Zeitungen zum Geschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Münchner Merkur» zu Habeck/Industriestrategie

Die «Industriestrategie» des grünen Bundeswirtschaftsministers Habeck enthält richtige Ansätze wie schnellere Genehmigungsverfahren, steuerliche Investitionsanreize und Investitionen in Schienen, Brücken und Straßen.

Doch zäumt Habeck das Pferd von hinten auf, wenn er durch die Abschaltung der Atommeiler erst das Energieangebot verknappt, die Strompreise damit in die Höhe treibt und danach die größten Energieverbraucher mit aberwitzig vielen Steuerzahlermilliarden retten will. Dazu kann und darf die FDP ihm nicht die Hand reichen. Habecks Industriestrompreis führt schnurstracks in eine grüne Planwirtschaft, in der einige von der Regierung handverlesene Großverbraucher subventioniert und ans Gängelband der Politik genommen werden, während andere für die Zeche aufkommen müssen und im Wettbewerb keine Chance mehr haben. So werden am Ende alle ärmer.


«Stuttgarter Zeitung» zu Habecks Industriestrategie

Vieles, was Habeck in seiner Industriestrategie vorschlägt, dürfte schon an den Koalitionspartnern scheitern.

Wenn Habeck erneut für einen Industriestrompreis wirbt, hat er die FDP gegen sich. Ebenso wenn es um die Nichteinhaltung der Schuldenbremse geht. Das weiß Habeck selbst. Daher ist es rätselhaft, was er mit diesem Konzept bezwecken möchte. Habeck ist schließlich Minister - also derjenige, der Ideen in konkrete Politik umsetzen muss. Wenn er jetzt eine ganze Reihe an Vorschlägen macht, die in der Koalition keine Mehrheit haben, dann wirkt das schwach - und für ein grünes Wahlprogramm ist es noch deutlich zu früh.


«Le Figaro»: Macrons Israel-Besuch kommt zu spät

PARIS: Zum Israel-Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron schreibt die konservative französische Tageszeitung «Le Figaro» am Dienstag:

« (...) Es dauerte siebzehn Tage, bis er (der französische Präsident Emmanuel Macron) am Dienstag endlich in Israel landete. (...) Hätte man sich nicht in das Präsidentenflugzeug setzen sollen (...) ohne zu zögern? (...) Es bleibt nun Frankreich überlassen, eine Eskalation oder eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern und den Dialog mit den arabischen Führern wieder aufzunehmen (...)

Während sich der Präsident auf eine unsichtbare Telefondiplomatie beschränkte, hat sich die Spaltung der öffentlichen Meinung über den Konflikt vertieft. Heute muss die unerlässliche Freundschaftserklärung an Israel zwangsläufig mit einer Ermahnung zur Mäßigung und zur Einhaltung eines humanitären Rechts einhergehen, von dem die Hamas befreit zu sein scheint (...)»


«Dagens Nyheter»: Erdogan ist nicht zu trauen

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert den Schritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dem Parlament seines Landes den schwedischen Nato-Beitrittsantrag zur Ratifizierung vorzulegen:

«Ist jetzt alles klar? Das sollte es natürlich sein. Allerdings hätte es das schon vor langer Zeit sein sollen. Dass Schweden die Nato sicherer macht, ist offensichtlich, vor allem, weil wir die Verteidigung der baltischen Staaten erleichtern. Die Verzögerung unseres Beitritts hat anderen geschadet und außerdem Wladimir Putin in die Hände gespielt.

Nichts davon hat Erdogan daran gehindert, ein zynisches Spiel zu spielen. Er hat alle möglichen Gründe für die Verzögerung der Ratifizierung angeführt. Erst als der Druck zu groß wurde - im Zusammenhang mit den Gipfeln in Madrid und Vilnius - erlaubte er uns, der Mitgliedschaft einen Schritt näher zu kommen. Nun machen wir einen weiteren Schritt. Darauf zu vertrauen, dass uns das ins Ziel bringt, ist leider schwieriger. Erdogan kontrolliert das eigene Parlament. Will er unseren Antrag noch eine Weile hinauszögern, kann er das tun. Und das kann auch Viktor Orban.»


