Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu 29-Euro-Ticket

Es ist eine Herzensangelegenheit der SPD, die CDU hat nichts dagegen: Die Verlängerung des 29-Euro-Tickets über den April hinaus bis zum Ende des Jahres.

200 Millionen Euro sind dafür im Haushalt durch die gegenwärtige Landesregierung bereit gestellt. Aber daraus könnte nichts werden. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sehen sich außerstande, rechtzeitig die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Die BVG gerät bereits mit der Einführung des 49-Euro-Tickets, das ab Mai deutschlandweit gilt, an den Rand der Überforderung, teilte das Verkehrsunternehmen CDU und SPD mit, die gerade über eine neue Landesregierung verhandeln. Das Scheitern wäre ein erster großer Rückschlag für Schwarz-Rot. Sollte nun tatsächlich eine Lücke von acht Monaten entstehen, bevor eine Anschlusslösung vorliegt, würde das den Auftakt von Schwarz-Rot empfindlich stören. CDU und SPD müssten sich etwas Neues ausdenken, um ihr Bündnis mit einem Erfolg zu starten.


«de Volkskrant»: Europa braucht strategische Autonomie

AMSTERDAM: Die EU-Kommission will eine klimaneutrale und krisenfeste Wirtschaft in Europa fördern. Dazu meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Samstag:

«Die EU-Kommission hat zwei Gesetzentwürfe vorgelegt, die Europa bei seiner grünen Transformation weniger abhängig von China, den USA und anderen Teilen der Welt machen sollen. Der Net-Zero Industrial Act soll sicherstellen, dass europäische Unternehmen unter anderem bei der Produktion von Solarzellen, grünem Wasserstoff oder Windturbinen wettbewerbsfähig sind. Mit dem Critical Raw Materials Act soll erreicht werden, dass Europa über die Rohstoffe verfügt, die für den grünen Wandel benötigt werden.

Strategische Autonomie ist das Schlagwort in Brüssel: Europa muss auf eigenen Beinen stehen. Beide Gesetzentwürfe sind als überfällige Instandsetzungsmaßnahmen zu begrüßen. Natürlich gibt es auch kritische Anmerkungen. Der Gesetzentwurf zur grünen Industrie etwa trägt zu einem Subventionswettlauf bei, in dem große, profitable Unternehmen Europa und Amerika gegeneinander ausspielen könnten. Und der Abbau von Rohstoffen vor Ort in Europa könnte die Umwelt und die Landschaft beeinträchtigen. Aber die EU hat kaum eine andere Wahl. Wenn China und die USA ihre Unternehmen großzügig unterstützen, kann Europa schwerlich abseits stehen.»


«El Mundo»: Macron stellt Allgemeinwohl vor Partikularinteressen

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Samstag die umstrittene Rentenreform des französischen Präsidenten Emmanuel Macron:

«Macron hat sich auf einen Kraftakt eingelassen, bei dem die Zukunft Frankreichs und sein politisches Überleben auf dem Spiel stehen. Der französische Präsident beharrt auf ein Projekt, das er für so wichtig hält, dass er es per Dekret gegen Demonstrationen und gegen das Parlament durchsetzt. Jetzt muss er dem Druck standhalten, ihn auf zweierlei Weise in die Enge zu treiben: politisch durch Misstrauensanträge im Parlament und gewerkschaftlich in Form von Demonstrationen.

Macron will das französische Wohlfahrtssystem abspecken angesichts einer alternden Bevölkerung und in einer Zeit, in der die Pandemie und der Krieg in der Ukraine die öffentlichen Kassen leeren. Das Gemeinwohl muss dabei vor kurzfristigen Interessen stehen. Seine Strategie ist riskant. Wenn nur einer der Misstrauensanträge Erfolg hat, muss er das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen. Aber Macron muss standhaft bleiben, um eine Reform durchzusetzen, die die Lasten für zukünftige Generationen mindert.»


«The Guardian»: Irakkrieg hat die USA geschwächt

LONDON: Zur Bilanz des Irakkrieges 20 Jahre nach seinem Beginn schreibt die britische Zeitung «The Guardian» am Samstag:

«Welche Erleichterung oder Freude die Iraker auch immer über den Sturz des gewalttätigen und unterdrückerischen Regimes von Saddam Hussein empfunden haben mögen, sie wurden bald von dem nun folgenden Schrecken überlagert. (...)

Die Invasion (der USA) machte die Hoffnungen auf eine Stabilisierung Afghanistans zunichte, indem sie Aufmerksamkeit, Ressourcen und Truppen von dort abzog. Sie hat den Iran gestärkt und ermutigt. Sie hat Nordkorea in seiner Überzeugung bekräftigt, dass der Erwerb von Massenvernichtungswaffen unerlässlich ist. Sie hat das Ende des kurzen Moments einer unipolaren Weltordnung beschleunigt und zugleich die Visionen einer auf Regeln basierenden globalen Ordnung untergraben.

