Zeitungen zum Geschehen am Dienstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Stuttgarter Zeitung» zu Streit über Wachstumsbeschleunigungsgesetz

Deutschland ist vielleicht nicht der kranke Mann Europas, aber auch nicht in einem kurzen Formtief.

Die Konjunktur dümpelt im zweiten Jahr in Folge vor sich hin, Besserung ist kaum in Sicht. Konsum und Investitionen schwächeln, Traditionsunternehmen wie BASF, Bosch und Miele streichen Stellen, Ökonomen warnen vor Deindustrialisierung. Neben Bürokratie erschweren mangelhafte Finanzbildung, kollektive Risikoaversion und ein unterentwickelter Kapitalmarkt die Gründung und Finanzierung von Start-ups und verhindern so Innovationen. Als Exportnation wird die Luft dünner - auf die wichtigsten Handelspartner China und Amerika sollte man sich in Zukunft nicht mehr verlassen. Bei einer Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten drohen neue Strafzölle und Konflikte. China ist nach Jahren des Turbowachstums der eigenen Wirtschaft ohnehin weniger auf deutsche Güter angewiesen, hinzu kommen verstärkt geo- und sicherheitspolitische Bedenken.


«Handelsblatt» zu Plan Regierung gegen Wachstumsschwäche

>>> Die Ampel kann nun lamentieren, dass sich die Probleme schon lange vor ihrem Start aufgebaut haben.

Das stimmt, wird der Koalition am Ende aber wenig helfen. Es ist jetzt ihre Wirtschaftskrise, sie muss sie lösen. Ähnlich wie die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder, die auch viele Probleme geerbt hatte, und nach der Doppel-Rezession 2002/03 dann mit der Agenda 2010 reagierte. Die Frage ist, ob die Ampel, ob insbesondere Kanzler Scholz noch die Kraft für einen solchen Agenda-Moment aufbringen kann. Bisher wirkt es nicht so. Während Habeck und Finanzminister Christian Lindner mittlerweile erste Maßnahmen zur wirtschaftlichen Belebung vorschlagen, rätselt man bei Scholz noch, wie groß Problembewusstsein und Handlungsbereitschaft sind. Dabei wird es auf den Kanzler ankommen, wenn die Ampel tatsächlich ein größeres Reformpaket vorlegen will.


«Münchner Merkur» zu Ampel

Ist das eine Regierung oder nur noch die Karikatur davon? In atemberaubendem Tempo zerfällt die Autorität des Kanzlers in der Ampelkoalition.

Teile der FDP kündigen an, im Bundestag mit der Union für die Taurus-Lieferung an Kiew zu stimmen. Ein unerhörter Vorgang und Affront gegen Olaf Scholz. Zugleich blockieren die Grünen das mit SPD und FDP vereinbarte Bundesgesetz zur Bezahlkarte für Asylbewerber. Und SPD-Fraktionschef Mützenich brüskiert den eigenen Kanzler und die FDP, indem er die von beiden abgelehnte Aufhebung der Schuldenbremse auf die Tagesordnung setzt. Egal ob Asyl, Etat, Verteidigung oder Wirtschaft, überall herrscht Zerrüttung. Während nebenan in Europa ein Krieg tobt und die Wirtschaft abschmiert, wird das Chaos in der Regierung zum Risiko für Sicherheit und Wohlstand. Der Kanzler steht vor den Trümmern seiner Politik - und bald vermutlich auch seiner Regierung.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Taurus-Debatte der Ampelfraktionen

Anders als in früheren Fällen von zögerlicher Bereitstellung dringend benötigter Waffen steht das Kanzleramt im Streit um Taurus-Marschflugkörper bald auf verlorenem Posten.

(.) Die SPD konnte zwar das Wort "Taurus" in einem (.) Akt von Haarspalterei aus einem gemeinsamen Antrag mit FDP und Grünen im Bundestag fernhalten, doch was anderes als Taurus sollte mit "zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen" gemeint sein, mit denen die Ukraine "völkerrechtskonforme, gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors" ausführen könnte? (.) Wie auch immer die Abstimmungen ausgehen (.), danach steht der Kanzler gegen die (.) breite Mitte des Parlaments. (.) Die deutschen Irrungen und Wirrungen im Taurus-Theater - der Ukraine nutzen sie allesamt (.) wenig.


«Le Monde»: Israel beantwortet Kriegsverbrechen mit Kriegsverbrechen

PARIS: Die Entwicklung im Gaza-Krieg kommentiert die französische Tageszeitung «Le Monde» am Dienstag:

«Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um zu verhindern, dass sich Rafah im südlichen Gazastreifen in eine Hölle verwandelt. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu, der den laufenden Krieg zu seinem Mittel macht, um sich an der Macht zu halten, hat geschworen, dass die Stadt, die an eine doppelt gesicherte Grenze zu Ägypten grenzt und in der sich über eine Million Palästinenser drängen, die durch die Kämpfe aus dem Rest des schmalen Landstreifens vertrieben wurden, denselben Verwüstungen ausgesetzt sein wird, die dieses arme und überbevölkerte Gebiet bereits in ein riesiges Ruinenfeld verwandelt haben. (...)