«Hospodarske noviny»: Ukrainekrieg verliert an Aufmerksamkeit

PRAG: Die Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien warnt am Dienstag davor, den Ukrainekriegs angesichts der aktuellen Entwicklung im Nahostkonflikt aus den Augen zu verlieren:

«Es ist nicht nur eine zynische Marketing-Überlegung, sondern die Realität der internationalen Politik in diesen Tagen: Die Aufmerksamkeit der Medien und der Politiker der westlichen Welt - also der Verbündeten Kiews - hat sich auf Israel und die Befürchtungen vor einem großen Krieg im Nahen Osten verschoben. (...) Das Team um Wolodymyr Selenskyj ist sich der neuen Situation bewusst. Marketing-Experten würden vielleicht zu einer visuellen Veränderung raten, auch wenn man den ukrainischen Präsidenten schwerlich wieder in Anzug und Krawatte kleiden können wird. (...) Nutznießer dieser Entwicklung ist natürlich Russland, das sich bei Awdijiwka um einen Durchbruch bemüht. Jegliche Abkehr der Aufmerksamkeit von der Ukraine spielt dem Kreml in die Hände, dem es genau darum geht, die westlichen Quellen zum Versiegen zu bringen, von denen der ukrainische Kampf abhängig ist.»


«El País»: Rechtsextremismus in Argentinien vorerst gestoppt

MADRID: Zum überraschenden Sieg des Kandidaten der linken Regierung Sergio Massa in der ersten Runde der Präsidentenwahl in Argentinien, bei der es allerdings am 19. November eine Stichwahl geben wird, schreibt die spanische Zeitung «El País» am Dienstag:

«Argentinien hat den Rechtsextremismus vorerst gestoppt (...) In der zweiten Runde wird das Land aber entscheiden müssen, ob es den Vorschlägen des Rechtsextremisten Javier Milei einen endgültigen Riegel vorschieben will (...) Massa muss nun um die Stimmen aller demokratischen Kräfte werben. Insbesondere um jene der sechs Millionen Argentinier (circa 24 Prozent), die sich am Sonntag für Patricia Bullrich, die Vertreterin des konservativen Bündnisses Juntos por el Cambio (Gemeinsam für den Wandel) entschieden haben.

(...) Die Last, die Massa zu tragen hat, ist zweifellos groß. Und seine Herausforderung ist enorm. Als Finanzminister war er nicht in der Lage, Antworten auf die steigende Inflation, die zunehmende Armut und die sinkende Produktion zu geben. Aber eine Wirtschaftskrise, wie schwerwiegend sie auch sein mag, darf nicht als Vorwand für extreme Lösungen dienen (...) Argentinien hat dem Messianismus zumindest vorerst eine Absage erteilt. Es ist wichtig, dass dieser Schutzwall mit einem Abkommen aller politischen Kräfte, die die Demokratie verteidigen, in der zweiten Runde am 19. November verstärkt wird.»


«Washington Post»: Neuer Ansatz für Demokratie in Venezuela riskant

WASHINGTON: Zum kürzlich geschlossenen Abkommen zwischen Venezuelas Opposition und dem autoritären Staatschef Nicolás Maduro über eine faire Präsidentenwahl im kommenden Jahr und dem daraufhin von Washington erlaubten Verkauf von Öl aus dem südamerikanischen Land auf dem US-Markt schreibt die «Washington Post»:

«Präsident (Joe) Biden versucht in Abstimmung mit der politischen Opposition Venezuelas einen neuen Ansatz für den Umgang mit einer ehemals wohlhabenden und demokratischen südamerikanischen Nation, die jetzt ruinös von einer linken Autokratie regiert wird. Es ist ein großes Wagnis, eine Wette darauf, dass der diktatorische Präsident Nicolás Maduro demokratische Wahlen zulässt und im Gegenzug einige der Sanktionen gelockert werden, die die USA gegen das Land verhängt haben.

Abseits der Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela hat Biden reichlich Grund, eine Einigung anzustreben. Maduro hat einen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch herbeigeführt, der zu einem Ansturm venezolanischer Migranten an der US-Grenze geführt hat. Aber das Risiko besteht darin, dass Maduro nur halbe Sachen liefert und die Gewinne einstreicht. Um dies zu vermeiden, müssen die USA das venezolanische Regime genau im Auge behalten und erneut Sanktionen verhängen, wenn es versucht, legitime Wahlen zu verhindern - eine durchaus klare Möglichkeit.»


«Financial Times»: US-Republikaner hoffnungslos zerstritten

LONDON: Zum Streit der Republikaner um die Wahl eines neuen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses meint die Londoner «Financial Times» am Dienstag:

«Die USA haben nun schon seit rund drei Wochen kein funktionierendes Repräsentantenhaus mehr. Angesichts des fehlenden Konsenses der Republikanischen Partei bei der Wahl des Speakers ist schwer zu erkennen, was dieses Chaos beenden könnte. Die Tatsache, dass der US-Regierung Mitte November das Geld ausgeht und Joe Biden dringend Mittel für die Ukraine und Israel benötigt, sollte eigentlich ausreichen, um jede vernünftige Partei wachzurütteln - bei den hoffnungslos zerstrittenen Republikaner ist das aber offensichtlich nicht der Fall. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass die US-Demokratie in einem Moment akuter geopolitischer Spannungen in der Welt nicht mehr präsent zu sein scheint. Zum jetzigen Zeitpunkt ist schwer zu sagen, was als ausreichend peinlich gelten würde, um die Republikaner doch noch zum Handeln zu bewegen.»


