Zeitungen zum Geschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Drohnenangriff auf Moskau

Der Ukraine-Krieg gewinnt eine neue Dynamik.

An den Frontlinien gibt es kaum Bewegung. Neu sind die massiven Drohnenangriffe auf Kiew, die seit Mitte Mai zugenommen haben. Am Dienstag gab es auch Drohnenattacken auf Moskau. Dieser Krieg wird nicht nur auf dem Schlachtfeld ausgetragen. Die Ukrainer haben ein Interesse daran, in der Bevölkerung und in der Elite Russlands Zweifel am System Putin zu säen. Russland will die Ukrainer zermürben, ihren Widerstandswillen brechen, bevor die eigentliche Frühjahrsoffensive startet. Die Drohnenattacken sind auch Teil der Vernichtungsstrategie, die Putin verfolgt. Irgendwann - so sein Kalkül - werden die Gesellschaften zwischen Washington und Berlin kriegsmüde. Der Ruf nach Verhandlungen um jeden Preis dürfte dann immer lauter werden. Der Drohnenkrieg ist auch ein Psychokrieg.


«Stuttgarter Zeitung» zu Kosovo

Eine Versöhnungsmission geht in den Flammen der Molotowcocktails auf.

Erst vor zwei Monaten hatte die EU hoffnungsfroh einen Deal zur Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien verkündet. Doch der von Brüssel mit viel Aufwand seit 2011 moderierte Nachbarschaftsdialog der unwilligen Nachbarn ist in seiner bisherigen Form gescheitert. Einerseits hat Serbien an einer Normalisierung der labilen Nachbarschaftsehe kein Interesse, da diese einer faktischen Anerkennung der abgelehnten Eigenstaatlichkeit der Ex-Provinz gleichkommen würde. Andererseits erschwert es die auf beiden Seiten ausgebliebene Aufarbeitung der eigenen Kriegsvergangenheit auch Pristina, die Interessen der schrumpfenden Minderheit der Kosovo-Serben zu respektieren. Allein aus geopolitischem Eigeninteresse kann der Westen die Dauerstreithähne kaum sich selbst überlassen. Doch gutes Zureden allein genügt nicht. Eine härtere Gangart seitens Brüssel ist unumgänglich.


«Handelsblatt» zu Wärmewende/Heizungsgesetz

Der bisherige Gesetzentwurf ist handwerklich an vielen Stellen schlecht, und das zugehörige Förderprogramm muss endlich konkret werden.

Besser wird das nur durch Beratungen ohne Schaum vor dem Mund. Keine Wärmewende ist mit Blick aufs Klima keine Option. Eine Verschiebung des Starttermins auf 2025 scheint unausweichlich, wegen des tiefen Eingriffs ins Privatleben, aber auch wegen der politisch geschürten Verunsicherung. Darüber hinaus müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um künftige Transformationen per CO2-Preis zu steuern. Dafür braucht es politischen Mut und ein Klimageld zum sozialen Ausgleich.


«Frankfurter Rundschau» zu Urteil im Cum-Ex-Prozess

Das Urteil gegen Hanno Berger war keine Überraschung mehr.

Mit den Cum-Ex-Tricks hat ein Netzwerk aus Superreichen und Steuerfachleuten hohe Millionensummen vom Staat erbeutet, und Berger war ein Konstrukteur dieser Deals. Der uneinsichtige Hesse hat bis zum Schluss nicht verstanden, dass sein Handeln nicht nur hochgradig asozial war, sondern auch illegal. Berger fühlte sich zu Unrecht verfolgt. Auch wenn er in diesem Punkt irrt: Es wäre falsch, den ehemaligen Finanzbeamten als alleinigen Schurken abzustempeln. Das würde den Blick verstellen auf eine ganze Branche der Gier, auf die strukturellen Defizite bei der Kontrolle und damit auf ein politisch nicht vollständig aufgearbeitetes Staatsversagen. Das Geschäft mit der «Steuervermeidung» blüht auch jenseits von Cum-Ex-Skandalen. Kaum jemand verkörpert die Skrupellosigkeit dieses Geschäftsmodells so sehr wie der unscheinbare Herr Berger. Für ihn hat es sich am Ende nicht ausgezahlt.


