Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

«Die Presse»: Ein heillos überforderter Präsident

WIEN: Die Wiener Zeitung «Die Presse» schreibt am Montag über den Umgang von US-Präsident Donald Trump mit den Unruhen:

«Republikanische wie demokratische Präsidenten waren mit solch seriellen Ausbrüchen konfrontiert. Jeder - von George Bush sen. über Bill Clinton bis Barack Obama - versuchte, als "Seelentröster der Nation" aufzutreten und die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Die Fähigkeit zum Ausgleich und zur Empathie ist Donald Trump indes nicht gegeben. Von seiner Persönlichkeitsstruktur her ist der New Yorker Milliardär und Populist denkbar ungeeignet dafür. Er wurde als Spalter und Wutprediger gewählt; als einer, der Amerika wieder zu alter Größe führen soll. Sein Vokabular hat er nie an Amt und Würde angepasst. Er kennt nur einen Modus - schreien und polarisieren. (...)

Donald Trump irrlichtert, wie so oft. Erst verurteilte er die Polizeigewalt und telefonierte mit der Familie Floyds, ehe er mit der Nationalgarde drohte, polemisierte und Öl ins Feuer goss. Er selbst sieht sich frei von Verantwortung. Die Schuld lädt er an demokratischen Bürgermeistern und Gouverneuren ab - und an "Sleepy Joe" Biden. Seine Devise, die gewiss den Applaus seiner Anhänger findet: "Ich oder das Chaos." Autokraten in Peking, Moskau und Ankara suhlen sich in Schadenfreude angesichts der bürgerkriegsähnlichen Szenen und des vorgeblichen Abstiegs der Supermacht jenseits des Atlantiks.»


«Berliner Morgenpost» zu Spielstraßen

Spielstraßen sollen Kindern mehr Raum geben.

Der Gedanke war naheliegend, nachdem die Spielplätze wegen Corona geschlossen worden waren. Doch die Aktion verschleiert nur ein Versäumnis der vergangenen Jahre: In den Berliner Bezirken gibt es zu wenige Spielplätze. Deshalb sind sie überfüllt, und der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern lässt sich nicht einhalten. Dem Gesetz zufolge gilt ein Richtwert von rund einem Quadratmeter Spielfläche pro Einwohner. Der Berliner Durchschnitt liegt bei rund 60 Prozent der erforderlichen Spielfläche. Straßen können einen Spielplatz nicht ersetzen. Die Politik sollte deshalb die Bemühungen um die temporären Spielstraßen stoppen und den gesetzlichen Anforderungen nachkommen. Unterm Strich sind im letzten Halbjahr 2019 lediglich vier neue Spielplätze entstanden - berlinweit.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum G-7-Vorschlag von Präsident Trump

Dass er Putins Russland mit dabei haben will - und zu einem traditionellen Verbündeten erklären lässt -, verrät nur seine Ahnungslosigkeit: Glaubt er im Ernst, Putin, der keine Skrupel hat, sich in demokratische Prozesse in westlichen Ländern einzumischen, werde sich gegen China, Amerikas geopolitischen Hauptkonkurrenten, in Stellung bringen lassen? Eine äußerst kühne Vorstellung! (...) Eine der ersten Amtshandlungen Trumps war der Rückzug aus der pazifischen Handelsvereinbarung TPP, an der China, zumindest zunächst, nicht teilnehmen sollte.

Aber weil Obama sie ausgehandelt hatte, musste er sie zerreißen (...). Heute sucht sich Trump dann doch ein paar Verbündete in der Konfrontation mit Peking. Die sollten sich daran erinnern, wie oft er den chinesischen Führer Xi Jinping über den grünen Klee gelobt hat.