Die Verbündeten des jüdischen Staates haben sich bereits gegen eine Verlängerung des Gemetzels ausgesprochen (...).

In diesem Sinne kann Rafah zum doppelten Symbol eines westlichen Versagens und einer tragischen israelischen Entgleisung werden. Die vergangenen Wochen von Schutt und Asche erinnern an das Offensichtliche: Eine wirkliche Entmachtung der Hamas, die man nur herbeisehnen kann, kann nur erreicht werden, wenn man einen politischen Horizont aufzeigt. Fehlgeleitet durch seine militärische Übermacht begnügt sich der hebräische Staat damit, auf die Kriegsverbrechen vom 7. Oktober mit weiteren Kriegsverbrechen zu antworten, deren Ende nicht abzusehen ist.»


«Dagens Nyheter»: Von der Leyen hat gezeigt, dass sie ihren Job kann

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» kommentiert am Dienstag die angestrebte zweite Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen:

«Es wäre ausgezeichnet, wenn von der Leyen als Kommissionspräsidentin weitermachen darf. Der Hauptgrund, warum sie eine gute Kandidatin ist, liegt darin, dass sie versteht, dass die EU in einer Welt mit autoritären Führern in Russland und China und den sich immer launischer verhaltenden USA in der Sicherheitspolitik als Einheit agieren muss. Und als die Krisen ausbrachen, war sie da: Denn Ursula von der Leyens Zeit als Kommissionspräsidentin ist geprägt gewesen von der Pandemie und vom Krieg in der Ukraine. In beiden Fällen hat sie eine Schlüsselrolle dabei gespielt, die Union zusammenzuhalten. Ihre Kommission übernahm in der Pandemie die Führungsrolle, als dies notwendig wurde. Das tat sie erneut nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine.

Die wichtigste Aufgabe der nächsten Kommissionspräsidentin oder des nächsten Kommissionspräsidenten wird darin bestehen, die Fähigkeit der EU zu stärken, in der Geopolitik als Einheit zu agieren und mit einer Stimme zu sprechen. Insbesondere angesichts der Bedrohung durch Russland. Ursula von der Leyen hat bereits gezeigt, dass sie es kann.»


«Lidove noviny»: Wählerwille wird bei EU-Spitzenposten missachtet

PRAG: Zur Kandidatur Ursula von der Leyens für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Warum steht Ursula von der Leyen heute an der Spitze der EU-Kommission? Das hat wenig mit den Stimmen der Wähler zu tun, aber dafür umso mehr mit dem, was man das demokratische Defizit nennt. Der französische Präsident Emmanuel Macron wollte den damaligen EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber nicht, sondern jemanden, der die Meinungsvielfalt in der EU verkörpert. So wurde von der Leyen ausgewählt, obwohl sie bei der Europawahl nicht einmal kandidiert hatte. (...) Das ist einfach Politik-Politik, wie sie in dieser oder jener Form überall im Westen betrieben wird. Auf EU-Ebene geht man nur etwas skrupelloser vor. (...) So also gelangte eine Politikerin an die EU-Spitze, die man als Fortsetzung Angela Merkels verstehen kann, als eine Vertreterin der CDU, welche die Politik der Grünen verfolgt. Wird es auch in diesem Jahr so kommen? Das ist hier die Frage.»


«El Periódico»: Putins klare Botschaft an den Westen

MADRID: Vor dem zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine blickt die spanische Zeitung «El Periódico» am Dienstag auf die zehn Jahre nach der Zuspitzung der Kiewer Maidan-Revolution Anfang 2014 zurück:

«Niemand hätte vor einem Jahrzehnt gedacht, dass die Atmosphäre sich so sehr vergiften würde. Aber viele Stimmen haben in dieser Zeit vor der Verwundbarkeit Europas aufgrund des Fehlens einer gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik gewarnt. Währenddessen nimmt der innere Zusammenhalt der russischen Autokratie zu: Wladimir Putin steht einen Monat vor seiner Wiederwahl zum Präsidenten, die Opposition wird brutal zum Schweigen gebracht oder lebt im Exil und ist deshalb nicht in der Lage, die durch Zensur und Propaganda betäubte öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Der Tod von Alexej Nawalny in einem Gefängnis in der Arktis mit allen Merkmalen eines Staatsverbrechens ist weit mehr als eine Warnung an die Dissidenten. Er ist eine klare Botschaft an den Westen: Es ist einzig und allein Putin, der die Spielregeln festlegt, ohne Rücksicht auf Mittel und Menschenleben (...) Die Notwendigkeit einer abschreckenden Aufrüstung an der europäischen Flanke der Nato ist immer schwerer zu bestreiten. Und das nicht nur, weil Donald Trump dies in rüpelhaftem Ton fordert.»