«Rzeczpospolita»: Erdogan siegte trotz fataler Bilanz

WARSCHAU: Zur Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Dienstag:

«Wie ist es möglich, dass der Mann, der dem türkischen Volk die Freiheit nahm, es seiner Hoffnungen auf eine Integration in die EU beraubte, nach dem tragischen Erdbeben im Februar komplett versagte und die Inflation so anheizte, dass Millionen ihr Hab und Gut verloren, wieder Präsident wird? Das ist eine Frage, die nicht nur für die Türkei gilt, sondern für einen Großteil der Welt. Die USA, wo Donald Trump an die Macht zurückkehren könnte. Frankreich, wo Marine Le Pen bei den letzten Präsidentenwahl mehr als 40 Prozent der Stimmen bekam.

Die Antwort ist in allen Fällen die gleiche: populistischer Nationalismus. In der Türkei hat Erdogan den gesamten Staatsapparat aktiviert, um an der Macht zu bleiben. Die Menschen wurden von den servilen Staatsmedien mit Kritik an der Opposition und Lorbeeren für den Präsidenten bombardiert. Trotz der desolaten Lage der öffentlichen Finanzen wurde zudem eine Welle staatlicher Subventionen in Gang gesetzt. Die Wahlen selbst waren jedoch grundsätzlich fair und spiegeln, zumindest bis zu einem gewissen Grad, die tatsächliche Stimmung in der Bevölkerung wider.»


«Wall Street Journal»: Politische Einigkeit zahlt sich aus

NEW YORK: Nach dem Kompromiss für einen Gesetzesentwurf zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten schreibt das «Wall Street Journal» am Dienstag:

«Eine geteilte Regierung ist selten schön, aber manchmal kann sie zu guten Ergebnissen führen. Das ist der Fall bei der am Wochenende ausgehandelten Vereinbarung über die Schuldenobergrenze von Präsident Biden und Kevin McCarthy, dem (republikanischen) Vorsitzenden des Repräsentantenhauses. Sie zeigt, was passieren kann, wenn die Republikaner im Repräsentantenhaus zusammenhalten.

Die Einigung ist ein bedeutender Sieg für die Prioritäten der Republikaner, im Gegenzug für die Anhebung der Schuldenobergrenze, die ohnehin angehoben werden musste. Biden versuchte, die Republikaner zu einer reinen Schuldenerhöhung zu drängen, aber diese zwangen ihn an den Verhandlungstisch (...). Die Lehre daraus ist, dass sich politische Einigkeit auszahlt. (...)

Wenn das Abkommen den Kongress passiert, wird es die Behauptung der Demokraten widerlegen, dass die Republikaner nicht regierungsfähig sind. McCarthys Truppen beweisen, dass sie es können, und die Konservativen wären dumm, wenn sie die Siege in diesem Abkommen aufgäben.»


«Gazeta Wyborcza»: Für Polens Präsidenten zählen nur Parteiinteressen

WARSCHAU: Polens Präsident Andrzej Duda hat ein umstrittenes Gesetz zur Untersuchung einer möglichen russischen Einflussnahme unterschrieben. Dazu meint die polnische Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» am Dienstag:

«Präsident Andrzej Duda, der eigentlich die Verfassung schützen sollte, hat ein offenkundig verfassungswidriges und antidemokratisches Gesetz über eine Kommission zur Untersuchung der russischen Einflussnahme unterstützt. Er wird als ein Mann in die Geschichte eingehen, dem die Parteiinteressen seines inneren Kreises wichtiger sind als die Interessen Polens.

Der Vorsitzende der (nationalkonservativen Regierungspartei)PiS, Jaroslaw Kaczynski, und sein innerer Kreis machen keinen Hehl daraus, dass das Hauptziel der Kommission die wichtigsten politischen Gegner sind, allen voran der Chef der (oppositionellen) Bürgerplattform, Donald Tusk. Sie verbergen nicht, dass es darum geht, jeden aus dem öffentlichen Leben zu entfernen, der den Regierenden nicht gefällt. Und darum, der PiS zu helfen, nach den Parlamentswahlen im Herbst an der Macht zu bleiben. Auch, damit ihre Vertreter nicht für notorische Verfassungsbrüche und politische Korruption zur Rechenschaft gezogen werden können.»


