Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Abbiegeassistenten

Es gibt Verkehrsunfälle, die sich kaum verhindern lassen.

Wenn plötzlich ein Reh auf der Fahrbahn steht und der Autofahrer trotz angepasster Geschwindigkeit ins Schleudern gerät, können die Folgen verheerend sein. Andere Unfälle wären dagegen sehr wohl vermeidbar. Womit wir beim Thema der elektronischen Abbiegeassistenten für Lkw wären. Die Hilfssysteme sind längst ausgereift, und gemessen an den Gesamtkosten eines Lkw kosten sie auch nicht viel. Verpflichtend ist der Einbau aber noch nicht. Das ist eine Schande. Warum das nicht längst passiert ist? Speditionsfirmen konnten auf EU-Ebene offenbar ihre Lobby-Interessen durchsetzen - und der Politik fehlte die Kraft, um in den Dschungel von EU-Recht, bundesweit geltender Straßenverkehrsordnung und kommunaler Kompetenzen eine Schneise der verkehrspolitischen Vernunft zu schlagen. Was bleibt, ist die Wut.


«Frankfurter Rundschau» zum Verbot der Rockergruppe Bandidos

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat mit Innenministern der Länder die Rockergruppe «Bandidos MC Federation West Central» verboten.

Dabei sind die Bandidos nur eine Facette eines größeren Problems, das den Titel trägt: Organisierte Kriminalität - kurz: OK. In Deutschland gibt es neben den Bandidos die Hells Angels. Beide Gruppen kämpfen um die Vorherrschaft bei Waffen-, Drogen- und Menschenhandel. Die Rocker sind Teil der OK. Die OK ist auch ein europäisches Phänomen. Ein Blick in andere Länder zeigt, wie bedrohlich die Lage werden kann. In Malta traf es 2017 die Journalistin Daphne Caruana Galizia, in der Slowakei den Journalisten Jan Kuciak. Beide wurden ermordet - augenscheinlich weil sie an der Schnittstelle zwischen OK und Politik recherchierten. Hierzulande existieren keine Hinweise auf besagte Schnittstellen. Das ist erfreulich. Aber wer glaubt, mit einem Verbot der Bandidos habe sich das Problem der OK erledigt, der ist bestenfalls naiv.


«Süddeutschen Zeitung» zum EM-Sieg der Italiener

Viele Europäer dürften den Italienern im Finale auch deswegen den Sieg gewünscht haben, weil sie spürten: Dieser Teamspirit ist genau das, was auch Europa braucht.

«In Vielfalt geeint», lautet das Motto der EU. Die Azzurri haben vorgemacht, wie das geht. Auch Italien selbst kann an dieser Lektion wachsen. Denn an Einheit mangelt es dieser spät geborenen Nation sehr. Es ist ein Klischee, dass viele Italiener alles für ihre Familie tun, aber wenig für das Gemeinwohl. Leider ist es ein Klischee, das häufig stimmt. Wenn es in den kommenden Monaten und Jahren darum geht, die gewaltigen Geldhilfen der EU zu nutzen, um Italien zu modernisieren und aus seiner langen Krise zu führen, wird sich zeigen, ob das Land aus der Lektion seiner Nationalmannschaft lernt. Doch das ist Schnee von morgen. Denn am Montag leuchtete der Himmel über ganz Italien azurblau.


«Rzeczpospolita»: Bleibt Polen Teil der demokratischen Gemeinschaft?

WARSCHAU: Zum geplanten neuen Rundfunkgesetz und zur Pressefreiheit in Polen schreibt die Zeitung «Rzeczpospolita» aus Warschau am Montag:

«Polen steht gerade vor einer fundamentalen Entscheidung: Wird es sich in der Wertegemeinschaft der weltweiten Demokratien halten, wo Gerichte unabhängig sind, die Medien frei und die demokratischen Einrichtungen unantastbar? Oder wird es sein Verhältnis zum Westen aus der Position der quasi-demokratischen oder quasi-autoritären Staaten gestalten, so wie die Türkei, Saudi-Arabien oder Ungarn, wo die letzten von Viktor Orban unabhängigen Medien gerade geschlossen werden? Schlechter aus diese Gesellschaft ist nur noch die Liga der autoritär regierten Länder, wie Belarus oder Russland. Haben wir wirklich solche Ambitionen?»


«De Standaard»: EU und USA stehen bei Steuerreform vor Problemen

BRÜSSEL: Zur Einigung der G20 auf eine globale Steuerreform meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Montag:

«Deutschlands Vizekanzler Olaf Scholz sprach von einem «großen historischen Moment». Dank dieses Abkommens werde die Praxis der Steuervermeidung durch das Ausweichen in Steuerparadiese beendet werden, versprach er.

Die Gretchenfrage ist natürlich, wann das geschehen soll. Die Finanzminister haben abgesprochen, dass die Vereinbarung 2023 in Kraft tritt - unter der Voraussetzung, dass die Staats- und Regierungschefs der G20 sie im Oktober bekräftigen. Oder wird hier das Fell des Bären verteilt, bevor er erlegt worden ist?

