Zeitungen zum Geschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Urteil gegen Kölner Erzbistum

Das hatte man sich in Köln - und nicht nur dort - lange anders vorgestellt: Verantwortungsträger der Kirche wähnten sich nicht nur subjektiv von jeder strafbewehrten Pflicht befreit, alles zu unternehmen, um sexuelle Gewalt an Minderjährigen zu verhindern.

(...) Nun aber hat das Kölner Landgericht eine womöglich historische Entscheidung getroffen (...). Sollte das Kölner Urteil zu ständiger Rechtsprechung werden, würde die Rechtsstellung von Betroffenen eine fundamental andere sein als bisher. (...) Künftig dürften auch Personalverantwortliche im Schulbereich, in der Jugendhilfe oder im Sport zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie (...) dazu beigetragen haben, dass Minderjährige sexuelle Gewalt erleiden mussten. Wenn ihnen schon nicht das Leid von Betroffenen zu denken gibt, dann vielleicht ihr eigenes Schicksal.


«Dziennik»: Das Weimarer Dreieck ist schon lange tot

WARSCHAU: Die polnische Zeitung «Dziennik Gazeta Prawna» befasst sich am Dienstag mit dem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Präsidenten Polens und Frankreichs in Paris:

«Vor dem Treffen des Weimarer Dreiecks gab es einige unangenehme Ereignisse, die den Sinn von Gesprächen mit einem der Partner in Frage stellen. Vor den Konsultationen hatte Kanzler Olaf Scholz die Idee verworfen, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dazu einzuladen. Diese Zurückhaltung lässt sich rational nur schwer begründen. Es sei denn, rational ist für Deutschland die fortwährende Wahrnehmung der Ukraine als «Nicht-ganz-Europa».

Etwa zur gleichen Zeit, beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg, sagte der Kanzler mit entwaffnender Offenheit, dass er «beabsichtigt, (die Gespräche mit Putin - d. Red.) bald zu wiederholen». Er fügte hinzu, die Bedingung für den Frieden sei der Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Es ist erstaunlich, dass Scholz nach mehr als einem Jahr Krieg mental nicht zu dem Schluss gereift ist, der Krieg könne auf dem Schlachtfeld zugunsten der Ukraine entschieden werden. Diese stark postkoloniale Wahrnehmung Mitteleuropas bedeutet, dass diese Treffen einen minimalen Sinn haben. Weimar ist schon lange tot. Das Format taugt nur noch für ein gemeinsames Foto, nicht mehr zur Verständigung.»


«Pravda»: Berlusconi war ein Meister des Populismus

BRATISLAVA: Zum Tod des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi schreibt die linksliberale slowakische Tageszeitung «Pravda» am Dienstag:

«Es stimmt, dass Berlusconi die italienische Politik radikal verändert hat. Aber nicht zum Besseren. Der Meister des Populismus verband wirtschaftliche, mediale und politische Macht in einer Weise wie niemand vor ihm. Nachdem er ganze Stadtviertel und anschließend sein eigenes Medienimperium aufgebaut hatte, gelangte er an die Spitze der italienischen Politik. Den Menschen imponierte, was ihm als Unternehmer gelang. Und ohne Zweifel auch, dass er sich dabei nicht den Kopf zerbrach über Gesetze und Moral. Sie hatten den Eindruck, wenn jemand so erfolgreich im Geschäft sei, müsse er es auch in der Politik schaffen.

Und so glaubten sie seinen Versprechen, Italien zum Besseren zu verändern. Tatsächlich aber machte er das genaue Gegenteil. Er verschuldete das Land und zersetzte den Rechtsstaat. Dennoch glaubten ihm die Menschen weiter und wählten ihn immer wieder. So war er zehn Jahre an der Macht - für italienische Verhältnisse ein Rekord. (...) Auch bei uns fanden sich Nachahmer, die als Unternehmer meinten, Politik sollten reiche Leute machen, weil sie keine parteilichen Interessen hätten, was natürlich ein gewaltiger Unsinn ist. Berlusconi hat in der Politik tiefe Spuren hinterlassen. Er hat sie in eine Farce verwandelt. Und dieses deformierte Bild von ihr ist bis heute geblieben.»