«Dagens Nyheter»: Erdogans Gegner bekam niemals eine faire Chance

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Dienstag den Wahlsieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan:

«Man sollte nicht so tun, als wäre das hier irgendeine demokratische Wahl gewesen: Erdogan hat dadurch gewonnen, dass sein Widersacher niemals eine faire Chance erhalten hat. Erdogan hat die Macht bei sich gesammelt und die Presse gezüchtigt. Oppositionspolitiker wie Herausforderer Kemal Kilicdaroglu dürfen im besten Fall zu unfairen Bedingungen dabei sein. Im schlimmsten Fall werden sie daran gehindert, sich aufstellen zu lassen, oder ins Gefängnis gesteckt, so wie Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamogl oder HDP-Anführer Selahattin Demirtas.

Die Reise, die die Türkei in den vergangenen 20 Jahren unternommen hat, ist nicht einzigartig. Dieselbe unternahm Venezuela erst unter Hugo Chávez und dann unter Nicolás Maduro, genauso wie Russland unter Wladimir Putin. Viktor Orbán treibt Ungarn in dieselbe Richtung. Wahlen finden weiter statt. Oft wird kein Betrug benötigt - unfaire Bedingungen reichen völlig aus. Aber wenn es nötig wird, um sich an der Macht zu halten, scheuen diese Anführer selten vor groberen Methoden zurück. Oppositionspolitiker werden daran gehindert, sich aufzustellen, sie werden inhaftiert - oder noch Schlimmeres.»


«de Volkskrant»: Türkei bleibt ein launischer Partner

ZÜRICH: Zur Wiederwahl des türkischen Präsidenten Erdogan schreibt die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Dienstag:

«Im weltweiten Kampf zwischen Demokratie und Autokratie ist das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in der Türkei ein Rückschlag. Während autoritäre Führer wie Trump und Bolsonaro knapp verloren haben, errang der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan einen knappen Sieg. (...) Es ist zu befürchten, dass Erdogan in den nächsten fünf Jahren weiter Gegner verfolgen, die Pressefreiheit noch mehr einschränken und die Macht noch stärker auf seine Person konzentrieren wird. Auch die Stellung der Frauen ist gefährdet, da Erdogan ein Gesetz zum Schutz von Frauen vor Gewalt abschaffen will. Für die Europäische Union bedeutet die Wiederwahl Erdogans, dass die strategisch so wichtige Türkei ein launischer und opportunistischer Partner bleiben wird.»


«DNA»: Erdogans Zeit ist nun gekommen

STRAßBURG: Zur Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schreibt die französische Tageszeitung «Les Dernières Nouvelles d'Alsace» am Dienstag:

«Und jetzt die Welt! Oder zumindest zunächst der Nahe und Mittlere Osten. Der türkische Präsident (...) hat nun die Hände noch freier, um sein großes Ziel zu vollenden: dieses Jahrhundert zu dem der Türkei zu machen. (...)

Er hat als einer der ersten verstanden, dass der Westen das Weltgeschehen nicht mehr vollständig im Griff hat und dass Plätze für Mittelmächte wie die Türkei frei werden. Insbesondere wenn sie den Willen haben und ihre geopolitischen, kulturellen und/oder wirtschaftlichen Vorteile zu nutzen wissen. Die Türkei weiß diese so gut einzusetzen, dass sie sogar zum Hauptvermittler im Krieg um die Ukraine wurde. Erdogans Zeit ist nun gekommen.»