«Trud»: Trump gegen den Globalismus

SOFIA: Mit der Politik von US-Präsident Donald Trump befasst sich am Montag die bulgarische Zeitung «Trud»:

«Der amerikanische Präsident Donald Trump traf in der vergangenen Woche die zu Ende gehende Weltordnung des neoliberalen Globalismus mit drei neuen, schweren Schlägen. Er verkündete, dass die G7 (der bekanntesten Industrienationen) - dieses institutionelle Symbol des kollektiven Westens und der selbstgefälligen Herrschaft der neoliberalen Eliten - bereits ein veraltetes Format sei, das die Realitäten der Welt nicht mehr vertrete. (...) Zudem stoppte Trump endgültig die Finanzierung eines der Wahrzeichen des Globalismus - der Weltgesundheitsorganisation. Die breiteste Resonanz bekamen natürlich die entschiedenen Maßnahmen gegen die immer brutaler werdende liberale Zensur, die die sozialen Netze durchsetzen, die bereits offen eine ideologische Position beziehen und den Pluralismus der Meinungen und Freiheit der Äußerung unterdrücken.»


«Latvijas Avize»: Geldregen gleich Geldsegen?

RIGA: Zum geplanten Milliardenpaket der EU-Kommission gegen die Corona-Krise meint die national-konservative lettische Zeitung «Latvijas Avize» am Montag:

«Die zusätzlichen 750 Milliarden Euro, die die Europäische Kommission vorgeschlagen hat, um die Wirtschaft von der Krise zu erholen, ist beispiellos - eine Transaktion dieser Größenordnung gab es in der europäischen Geschichte noch nie. Vor der Pandemie stritten sich die EU-Mitgliedstaaten noch immer über ein einige hundert Millionen des siebenjährigen EU-Haushalts. Doch jetzt schwebt wie mit dem Hubschrauber des Herrn ein anderes Budget vom Himmel herunter! (...)

Die größte Sorge ist, dass sich nicht jeder und nicht alles mit Hilfe der öffentlichen Geldern erholen kann. Unterstützt werden diejenigen Investitionen, die im Einklang mit dem Grünen Kurs der EU und der Digitalisierung stehen. Im übertragenen Sinne wird das Geld nicht für Regionalstraßen vergeben, sondern für Oberleitungsbusse, die auf diesen fahren, und für Elektroautos.»


«Sme»: Die nächsten Jahrzehnte werden sich um das Klima drehen

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» mahnt, angesichts von Erfolgen in der Raumfahrt und der aktuellen Konzentration auf das Coronavirus nicht die Klimakrise zu vergessen:

«Beim Anblick der aufsteigenden Falcon 9 mit dem Raumschiff Dragon 2 an ihrer Spitze und bei den feierlichen Reden über eine neue Ära der Raumfahrt konnte man am Samstag leicht den Eindruck gewinnen, dass die großartige Menschheit wieder zu den Sternen greift und uns eine glänzende Zukunft bevorsteht. Dann aber sah man Techniker mit Mundschutz und wurde sich wieder bewusst, dass wir uns noch immer inmitten einer Pandemie befinden und kein Medikament gegen dieses Virus haben. Und der Versuch des Hoax-Verbreiters Donald Trump, das Ereignis für sich zu vereinnahmen, brachte uns wieder mit beiden Beinen auf die Realität der Erde zurück.

Das ist wohl auch gut so. Denn trotz aller Erfolge in der Raumfahrt muss sich unsere Aufmerksamkeit in den nächsten Jahrzehnten auf die Erde konzentrieren. Dabei wird es vordringlich nicht um das Coronavirus gehen, auch wenn es uns noch lange im Gedächtnis bleiben wird, und auch nicht um die Eroberung des Weltalls, obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Schritts auf den Mars nach diesem Wochenende wieder um ein kleines Stück größer geworden ist. Die nächsten Jahrzehnte werden sich um die Klimakrise drehen und um drohende Trockenheiten, Wetterextreme, vom Klimawandel verursachte Hungersnöte und Migration.»