«Dagbladet»: Der Clown, der Italien verführte

OSLO: Die norwegische sozialliberale Boulevardzeitung «Dagbladet» (Oslo) schreibt zum Tod des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi:

«Man sagt, dass das Volk in einer Demokratie den Anführer bekommt, den es verdient. Die Italiener machten Silvio Berlusconi nicht weniger als dreimal zum Ministerpräsidenten. Insgesamt saß er 3340 Tage im Palazzo Chigi, länger als jeder andere in der Nachkriegszeit. Als Ministerpräsident lehnte er es ab, die Reformen einzuführen, die Italien und die Wirtschaft des Landes dringend benötigten. Im Gegenzug ließ er einige maßgeschneiderte Gesetze erlassen, die ihn vor der Strafverfolgung und den Gerichten retten sollten. Anfangs löste dieser politische Clown vor allem Gelächter und Kopfschütteln aus. Doch der Mann, der sich aus dem Nichts zum Reichsten des Landes aufgebaut hatte, traf bei der wachsenden Mittelschicht einen Nerv. In vielerlei Hinsicht war er ein Vorläufer von Donald Trump. Berlusconi warf mit groben Witzen und peinlichen Äußerungen um sich. Doch das hat ihm bei den Wählern offenbar nicht geschadet.»


«Lidove noviny»: Berlusconi fand viele Nachahmer

PRAG: Zum Tod des viermaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Den Staat wie ein Unternehmen führen - heute hört sich das banal an. Doch als Silvio Berlusconi vor 30 Jahren mit diesem Versprechen antrat, war es etwas Neues. Mit seiner Idee erreichte er mehr Leute als gedacht. Berlusconi wurde zur Verkörperung des politischen Unternehmers schlechthin (...) und stand am Beginn einer ganzen Reihe von Nachahmern. Auf ihn folgten Benjamin Netanjahu in Israel, Donald Trump in den USA und Andrej Babis in Tschechien. Sind das alles Teufel in menschlicher Gestalt? Wie man es nimmt. Als Berlusconi mit Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi einen Migrationspakt abschloss, schäumten seine Kritiker vor Wut. Doch angesichts der seitherigen Zerstörung in dem nordafrikanischen Land erinnert sich manch einer vielleicht heute mit Nostalgie daran.»


«De Standaard»: Berlusconi konnte die Demokratie hinters Licht führen

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» beschreibt den verstorbenen italienischen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi am Dienstag als Ideengeber für populistische Politiker vieler Länder:

«Wer glaubt, dass die Welt von dieser clownesken und verschlagenen Figur nichts zu lernen hat, der irrt sich. Auch jetzt, wo er nicht mehr da ist, bleibt die Frage, wie es möglich war, dass so viele Italiener auf diesen mächtigen Clown hereingefallen sind und ihn insgesamt rund 3.340 Tage lang als Ministerpräsident geduldet haben. Denn das ist eigentlich der größte Erfolg von Berlusconi: dass er die Demokratie gleich mehrfach hinters Licht führen konnte.

Die unbequeme Wahrheit ist, dass politische Gegner, Journalisten und viele Italiener dachten, ein solcher Scharlatan habe keine Chance, mehrmals Ministerpräsident zu werden. Dabei unterschätzten sie nicht nur die Macht von Berlusconis Redegewandtheit, Reichtum und politischer Akrobatik, sondern waren vor allem viel zu unkritisch gegenüber ihren eigenen Unzulänglichkeiten. So war Berlusconi also nicht nur ein politisches und moralisches Fiasko, sondern zugleich eine der inspirierendsten Figuren der letzten Jahrzehnte, bei der sich andere Populisten wie Donald Trump, Jair Bolsonaro, Viktor Orban und Giorgia Meloni zahlreiche Ideen abschauen konnten.»


«The Telegraph»: Deutliche Parallelen zwischen Berlusconi und Trump

LONDON: Zum Tod des italienischen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi meint der Londoner «Telegraph» am Dienstag:

«Das eine, was man wohlwollend über Silvio Berlusconi sagen kann, ist, dass er ein schillernder Typ war. Er war der erste einer Reihe populistischer politischer Persönlichkeiten, die in den letzten Jahren in Europa und den USA auftauchten, wobei seine Anziehungskraft ebenso auf seinem volkstümlichen Verhalten wie auf seiner Ideologie beruhte. (...)

In einem Land, in dem sich der Populismus in der Vergangenheit im Aufstieg des Faschismus und Benito Mussolinis manifestiert hatte, positionierte er sich als Atlantiker und trug zur Amerikanisierung der italienischen Politik bei. Er erklärte einmal, dass er immer mit der US-Politik übereinstimmen würde, was auch immer das sei, und unterstützte George Bushs Invasion im Irak im Jahr 2003.