Auf die EU und die USA warten jedenfalls noch erhebliche Probleme. Drei EU-Mitgliedstaaten - Irland, Ungarn und Estland - machen wegen der Mindeststeuer immer noch Sperenzien. Und in den USA ist abzuwarten, ob es Finanzministerin Janet Yellen gelingt, die Zustimmung des Parlaments für die Vereinbarung zu bekommen.»


«De Telegraaf»: Organisiertes Verbrechen mit allen Mitteln bekämpfen

AMSTERDAM: Die Amsterdamer Zeitung «De Telegraaf» kommentiert am Montag den Mordanschlag auf den prominenten niederländischen Reporter Peter R. de Vries:

«Um diese kriminellen Organisationen zu bekämpfen, benötigt man eine Task Force, die die Anführer und Schlüsselfiguren schnell identifizieren und gegen sie vorgehen kann. In einem Krieg gegen den Drogenterrorismus sind unorthodoxe Vollmachten, Mittel und Methoden gefragt. (...)

Inzwischen scheinen Kriminelle in der Lage zu sein, vom Gefängnis aus Anschläge zu planen und eine Armee von Desperados und Kamikazes zu befehligen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es nächste Opfer gibt. Dem Verdächtigen, der auf Peter R. de Vries geschossen haben soll, wurden nach Angaben seiner Familie 150.000 Euro für den Anschlag versprochen. Die finanziellen Möglichkeiten für weitere Attentate sind nahezu unbegrenzt. Wer wird das nächste Opfer? Ein anderer Journalist? Ein Anwalt oder ein Staatsanwalt? (...)

Glücklicherweise geben nicht alle auf. Es gibt viele Ermittler, Staatsanwälte, Richter, Anwälte von Kronzeugen und Journalisten, die nicht wegschauen oder weglaufen. Zum Glück hat nicht jeder Angst.»


«The Irish Times»: Globale Steuerreform hängt von US-Innenpolitik ab

DUBLIN: Die in Dublin erscheinende «Irish Times» kommentiert am Montag die von den G20 vereinbarte globale Steuerreform:

«Die allgemeine politische Unterstützung des Reformprogramms wurde noch einmal auf dem G20-Gipfel in Venedig unterstrichen, der alle Länder, die dies noch nicht getan haben, aufrief, sich anzuschließen. Es ist wahrscheinlich, dass eine Einigung zustande kommt, aber sicher ist es nicht. Bei einigen wichtigen Details des Plans gibt es Lücken und Spannungen zwischen der EU und den USA. Aber der vielleicht größte Zweifel bezieht sich auf das, was in der US-Innenpolitik passiert.

Die Regierung Biden versucht, ein großes Ausgabenprogramm durchzusetzen, das zum Teil durch höhere Steuern für Unternehmen finanziert werden soll. Um den Kongress dazu zu bringen, höhere Unternehmenssteuern im eigenen Land zu akzeptieren, sind die USA sehr daran interessiert, dass der internationale Plan angenommen wird. Die innenpolitischen Verhältnisse sind jedoch schwierig und es ist unklar, was der Kongress beschließen wird.»


«Nesawissimaja»: Corona-Sterblichkeit wird für Russland teuer

MOSKAU: Angesichts stark gestiegener Coronazahlen in Russland schreibt die Moskauer Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Montag:

«Der natürliche Bevölkerungsrückgang in Russland hat sich im Vergleich zum Vor-Covid-Jahr 2019 und zum Pandemie-Jahr 2020 um das Anderthalb- bis Zweifache beschleunigt. (...) Demografen erklären, dass er schon in den Jahren davor durch einen Rückgang der Geburten verursacht wurde. Nun kommt noch ein Anstieg der Sterblichkeit dazu. Im Juni stieg diese Angaben der Vize-Regierungschefin Tatjana Golikowa zufolge um 14 Prozent im Vergleich zum gleichen Vorjahresmonat.

Experten prognostizieren, dass der Bevölkerungsrückgang ohne gezielte Maßnahmen nicht aufzuhalten ist. Die Ausgaben für Gesundheitsversorgung müssen nicht um einige Dutzend Prozent erhöht werden, sondern um ein Vielfaches.»


«El Mundo»: Weltgemeinschaft muss drohende Implosion Haitis verhüten

MADRID: Zur Situation in Haiti nach dem Mord an Präsident Jovenel Moïse schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Montag:

«Während alle offenen Fragen rund um die Ermordung von Moïse geklärt werden, versinkt Haiti weiter im Chaos. Die Lage wird immer schlechter. Angesichts eines Machtvakuums und eines heftigen Kampfes um die politische Kontrolle fordern die Interimsbehörden von den USA und den Vereinten Nationen die Entsendung von Truppen, um eine totale Anarchie zu verhindern. (...) Die internationale Gemeinschaft muss sich in diesem karibischen Land auf eine Art und Weise engagieren, die sich nicht nur darauf beschränkt, das eigene Gewissen zu beruhigen. Die politische Lage ist außerordentlich ernst. So ernst, dass die UN schnell handeln und eine führende Rolle einnehmen sollte, um eine unkontrollierte Implosion eines Staates zu verhindern, der kaum noch als solcher bezeichnet werden kann.»