«NZZ»: Der Türkei droht ein böses Erwachen

ZÜRICH: Zum erneuten Wahlsieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Die Türkei hatte die Wahl, und sie hat sich entschieden: für einen Präsidenten, der zwar die Urnen zur Legitimation nutzt, aber sonst als Autokrat regiert, ohne Rücksicht auf jene Hälfte der Gesellschaft, die seine ideologische Vision nicht teilt. Für einen Präsidenten, der sich auf den Willen der Nation beruft, aber jeden als Terroristen verfolgen lässt, der ihn zu kritisieren wagt. Für einen Präsidenten, der den Staat als Besitz seiner Partei begreift und nach Belieben für seinen revisionistischen, neoosmanischen Traum einer «neuen Türkei» nutzt.

Die Beschneidung der Pressefreiheit, die Politisierung der Justiz, die Aushöhlung der Demokratie - all das war für 52 Prozent der Wähler kein Grund, Recep Tayyip Erdogan die rote Karte zu zeigen. (...) Dabei schmelzen ihre Ersparnisse, der Lohn reicht kaum mehr für die Miete, und jeder Gang in den Supermarkt schmerzt. Schon bald könnte es zudem ein böses Erwachen geben. Denn dem Land droht eine Finanz- und Währungskrise wie 2001, als die Banken kollabierten und die Lira komplett entwertet wurde. Schon länger kann sich die Regierung nur dank den Milliarden von befreundeten Golfstaaten und Russland über Wasser halten.»


«La Vanguardia»: Sánchez' Flucht nach vorn

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Dienstag die von Regierungschef Pedro Sánchez (PSOE) nach der Niederlage der Linken bei Regionalwahlen angesetzte Neuwahl:

«Das sozialistische Debakel am Sonntag war so groß, dass Sánchez die Parlamentswahl auf Juli vorzog, damit wir die Niederlage vergessen. Statt lange über die Ursachen zu reden, geraten wir alle in die Hitze eines neuen Wahlkampfs. Er hat dies bereits im Juni vergangenen Jahres so gemacht, als er nach dem Sieg der (konservativen Oppositionspartei) PP in Andalusien eine Kampagne startete, um den NATO-Gipfel in Madrid bekannt zu machen und so von dem schlechten Ergebnis abzulenken. Das nennt man Weglaufen.

Sánchez hat in der Vergangenheit oft Mut bewiesen und schwierige Situationen überstanden. Die Operation aber, die er nun (mit der Neuwahl) gestartet hat, erscheint angesichts der Stärke von PP und (der rechtspopulistischen) Vox riskant. Der Wahlkampf wird mit der Bildung neuer regionaler und kommunaler Regierungen zusammenfallen, die aus Pakten zwischen diesen beiden Parteien bestehen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob der Einzug der Ultrarechten in die Institutionen auf breite Ablehnung in der Gesellschaft stößt. Die PSOE wird versuchen, damit die PP zu zermürben. Wir werden sehen.»


«The Telegraph»: Türkischer Nationalismus ist Erdogans Stärke

LONDON: Zur Wiederwahl des türkischen Präsidenten Erdogan meint die britische Zeitung «The Telegraph» am Dienstag:

«Viele westliche Spitzenpolitiker hatten gehofft, dass Präsident Erdogan gehen muss, doch nun müssen sie angesichts der Bedeutung der Türkei als strategische Regionalmacht und Nato-Mitglied einen Weg finden, mit der neuen Realität zu leben. Erdogans Engagement für das Militärbündnis ist jedoch wankelmütig - er blockiert die Mitgliedschaft Schwedens in der Nato mit der Behauptung, das Land beherberge kurdische Terroristen. Andererseits pflegt der türkische Präsident eine Beziehung zu Wladimir Putin, die dazu beigetragen hat, die ukrainischen Getreideexporte über das Schwarze Meer zu ermöglichen. Er könnte dabei helfen, ein Abkommen zur Beendigung des Krieges zu vermitteln.

Präsident Erdogan gilt als Islamist, doch seine Stärke beruht auf dem türkischen Nationalismus, nicht auf der Religion. Montag war der Jahrestag der Eroberung von Konstantinopel 1453 durch die Osmanen. Diese Geschichte hat Präsident Erdogan in seiner Amtsführung hochgespielt. Sein Appell an die kulturelle Nostalgie erwies sich als erfolgreicher Ansatz. Ob das ein tief gespaltenes Land vereinen wird, ist jedoch fraglich.»

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