Es ist schwer, Parallelen zu Donald Trump zu vermeiden: Berlusconi war reich, extravagant und geriet regelmäßig wegen angeblichen finanziellen oder sexuellen Fehlverhaltens in Schwierigkeiten. Doch wie bei seinem US-amerikanischen Amtskollegen taten seine Ungehörigkeiten seiner Popularität kaum Abbruch, und trotz all seiner juristischen Probleme wurde er viermal zum Premierminister gewählt.»


«de Volkskrant»: Illegale Migration stellt EU vor Herausforderungen

AMSTERDAM: Angesichts steigender Zahlen von Mittelmeermigranten will die EU-Kommission gemeinsam mit Tunesien effektiver gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorzugehen. Dazu meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Dienstag:

«Betrachtet man das prognostizierte Bevölkerungswachstum in Afrika, dessen geringe Wirtschaftskraft und die politischen Auswirkungen der Migrationsdebatte in Europa, so wird deutlich, dass das Bestreben, die Grenzen in den Griff zu bekommen, eine der wichtigsten europäischen Herausforderungen für die kommenden Jahrzehnte ist. (...)

Die Lösungen müssen über die Verhinderung unerwünschter Einwanderung oder die Bekämpfung von Menschenschmugglern hinausgehen. Es geht auch darum, in die Stabilität und die Wirtschaftstätigkeit in den Ländern zu investieren, und mehr legale (zeitweilige) Arbeitsmigration zuzulassen. Es ist schwierig, bereits von einem «Tunesien-Deal» zu sprechen. Dafür ist noch zu viel unbekannt. Ein Abkommen mit Tunesien muss erst noch konkret ausgehandelt und dann von 27 EU-Mitgliedstaaten besiegelt werden. Aber es ist gut zu sehen, dass sich die Pläne auf Investitionen richten, die mittelfristig die Stärke und Widerstandsfähigkeit Tunesiens stärken sollen.»


«NZZ»: Machtmissbrauch prägte Berlusconis Regierungszeit

ZÜRICH: Zum Tod des italienischen Ex-Regierungschefs Silvio Berlusconi schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Seit Benito Mussolini hatte niemand das Land länger regiert, im demokratischen Italien ist er mit 3339 Tagen an der Macht der längstdienende Ministerpräsident. Berlusconi hätte also durchaus die Zeit gehabt, Italien tiefgreifend umzugestalten und zu modernisieren. Allerdings war das gar nie sein Bestreben. (...)

Einmal im Palazzo Chigi angekommen, widmete er sich sogleich dem eigenen Vorteil. Zahllose Gesetze ließ er sich, seinem Firmenkonglomerat und seinen Günstlingen auf den Leib schneidern. Derweil blieben die strukturellen Probleme Italiens praktisch unangetastet: die Staatsverschuldung etwa, die ineffiziente Verwaltung, die Jugendarbeitslosigkeit oder das Nord-Süd-Gefälle. Während Berlusconi lange jede Verurteilung abwenden konnte, war seine Amtszeit geprägt von Machtmissbrauch, Skandalen und groben Attacken auf alle Gegner. Für Italien waren es verlorene Jahre.»


«DNA»: Mit Berlusconi verschwindet auch ein Archetyp

STRAßBURG: Zum Tod des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Les Dernières Nouvelles d'Alsace» am Dienstag:

«Mit ihm verschwindet nicht nur eine der großen Figuren der italienischen Rechten, sondern auch der Archetyp des ehrgeizigen und unersättlichen Geschäftsmanns, der Politik so betreibt, wie er seine Geschäfte führt, und es geschafft hat, sich im Wahlprozess zu einem Umbruchsmoment durchzusetzen. (...)

Sein Weg deckt sich in Teilen mit dem von (Ex-US-Präsident) Donald Trump, einer Medienfigur und einem silbernen Störenfried, der den Status quo mit dem Versprechen kippte, es besser als die Berufspolitiker zu machen und Amerika wieder stolz zu machen. Die Irrungen der herrschenden Klasse lassen die Tür zu gefährlichen Abenteuern offen. Silvio Berlusconi wusste es, auf die Sehnsüchte der Bevölkerung zu antworten, als diese an ihren Regierenden zweifelte - ein Beispiel für die ungeahnte Macht der Karikatur in der Politik.»

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