«Tages-Anzeiger»: Äthiopien ist schwer zu regieren

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» kommentiert am Montag das Wahlergebnis in Äthiopien:

«Die fairste und freiste Wahl nannte (Ministerpräsident) Abiy den Urnengang, obwohl große Teile der Opposition sich im Gefängnis befinden und ein Fünftel des Landes gar nicht mitmachen durfte. Ist man zynisch, könnte man sagen: Recht hat er trotzdem, weil es unter den äthiopischen Diktaturen davor noch schlimmer war.

Aber auch das kann man bezweifeln, nachdem Abiy das Kunststück fertigbrachte, erst mit dem Erzfeind Eritrea Frieden zu schliessen und dafür den Friedensnobelpreis zu bekommen, um dann gemeinsam mit den Nachbarn auf die eigene Bevölkerung loszugehen, einen Konflikt in der Region Tigray eskalieren zu lassen, den man womöglich auch anders hätte lösen können. (...)

Äthiopien zu regieren ist wie ein Höllenkommando. An allen Ecken und Enden des Riesenreichs findet sich eine Volksgruppe, die sich unterdrückt fühlt und Geld, Macht und so weiter fordert. Es ist die Realität eines Landes, in dem über Jahrzehnte Volksgruppen gegeneinander ausgespielt wurden. Eines Landes, das Abiy in eine Demokratie überführen wollte. (...) Die Wahl ist wohl seine letzte Chance, sich neu zu erfinden, zu den Zielen zurückzukehren, die er ursprünglich einmal hatte.»


«DNA»: Im Kampf gegen Corona muss Exekutive Zwang anwenden

STRAßBURG: Über die am Montagabend anstehende Fernsehansprache des französischen Präsidenten Emmanuel Macron schreibt die ostfranzösische Tageszeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» (DNA) am Montag:

«Der Präsident der Republik wird weder Ausgangssperren, noch einen neuen Lockdown verkünden - so weit sind wir noch nicht. Er wird aber erneut einen ernsten Ton anschlagen, denn auch wenn die Lage noch nicht ernst ist, riskiert sie, es zu werden. Die Epidemie gerät erneut außer Kontrolle und bei der Impfung gibt es keine Fortschritte. Zumindest sind diese nicht schnell genug, um die nächste Welle einzudämmen.

Heute Morgen sind noch nicht einmal 40 Prozent der französischen Bevölkerung vollständig geimpft: Das ist die Hälfte dessen, was notwendig ist, um eine kollektive Immunität zu erreichen. Die Exekutive hat erkannt, dass es nicht mehr reicht zu überzeugen, sondern dass jetzt gezwungen werden muss.»


«Corriere della Sera»: Weiter Hindernisse nach G20-Treffen

MAILAND: Zum Treffen der Finanzminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Venedig am vergangenen Wochenende schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Montag:

«Bei der Digitalsteuer gibt es einen offenen Konflikt, allerdings mit den Vereinigten Staaten, die diese Steuer als diskriminierend für die amerikanischen Internet-Giganten erachten, wie Finanzministerin Janet Yellen, eine der Protagonistinnen der G20, in Venedig bestätigte. Bei der CO2-Steuer auf Importe besteht der Konflikt vor allem mit Russland und den großen asiatischen Ländern, den wichtigsten Stahlexporteuren. Der Internationale Währungsfonds ist der Ansicht, dass Mechanismen zur Besteuerung an den Grenzen, in der Praxis Zölle, am Ende Zölle und Protektionismus begünstigen würden.

Auch an dieser Front, wie auch bei der globalen Mindeststeuer auf multinationale Konzerne, sind daher nicht alle Hindernisse überwunden. Und auch wenn der Zeitpunkt für den Kampf gegen den Klimawandel günstig ist, ist es wichtig, schnell zu handeln, denn wir sind spät dran, wie der Gouverneur der Bank von Italien, Ignazio Visco warnte.»


«Der Standard»: Die USA dürfen Haiti jetzt nicht alleine lassen

WIEN: Nach dem Mord an Haitis Präsident Jovenel Moïse schreibt «Der Standard» am Montag in Wien:

«Mehrmals schickten die Staaten US-Soldaten, um haitianische Machthaber zu vertreiben oder zu installieren. (...) Die USA und auch die Vereinten Nationen müssen nun im Fall Haiti jedenfalls politisch Stellung beziehen und dürfen das Land nicht alleinlassen. Für die Beruhigung der Lage ist es im ersten Schritt wichtig, den Mord in einer internationalen Untersuchung zu klären. Das wurde bereits eingeleitet. Dass die USA nun eine haitianische Anfrage um militärische Unterstützung ablehnen, kann nur heißen, dass es wieder eine Uno-Resolution zur Entsendung internationaler Truppen geben muss. Sonst gleitet das Land ins Chaos ab.»

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