«The Independent»: Gaza-Krieg muss beendet werden

LONDON: Zum militärischen Vorgehen Israels im Gazastreifen meint der Londoner «Independent» am Dienstag:

«Israel hat zwar ein unveräußerliches Recht, sich zu verteidigen, aber es ist nicht mehr klar - wenn es das überhaupt jemals war -, wie die seit den Gräueltaten vom 7. Oktober betriebene massive Kriegsführung mit so vielen zivilen Opfern Israel sicherer machen und nicht Hunderttausende neu radikalisierte Rekruten für die Hamas oder eine andere Terrorgruppe hervorbringen soll. Das ist der fatale Fehler in der israelischen Strategie - und er hilft Benjamin Netanjahu nicht einmal auf der innenpolitischen Bühne.

Schließlich, und das wird immer gefährlicher, verprellt Israel alte Freunde und schafft sich neue Feinde. Die USA, die EU und Großbritannien äußern sich zunehmend kritisch. Zudem ist immer häufiger die Rede davon, dass die Anerkennung Palästinas als souveräner Staat ein früher und nicht erst ein später Schritt in einem Friedensprozess sein sollte. Südafrika und Brasilien, einflussreiche Stimmen auf dem G20-Außenministertreffen in Rio de Janeiro, werfen Israel gar Kriegsverbrechen vor. (...)

Die Hamas ist nicht vernichtet worden, und sie wird aus den Trümmern auferstehen, um Israel erneut zu bedrohen - eine empörende und inakzeptable Aussicht. Israel muss einen besseren Weg finden, diesen Krieg zu führen, oder, besser noch, einen Weg zum Frieden. Das Ende dieses Krieges kann nicht zu schnell genug kommen.»


«NZZ»: Von der Leyen hat vieles richtig gemacht

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Dienstag die erneute Kandidatur Ursula von der Leyens für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin:

«Die EU als geopolitischer Akteur: Was jahrelang nur Schlagwort war, wurde mit dem Überfall auf die Ukraine zum Gebot. Auf die russische Aggression musste eine gemeinsame wirtschaftliche, politische und militärische Antwort gefunden werden. Auch da war von der Leyen schnell und klar. Der Angriff auf die Ukraine, so ihre Botschaft, ist auch ein Angriff auf die EU. Diese muss deshalb alles tun, um den Untergang des Landes zu verhindern.

Flüchtlingsaufnahme, Sanktionen, Finanz- und Waffenhilfen: dass die EU zu dem Kraftakt fähig sein würde, hätten ihr wenige zugetraut (und der Konsens ist oft prekär genug). Doch mit der Einladung an Kiew, EU-Mitglied zu werden, preschte von der Leyen gleich nochmals vor und zwang damit die leise murrenden Mitgliedstaaten auf Kurs.

Die EU-Kommissionspräsidentin hat nur wenig formale Macht. Sie ist letztlich bloß die Vorsteherin einer Verwaltung, die auf den politischen Willen der Mitgliedsstaaten angewiesen ist. Dank ihrem politischen und strategischen Gespür aber hat es von der Leyen mehrfach geschafft, auf den Kipppunkten von Krisen die Themen und Deutungen vorzugeben. Und sie lag damit richtig.»


«De Telegraaf»: Von der Leyen muss ultragrüne Agenda abändern

AMSTERDAM: Ursula von der Leyen strebt eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin an. Dazu heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«In der europäischen Blase überrascht es niemanden, dass von der Leyen eine weitere Runde anstrebt. (...) Die Umfragen sprechen im Moment für von der Leyen. Und was noch wichtiger ist: Die meisten EU-Mitgliedstaaten möchten mit ihr weitermachen.

Das heißt aber nicht, dass die Brüsseler Baronin den bisherigen Kurs beibehalten kann. Immer mehr Mitgliedstaaten, darunter auch die Niederlande, schwenken bei nationalen Wahlen nach rechts. In vielen Ländern gibt es zudem ernsthafte Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.

In den letzten Jahren hat die EU eine Rekordzahl an Umweltvorschriften erlassen, aber die Praxis zeigt, dass die Industrie Schwierigkeiten hat, damit Schritt zu halten. Abgesehen davon verfolgen die Amerikaner einen klügeren Ansatz: Steuererleichterungen statt Subventionen und vor allem weniger Vorschriften statt mehr. Gleichzeitig drängt China mit Elektroautos zu Dumpingpreisen auf den europäischen Markt.

Von der Kommissionspräsidentin wird erwartet, dass sie sich von der ultragrünen Agenda verabschiedet, die sie zusammen mit dem einstigen niederländischen EU-Kommissar Frans Timmermans aufgestellt hatte. Die Klimaziele bleiben bestehen, aber von der Leyen sollte wohl einen weniger ideologisch motivierten Weg einschlagen.»

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