich für Neuwahlen in Positionen zu bringen.


«Correio da Manhã»: Blinde Eskalation des Krieges

LISSABON: Zum mutmaßlich israelischen Luftschlag auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syrien schreibt die portugiesische Zeitung «Correio da Manhã» am Dienstag:

«Israel hat den Verstand verloren. (...) Der Anschlag auf das iranische Konsulat in der syrischen Hauptstadt Damaskus stellt eine blinde Eskalation des Krieges dar, den die rechtsextreme israelische Regierung unbedingt über den Gazastreifen hinaus intensivieren will, um sich für Hunderte Tote und Geiseln bei dem berüchtigten Angriff der Hamas am 7. Oktober vorigen Jahres zu rächen. (...)

Kurz vor dem Angriff vom Montag hatte Israel seine Militäreinheiten aus dem Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen abgezogen. Dort entdeckten die Israelis nach eigenen Angaben Hamas-Aktivisten und Waffen. Nach palästinensischen Angaben wurden dort aber unschuldige Menschen getötet und wichtige Dienste des geschwächten Gesundheitssektors zerstört. Der Montag war zudem von der Verabschiedung eines neuen Gesetzes geprägt, das es der Regierung erlaubt, gegen ausländische Medien vorzugehen, die als schädlich für Israel gelten.»


«De Standaard»: Wieder Hoffnung für Opposition in der Türkei

BRÜSSEL: Zum Erfolg der Opposition bei den Kommunalwahlen in der Türkei meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Dienstag:

«In den vergangenen 20 Jahren hat Erdogans Partei AKP die Medien sowie die Justiz und andere staatliche Institutionen unter ihre Kontrolle gebracht. Zu sagen, dass die Rechtsstaatlichkeit unter Druck steht, ist eine Untertreibung. Doch so sehr Erdogan auch an den demokratischen Spielregeln zerrte, Opposition blieb weiterhin möglich. So zahlt ein autokratischer Machthaber früher oder später den Preis für die explodierende Inflation, die Korruption, die Bemächtigung der Medien und der Nationalbank und die Aushöhlung demokratisch-rechtsstaatlicher Prinzipien. (...)

Erdogan sitzt vorerst noch fest auf seinem Präsidententhron. Und Kommunalwahlen sind eine andere Sache als Präsidentschaftswahlen. (...) Aber das Ergebnis gibt wieder Hoffnung auf Veränderung. Es bedeutet, dass die Kontrolle über die lokalen Netzwerke nicht vollständig bei Erdogans Regierungspartei AKP liegt. Die Opposition kann dies nutzen, um in vier Jahren nicht nur eine gute Botschaft, sondern auch den passenden Überbringer vorzubereiten.»


«The Independent»: Netanjahu hat Israel in eine Sackgasse geführt

LONDON: Der Londoner «Independent» kommentiert am Dienstag Israels Vorgehen im Gaza-Krieg:

«Die westlichen Verbündeten diskutieren aktiv darüber, wie sie Israel zu einer Waffenruhe drängen können, die in seinem Interesse wäre, selbst wenn man der Hamas Zugeständnisse in Bezug auf dessen Dauer machen müsste. (...) Nur die Tatsache, dass der Konflikt (noch) nicht auf das Westjordanland und den Libanon übergegriffen hat, bewahrt Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und seine Leute vor einem noch gefährlicheren Flächenbrand.

In taktischer Hinsicht hat Netanjahu seine verwundete Nation in eine blutige Sackgasse geführt. Das eigentliche Problem ist, dass er keine Vision für einen Plan hat, der eine friedliche Koexistenz mit den Palästinensern ermöglichen könnte. (...) Es gibt keine einfachen Lösungen für die Konflikte im Nahen Osten, aber Netanjahu ist insofern außergewöhnlich, als er auch gar kein Interesse an irgendeiner Lösung zeigt. Und genau aus diesem Grund sollte er nicht an der Spitze seines Landes stehen.»


«Hospodarske noviny»: Manche Politiker spielen Russland in die Hände

PRAG: Zu den Sorgen vor russischer Einflussnahme vor der Europawahl im Juni schreibt die Zeitung «Hospodarske noviny» aus Prag am Dienstag:

«Die Kreml-Propaganda zielt nicht auf diejenigen Menschen ab, die bereits ausdrücklich prorussisch eingestellt sind. Sie versucht, eine langsame Erosion des Widerstandswillens gegen die russische Aggression bei einer Mehrheit der Bevölkerung zu erreichen. Man muss sich in diesem Zusammenhang die beunruhigende Frage stellen, ob sich die Auftritte mancher heimischer Politiker eigentlich vom Wirken russischer Propagandamedien unterscheiden.

Keiner von ihnen wird direkt sagen, er sei ein Fan des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Doch allzu oft hört man Aussagen der Art, dass die Ukraine ohnehin nicht gewinnen könne oder dass die Lieferung von Waffen den Konflikt unnötig verlängere. (...) Wie man mit diesen informellen Mitarbeitern des Kremls umgehen soll, die man ohne Umschweife auch nützliche Idioten nennen könnte, liegt allein in der Entscheidung der Wähler.»