«The Times»: Personenkult ist Trumpf des Wagenknecht-Bündnisses

LONDON: Zur Gründung des Bündnisses Sahra Wagenknecht heißt es am Dienstag in der Londoner «Times»:

«Die politische Landschaft in Deutschland wird durch das Aufkommen einer Anti-Establishment-Partei erschüttert, die sich selbst als «linkskonservativ» bezeichnet und Kritik an der Masseneinwanderung mit Pazifismus und Unterstützung für einen starken Sozialstaat verbindet. Das Störpotenzial der Bewegung ist jedoch schwer einzuschätzen. Vorläufig besteht das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus wenig mehr als Wagenknecht, einem halben Dutzend ihrer engsten Verbündeten im Bundestag, einem wenig bekannten IT-Millionär und einer einfachen Website mit einer Handvoll Plattitüden anstelle eines politischen Programms. (...)

Der größte Trumpf der Bewegung ist der Personenkult um ihre Anführerin, die als drittpopulärste Politikerin in Deutschland gilt. Wagenknecht, eine frühere Spitzenpolitikerin der Linkspartei, teilt viele der Kritikpunkte der AfD am Status quo und hat sich ähnlich wie diese gegen Corona-Lockdowns sowie gegen die Migrationspolitik der Regierung ausgesprochen. Wie die AfD befürwortet auch sie sofortige Friedensverhandlungen mit Russland sowie ein Ende der Sanktionen gegen Moskau und der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Ihre Auftritte bei Antikriegskundgebungen haben ihren Status als einer der Superstars der deutschen radikalen Politik gefestigt.»


«NZZ»: Ein Themenstaubsauger für Unzufriedene

ZÜRICH: Zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Wagenknecht will nicht als antikapitalistische Kulturkämpferin erscheinen. Ihr zentrales Interesse, sagte sie jetzt, gelte dem Mittelstand und der «arbeitenden Bevölkerung». Wie passen damit ihre zahlreichen Aussagen zusammen, der Kapitalismus sei «alt, krank und unproduktiv» und müsse durch einen «kreativen Sozialismus» ersetzt werden? In ihrem 2011 erstmals erschienenen Buch «Freiheit oder Kapitalismus» schreibt sie, der Kapitalismus zerstöre die Fundamente der Demokratie. Kein Mittelständler würde diesen Satz unterschreiben.

Vollends unklar ist auch, mit welchen Rezepten sie an der Seite linker Mitstreiter die Zuwanderung minimieren will. Als Ein-Frau-Projekt wird das Bündnis ebenso wenig eine Zukunft haben wie als gigantischer Themenstaubsauger, der jede Unzufriedenheit unterschiedslos aufgreift. Sahra Wagenknecht stellt die Machtfrage. Will sie vom Wähler eine positive Antwort erhalten, muss sie ihm mehr bieten als den Ausdruck einer allumfassenden Empörung.»

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Jürgen Franke 25.10.23 18:01
Die Medien werden schon dafür
sorgen, dass die Wagenknecht den Erfolg der AfD verkleinert, denn mehr ist nicht zu erwarten, da die Bürger normalerweise Parteien wählen und keine Personen.
Ole Bayern 25.10.23 15:30
Kommentar der NZZ / Wagenknecht
... guter Beitrag der NZZ , dem kann man nur 100 % ig zustimmen.
Vieles scheint vergessen, was so Frau Wagenknecht in der Vergangenheit von sich gab.
Sie hatte nie ein Amt inne , war nur Mandatsträger seit der SED Diktatur welche sich 1991 in PDS umbenannte , dann Linke usw. , denen sie allen angehörte.
Sie hat immer Unfrieden und Misstimmung in die linke Bewegung gebracht, das war und ist ihr Markenzeichen.
Nun ja , da hat sie bestimmt ihr Ehemann Lafontaine hinreichend beraten wie man so etwas tut , den Eigennutz vor den Gemeinutz der Partei zu stellen und auch so zu argumentieren.
Er ist ja in dieser Sache de fakto " der Fachmann " , wie man einer Partei am besten schaden, und sie spalten kann,
wenn man seinen Schädel - d.h. Meinung - nicht durchsetzen kann.

VG Ole
Bernd Lange 25.10.23 14:40
Mit Wagenknecht auf in die Vergangenheit!
Da kommt ja wieder viel Geplapper und Frust auf die Deutschen zu!