«El País»: Die Unruhen in den USA erfordern eine Antwort von Trump

MADRID: Zu den Protesten in den USA schreibt die spanische Zeitung «El País» am Montag:

«Die Protestwelle und die Unruhen, die die USA seit vielen Nächten heimsuchen, nachdem George Floyd unter dem Knie eines Polizisten in Minneapolis langsam erstickt ist, erfordern eine Antwort von (US-Präsident) Donald Trump (...) Bisher hat Trump aber nichts anderes getan, als seine altbekannte Strategie zu verfolgen und einen Feind zu suchen, um sich schnell aus allen Problemen herauszureden (...) Covid-19 hat wieder einmal die heikle Situation einer Minderheit gezeigt, die zwölf Prozent der US-Bevölkerung ausmacht, den proportional größten Anteil an Infizierten hat und die die ethnische Gruppe ist, die am wenigsten verdient und am stärksten von einer Jobzerstörung getroffen wird, wie man sie seit 1929 nicht gesehen hatte. In diesem Kontext waren die Bilder des Polizeibeamten Derek Chauvin, der die Hände in den Taschen hat, während Floyd den Erstickungstod stirbt, der Funke, der den Aufstand ausgelöst hat. Es ist dringend nötig, dass die Ordnung wiederhergestellt wird und dass die Übergriffe gegen Schwarze unterbunden und bestraft werden.»


«Latvijas Avize»: Zweifel am Nutzen der Corona-Warn-App

RIGA: Lettland hat am Freitag eine Corona-Warn-App eingeführt. Dazu meint die national-konservative lettische Tageszeitung «Latvijas Avize» am Montag:

«Das Ereignis war begleitet von der Freude, dass wir als Erstes ein so wichtiges Tool implementiert haben, wie auch von Unsicherheit über den Datenschutz und Zweifeln, ob eine solche App überhaupt Sinn macht, wenn sie nicht von genügend Personen verwendet wird. Die Zweifel sind durchaus gerechtfertigt. Die Entwickler der Anwendung betonen unter Verweis auf verschiedene sozio-technologische Modelle, dass es erheblichen Einfluss auf die Eindämmung von Viren haben würde, wenn sogar nur 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung die App nutzen. Nur? Dies sind 300.000 bis 400.000 Einwohner Lettlands.

Der Anfang ist vielversprechend - sowohl im Google- als auch im Apple App Store ist die Anwendung seit Freitag die am häufigsten heruntergeladene App in Lettland. (...) Es scheint, dass die Anzahl potenzieller Benutzer groß ist - mehr als 70 Prozent der Bevölkerung in Lettland verwenden seit geraumer Zeit Smartphones. Doch leider handelt es sich bei dieser App um eine brandneue Technologie, die nur auf Smartphones mit den neuesten Softwareversionen funktioniert. Dies bedeutet, dass viele potenzielle Benutzer wegen ihrer nicht konformen (man könnte auch sagen: veralteten) Telefone ausgeschlossen werden.»


«Nesawissimaja Gaseta»: Kanzlerin Merkel ignoriert Ängste Russlands

MOSKAU: Zur Kritik von Kanzlerin Angela Merkel an Russland bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung am 27. Mai schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Montag:

«Bei ihrem Auftritt hat die Kanzlerin scharf die gegenwärtige Politik Moskaus kritisiert (...) und deutlich gemacht, dass Deutschland sich auch während der EU-Ratspräsidentschaft mit Russland beschäftigen wird, weil Berlin besorgt ist wegen fundamentaler Verstöße gegen internationales Recht (...) Merkels Problem besteht darin, dass sie die Ängste Moskaus ignoriert, dass etwa die in Deutschland stationierten Atomwaffen der USA womöglich gegen Russland gerichtet werden könnten.

Dafür hätte Deutschland, das Piloten der Luftwaffe dafür einsetzen müsste, die volle Verantwortung. Und diese Umstände sind es, die Russland dazu bringen, mehr als aufmerksam alle Handlungen Deutschlands in dieser Hinsicht zu beobachten - auch unter Einsatz aller verfügbaren Methoden der Geheimdienste. Mit anderen Worten sollte sich Berlin eher mal anschauen, wie sein Verhalten in den Augen anderer Länder aussieht, als Moskau immer nur zu beschuldigen.»