«The Guardian»: Wahlsieg stärkt Imamoglus Position als Gegner Erdogans

LONDON: Zu den Erfolgen der Oppositionspartei CHP bei den Kommunalwahlen in der Türkei meint der Londoner «Guardian» am Dienstag:

«Jahre der Vetternwirtschaft, des Kulturkampfes und der überwältigenden Medienherrschaft schienen Präsident Recep Tayyip Erdogans Politik des starken Mannes auf nationaler Ebene unangreifbar gemacht zu haben. Kein Wunder also, dass eine spektakuläre und unerwartete Wende bei den Kommunalwahlen am Sonntag bis in die frühen Morgenstunden ausgelassen gefeiert wurde.

In Istanbul, der größten Stadt der Türkei, hat der amtierende Bürgermeister Ekrem Imamoglu den Kandidaten von Erdogan haushoch geschlagen. Auch in anderen Großstädten hat Imamoglus CHP klar gewonnen, erdrutschartig in der Hauptstadt Ankara und mit Leichtigkeit auch in Izmir. Überraschenderweise konnte die CHP aber auch in konservativen Städten und Dörfern in Anatolien und in der Nähe des Schwarzen Meeres, die zu Erdogans Kernland gehören, einige Siege verbuchen. (...)

Das Sparprogramm, das Erdogan seit seiner Wiederwahl verfolgte, hat die westlichen Märkte besänftigt, aber die Kernwählerschaft der AKP verprellt. Die Fähigkeit des charismatischen Imamoglu, konservative Wähler für die CHP zu gewinnen, macht ihn zu einem Gegner, der weitaus stärker ist als der glanzlose Kandidat, den die Oppositionsparteien im vergangenen Mai (bei der Präsidentschaftswahl) aufgestellt hatten.»


«Washington Post»: Havanna-Syndrom muss umfassend untersucht werden

WASHINGTON: Journalisten aus Deutschland, den USA und Russland haben Hinweise darauf gefunden, dass hinter dem sogenannten Havanna-Syndrom bei US-Diplomaten womöglich doch Angriffe des russischen Geheimdienstes stecken könnten. Dazu schreibt die «Washington Post»:

«Die neuen Informationen legen nahe, dass Russlands Militärgeheimdienst dafür verantwortlich ist, beweisen es jedoch nicht. Zuvor waren die US-Geheimdienste zu dem Schluss gekommen, dass es «sehr unwahrscheinlich ist, dass ein ausländischer Gegner dafür die Verantwortung trägt». Sie müssen dies noch einmal überprüfen.

Die US-Geheimdienste müssen eine umfassende, energische Untersuchung durchführen, die alle Gesichtspunkte der Vorfälle berücksichtigt - was bei solchen Ermittlungen manchmal leichter gesagt als getan ist. Es muss alles einbezogen werden: Informationen zur Spionageabwehr, Erkenntnisse aus der Fallermittlung, klinische Daten und mögliche Umsetzungspläne für die Angriffe (...).

Die Untersuchung benötigt Zugang zu allen verfügbaren Informationen - auch zu solchen, die bislang verheimlicht oder ignoriert wurden - und sie muss frei von vorgefassten Meinungen über die Geschehnisse sein. (...) Wenn es sich bei den Vorfällen um vorsätzliche Angriffe handelt, muss der Täter ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden.»


«de Volkskrant»: Eine Demütigung für Erdogan

AMSTERDAM: Zu den Kommunalwahlen in der Türkei heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Für Erdogan und seine Partei ist die Wiederwahl des Bürgermeisters von Istanbul, Ekrem Imamoglu, eine große Demütigung. Die AKP war wild entschlossen, die Metropole von der CHP zurückzuerobern, um sich für den Machtwechsel 2019 zu revanchieren. Laut Umfragen sollte es ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden, aber es kam anders. (...)

Die Fortsetzung seines Bürgermeisteramtes bietet Imamoglu die Chance, sich für die Präsidentschaftswahl 2028 als Gegenkandidat zu Erdogans AKP zu positionieren. Erdogan selbst kann dann nicht mehr zur Wiederwahl antreten, es sei denn, er ändert die Verfassung, um sich eine vierte Amtszeit zu ermöglichen.?Darüber hinaus kann sich die CHP nun mit neuem Schwung als die einzige Kraft in der Opposition positionieren, die wirklich zählt.»


«La Repubblica»: Niederlage trübt Erdogans Bild als starker Mann

ROM: Die italienische Tageszeitung «La Repubblica» meint am Dienstag zum Wahlerfolg der sozialdemokratischen Opposition in der Türkei gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan:

«Das ist nicht das Ende des Erdoganismus: Der Rais, der sich schon oft als geschicktes politisches Chamäleon erwiesen hat, bleibt im Sattel. Aber es ist sicherlich der schlimmste Rückschlag seiner politischen Karriere: Seine Führung ist nun anfechtbar und umstritten. (...) Wahrscheinlich wird die Niederlage Erdogan veranlassen, seine Regierungsmannschaft genauer zu betrachten und einige Minister auszutauschen.

Insbesondere könnte sie seine Pläne für eine abermalige Verfassungsänderung bremsen, um sich die Tür für eine dritte Amtszeit im Jahr 2028 offenzuhalten, obwohl er wiederholt erklärt hat, dass dies seine letzten Wahlen waren. Vor allem aber trübt die schwindende Unterstützung das Bild des einsamen starken Mannes, der das Kommando führt, selbst gegenüber führenden Politikern der Welt.»

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