Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur amerikanischen Strategie im Ukrainekrieg

Die amerikanische Regierung bleibt fürs Erste bei ihrem Ansatz, den Druck auf Putin zwar stetig, aber behutsam zu erhöhen, um ein Übergreifen des Krieges auf die NATO zu verhindern.

Biden gibt damit den Europäern weiter einen Kurs vor, der manchen Heißspornen in Berlin nicht gefallen mag. Er ist aber vernünftig, es steht viel auf dem Spiel. Das gilt auch für die Frage eines NATO-Beitritts der Ukraine. Solange der Krieg nicht beendet ist, kommt er nicht infrage, denn dann müsste die Allianz an der Seite ihres neuen Verbündeten kämpfen. Das wissen auch die neun östlichen Mitgliedstaaten, die Selenskyjs unrealistischen Antrag mit einer Solidaritätsadresse begleiteten. Reicht es nicht, dass Putin versucht, Uneinigkeit ins Bündnis zu tragen?.


«Stuttgarter Zeitung» zu Infrastruktur/ Gaslecks an Ostseepipeline

Der Anschlag auf die Ostseepipelines fand im Hinterhof der Nato statt.

Die meisten Anrainerstaaten des Binnenmeeres zählen schon oder zumindest demnächst zu ihren Mitgliedern. Somit wird das submarine Attentat zu einer Herausforderung für das westliche Sicherheitsbündnis. Die Bundesmarine sollte ihre Fregatten künftig eher in Nord- und Ostsee kreuzen lassen, als sie auf Fernreisen in den Südpazifik zu schicken, wie kurz vor Kriegsbeginn geschehen. Wenn es um die Anfälligkeit kritischer Infrastruktur geht, dürfen wir nicht bloß an Hacker denken. Putin braucht gar keine taktischen Atomwaffen, um unsere Sicherheit massiv zu erschüttern. U-Boote und Kampfschwimmer würden schon genügen.


«Frankfurter Rundschau» zum Nobelpreis für Medizin für Svante Pääbo

Der Medizin-Nobelpreis für einen Mann, der sich mit dem Erbgut längst ausgestorbener Neandertaler beschäftigt? Das mag «speziell» klingen.

Die Auszeichnung ist eine verdiente Würdigung der Arbeit des schwedischen Forschers Svante Pääbo, die unser Verständnis der menschlichen Evolution grundlegend verändert, ja revolutioniert hat - und ein großartiger Erfolg für das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, dessen Direktor der Nobelpreisträger seit der Gründung im Jahr 1997 ist. Der Nobelpreis wirft ein Licht darauf, dass die Untersuchung fossiler Knochen weit mehr zutage fördern kann als nur Erkenntnisse aus ferner Vergangenheit, die lediglich interessant für einen kleinen Kreis von Fachleuten sind. Die von Pääbo nachgewiesenen genetischen Spuren der Neandertaler im Erbgut heutiger Menschen und ihre möglichen Auswirkungen auf die Anfälligkeit oder Resistenz gegenüber Krankheiten lassen ahnen, wie relevant diese Forschung auch für die Gegenwart sein kann.


Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

«Süddeutsche Zeitung» zu den Bund-/Länderverhandlungen über die Finanzierung der Rettungspakete

Richtig ist, dass die Schuldenbremse für die Länder strenger ist als für den Bund.

Letzterer hat einen Spielraum, die Länder nicht. Trotzdem überschreitet der Länderpoker das Maß an Schlitzohrigkeit, das zum föderalen Kräftemessen gehört. Dass dieselben Länder, die täglich nach umfassenden Hilfen für ihre Bürger und Betriebe rufen, mit der Finanzierung ebendieser Hilfen möglichst wenig zu tun haben wollen, grenzt an Verantwortungsverweigerung. Die föderale Aufgaben- und Kompetenzverteilung wird dadurch zunehmend beschädigt. Angesichts des neuen Schuldenpakets des Bundes sollten die Länder ihre Reflexe dringend überprüfen.


«Latvijas Avize»: Große Veränderungen, aber keine radikale Wende

RIGA: Zum Ausgang der Parlamentswahlen in Lettland schreibt die national-konservative Tageszeitung «Latvijas Avize» am Montag:

«Haben die Parlamentswahlen die politische Landschaft Lettlands wesentlich verändert? Die Antwort ist: Es kommt darauf an, von welcher Seite man es betracht. Zunächst eine wichtige Tatsache: Die Parteien, die bei den vorherigen Wahlen 59,68 Prozent der Stimmen erhalten haben, werden im neuen Parlament überhaupt nicht vertreten sein. Darunter sind alle Gewinner der vorangegangenen Wahlen. Etwas noch nie Dagewesenes! (...)

Gleichzeitig kann man aber nicht von einer radikalen Wende in der lettischen Politik sprechen, sondern eher von tektonischen Bewegungen in bestimmten Bereichen oder - wie es jetzt im Volksmund heißt - «Blasen»: russisch, populistisch, liberal und konservativ. Einige dieser Blasen sind ein wenig abgeflacht, andere haben ihre übliche Form verloren, aber keine ist geplatzt oder übermäßig aufgeblasen.