Ein militärisches Abenteuer, das von vielen Akteuren nach den Anschlägen vom 11. September als forsche Bekräftigung der Vormachtstellung der USA gedacht war, hat das Land nur geschwächt und unterminiert - umso mehr angesichts der Schrecken von Abu Ghraib und der weit verbreiteten Brutalität gegen Zivilisten.»


«NZZ»: Putin steht nun offiziell am Pranger

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Samstag den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC) gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin:

«Zahllose Personen in weiten Teilen der Welt dürften aufatmen: Endlich kommt auch einmal einer der ganz Großen dran. (...) Dennoch hinterlässt der Paukenschlag ein schales Gefühl. Oft wird ein Haftbefehl aus Rücksicht auf Opfer, Zeugen und die Integrität der laufenden Untersuchung geheim gehalten. Diesmal haben die Richter entschieden, ihn sogleich öffentlich zu machen. Sie rechtfertigen dies mit der Hoffnung, das Wissen um den Haftbefehl könnte vor weiteren Straftaten abschrecken. Doch das ist sehr unwahrscheinlich.

Der Kreml hat sogleich mitteilen lassen, die Haftbefehle gegen Putin und eine Mitstreiterin seien bedeutungslos. Sie können in Russland, das kein Unterzeichner des Römer Statuts ist, nicht vollzogen werden. Die Gewissheit, ohnehin bereits im Visier des ICC zu sein, könnte Putin noch mehr enthemmen, Kriegsverbrechen in der Ukraine anzuordnen oder zuzulassen - er hat nichts mehr zu verlieren.

Gleichzeitig fragt sich, wie Putin dereinst in Friedensverhandlungen eintreten kann mit der Ukraine und dem hinter ihr stehenden Westen, die in aller Öffentlichkeit seine Strafverfolgung als Kriegsverbrecher unterstützen. Putin steht nun offiziell am Pranger. Verhandlungen auf Augenhöhe über eine Beendigung des Krieges sind so schwer denkbar. Ein Waffenstillstand rückt damit in weitere Ferne.»


«Magyar Nemzet»: Ukraine-Krieg ist im Interesse der US-Eliten

BUDAPEST: Über die möglichen Auswirkungen der nächsten US-Präsidentschaftswahl auf die Unterstützung Washingtons für die von Russland angegriffene Ukraine schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Samstag:

«Man kann davon ausgehen, dass wie schon 2020 Trump und Biden aufeinandertreffen werden. (...) Biden würde den Krieg fortführen, «so lange es nötig ist». (...) Trump hingegen würde, die Zeichen der Zeit erkennend, eher für den Frieden kämpfen. Er würde das Schreckensbild vom Dritten Weltkrieg an die Wand malen. (...)

Biden wiederum könnte nur mit einem ernsthaften Gesichtsverlust von seinem Standpunkt abweichen. (...) Der Krieg in der Ukraine steht nicht im Interesse der durchschnittlichen Amerikaner, sondern in dem der amerikanischen Eliten. Trumps Wähler (...) bilden die stille Mehrheit gegen den Krieg, und zwar nicht aus pazifistischen Erwägungen, sondern weil sie auf den gesunden Menschenverstand und die eigenen Interessen hören und sich gegen die aus den Medien und der Massenkultur strömende Verblendung wenden.»

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Carsten Putfarken 19.03.23 20:00
wob
Wenn mann keine Ahnung hat, sollte mann nicht so grosse Töne spucken, Dumpfbacke

Die Suspendierung der EU-Mitgliedschaft ist ein Verfahren der Europäischen Union (EU), mit dem eine Verletzung der Grundwerte der Europäischen Union nach Art. 2 EU-Vertrag durch einen Mitgliedstaat sanktioniert werden kann. Grundlage dafür ist Art. 7 EU-Vertrag. Diese Bestimmung wurde ursprünglich durch den Vertrag von Amsterdam eingefügt.
michael von wob 19.03.23 16:20
@ Carsten Putfarken
So ein Quatsch. Die EU kann kein Land ausschließen !
Carsten Putfarken 19.03.23 16:00
Rolf W. Schwake
100% Zustimmung.
Es wird Zeit, Ungarn aus der EU auszuschliessen
Rolf W. Schwake 19.03.23 13:50
"Magyar Nemzet" ist eine Schande ...
... für die ungarischen Erinnerungen an das Jahr 1956 und das Blut unschuldiger ungarischer Patrioten, die von einem verbrecherischen Ursupator vernichtet wurden. Nun versucht dieses Sprachrohr des aktuellen ungarischen Despoten, der die Freiheit und Integrität seiner Landsleute verrät, vom verbrecherischen russischen Angriffskrieg abzulenken, von schlimmsten Menschenrechtsverletzungen, ständigem Erpressen der Weltbevölkerung, täglichen Kriegsverbrechen, dauernden Lügen, ja sogar dem massenhaften Verschleppen von Kindern! Das ist widerwärtig und mit nichts zu rechtfertigen!