«Hospodarske noviny»: USA mit eigenen Problemen beschäftigt

PRAG: Die liberale Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien schreibt am Montag zu den Protesten in den USA nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd:

«Die Tötung George Floyds in Minneapolis und ihre Nachwirkungen zeigen anschaulich, dass die USA bei sich zu Hause mit einem latenten Rassismus zu kämpfen haben. Noch dazu scheint dieser Rassismus unter US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal seit Jahrzehnten einen stillen Fürsprecher auf dem höchsten Posten des Landes zu haben. Für die übrigen Demokratien im Ausland sind die USA zu einem unberechenbaren Partner geworden. Die egoistischen Launen eines einzelnen Mannes gefährden Beziehungen und Bündnisse, die über viele Jahre aufgebaut worden waren. Es entsteht ein Bild der USA unter Trump als eines Landes, das immer mehr Probleme mit sich selbst hat und immer weniger Kraft, Bereitschaft und Willen, sich um den Rest der Welt zu kümmern.»


«Financial Times»: Trumps Rhetorik wirkt aufwieglerisch

LONDON: Die Londoner «Financial Times» kommentiert am Montag die Proteste in den USA:

«Donald Trump ist nicht schuld an den Straßenunruhen oder an den Ereignissen, die dazu geführt haben. Die amerikanische Politik war schon vor schon vor seiner Zeit leicht entflammbar. Die Probleme, um die es hier geht - Rasse und das Verhalten der Polizei - werden ihn überdauern. Jedoch beeinflusst ein Präsident die nationale Stimmungslage mit seiner Rhetorik viel stärker als andere. Das gilt erst recht in angespannten Situationen. Und Trumps jüngste Interventionen waren aufwieglerisch. (...) Niemand in der Welt verfügt über ein Podium, das an jenes des US-Präsidenten heranreicht. Wenn er es missbraucht, müssen einfache Amerikaner mit den Folgen fertig werden.»


«The Times»: Den USA steht ein schwieriger Sommer bevor

LONDON: Zu den Protesten in den USA meint die Londoner «Times» am Montag:

«Der demokratische Präsidentschaftsanwärter Joe Biden ist zwar traditionell populär bei schwarzen Wählern, aber während der Corona-Krise fiel es ihm schwer, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Am Samstag sagte er, es sei zwar richtig gegen Polizeibrutalität zu protestieren, aber falsch, Nachbarschaften niederzubrennen und sinnlose Zerstörungen anzurichten.

Er will einerseits anerkennen, dass die Beschwerden vieler Demonstranten aufrichtig sind. Aber Biden wird sich auch davor hüten, mit gewalttätigen Ausschreitungen in Verbindung gebracht zu werden, was seiner Kandidatur bei Trumps eher moderaten Unterstützern schaden könnte. Doch ein langer, schwieriger Sommer hat gerade erst begonnen und letzten Endes ist es der Präsident, der die richtigen Worte finden muss, um die Gemüter zu beruhigen. Das aber müsste er zunächst mal auch wollen.»


«La Repubblica»: Trump braucht G7-Runde innenpolitisch

ROM: Zu der Debatte um ein neues Datum für einen G7-Gipfel in den USA, der vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie umgeplant wird, schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Montag:

«Wird das G7-Format die Präsidentschaft von Donald Trump überleben? Eine solche Frage ist nicht aus der Luft gegriffen. Auf einer ganz greifbaren Ebene schafft die persönliche und politische Distanz zwischen Donald Trump und Angela Merkel eine Quelle von Spannungen, die nur schwer zu überwinden ist. Das geht bis zu dem Punkt, dass das Datum und die Tagesordnung in Frage gestellt werden. Der jüngste Vorschlag des Weißen Hauses lautete, den Gipfel bis Mitte Juni mit einem realen Treffen in Camp David abzuhalten; Merkel hat das mit ihrer Weigerung einer Teilnahme unmöglich gemacht. Für Trump ging es darum, angesichts eines Amerikas, das sich weiter im Griff der Pandemie und von wachsenden rassischen und sozialen Konflikten befindet, eine rasche und vollständige Rückkehr zur Normalität zu demonstrieren, und zwar mit Hilfe der internationalen Staats- und Regierungschefs; Merkel wollte Trump diesen Imagegewinn in einem Wahljahr nicht geben. Und vielleicht hat sie sich auch kalt gerächt, angesichts der Art und Weise, wie der US-Präsident die G20-Runde unter deutscher Präsidentschaft kompliziert gemacht und behindert hatte.»

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