Einer der Gründe für den Erfolg der Jauna Vienotiba ist, dass sie sich erfolgreich im weiten Raum zwischen den verschiedenen Blasen etabliert hat. (...) Wenn man sich daran erinnert, dass Vienotiba vor vier Jahren kurz davor stand, aus der lettischen Politik zu verschwinden, sind die erwarteten 26 Sitze in der Saeima natürlich ein beeindruckendes Ergebnis.»


«The Telegraph»: Selenskyj bringt den Westen in eine Zwickmühle

LONDON: Der Londoner «Telegraph» kommentiert am Montag den Antrag der Ukraine auf einen beschleunigten Beitritt zur Nato:

«Mit seinem formellen Antrag auf Beitritt zur Nato hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Westen in eine Zwickmühle gebracht. Dieser Schritt erfolgte nach den absurden Szenen in Moskau, wo Wladimir Putin Chefs für vier annektierten Regionen einsetzte, während die ukrainischen Streitkräfte weitere Gebiete von dem Angreifer zurückeroberten. Die Ironie des Ganzen ist, dass Präsident Selenskyj Moskau zuvor angeboten hatte, dass die Ukraine die Nato-Mitgliedschaft nicht mehr anstrebt und neutral bleibt, sofern sich die Russen zurückziehen. (...)

Da der Westen das Land schon einmal im Stich gelassen hat, indem er die Garantien des Budapester Memorandums für den Verzicht der Ukraine auf ihre Atomwaffen nicht einhielt, hat Selenskyj ein starkes moralisches Argument, den Schutz der Nato zu suchen. Doch ebenso müssen die Nato-Staaten die Auswirkungen eines Beitrittsangebots an die Ukraine bedenken. Aufnahmeanträge müssen von allen Mitgliedern gebilligt werden. Und einige, wie Ungarn, werden ein Veto gegen den Antrag der Ukraine einlegen. Andere befürchten, dass die Aussicht auf einen Nato-Beitritt der Ukraine die Lage noch verschlimmert, indem ein größerer Konflikt riskiert wird, bei dem möglicherweise Atomwaffen zum Einsatz kommen.»


«Dagens Nyheter»: Putins Drohungen offenbaren seine große Schwäche

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert die Lage im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine:

«In den vergangenen Wochen hat Putin die Lautstärke maximal aufgedreht. Er hat eine historische militärische Mobilisierung in Gang gesetzt, wieder mit Atomwaffen gedroht und sich entschlossen, weitere russische Gebiete zu annektieren. Gleichzeitig wurde auch die russisch-deutsche Gasleitung in der Ostsee gesprengt. Wer hinter der Sabotage steckt, ist unklar, aber die Tat fällt in das Muster der Wut des Schwachen. Russland hat die Widerstandskraft der Ukraine komplett unterschätzt. Selbst die gröbsten Drohungen, die Putin von sich gibt, scheinen keine abschreckende Wirkung auf den ukrainischen Kampfwillen zu haben. Auch in Westeuropa funktioniert die Erpressungslogik des Kremls immer schlechter. Putin gelingt es nicht, die EU und USA zu spalten. Zugleich sinkt die Unterstützung zu Hause. Seine zunehmenden Drohungen zeugen davon, dass der Krieg für ihn immer schlechter läuft.»


«De Standaard»: Putin will Krieg in der Ukraine eskalieren

BRÜSSEL: Zur Reaktion des Kremls auf russische Verluste im Krieg gegen die Ukraine meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Montag:

«Dramatisch. Verheerend. Aussichtslos. Selbstzerstörerisch. Es ist mit Worten kaum zu beschreiben, wie Wladimir Putin die Kriegssituation in Russland und der Ukraine noch chaotischer machen will. Weniger als 24 Stunden, nachdem er in einer wahnwitzigen Rede Drohungen gegen Kiew und den «satanischen» Westen ausgestoßen hatte, erlitten seine Truppen eine schwere Niederlage in der strategisch wichtigen Stadt Lyman. (...)

Zusammen mit seinen Gefolgsleuten entschied sich Putin für eine weitere Eskalation. Hunderttausende von eilig einberufenen Soldaten werden in die illegal annektierten Gebiete verlegt, in der Hoffnung, die dort vorrückende ukrainische Armee aufzuhalten. Dass diese Männer kaum ausgebildet sind und über immer weniger Panzer, Artillerie und Luftunterstützung verfügen, scheint nur eine Randnotiz zu sein. Dass diese B-Truppe der russischen Armee in den kommenden Wochen und Monaten große Verluste erleiden dürfte, kümmert ihn ebenfalls nicht.»


«Correio da Manhã»: Putin setzt auf Eskalation

LISSABON: Zur Eskalation im Ukraine-Konflikt schreibt die portugiesische Zeitung «Correio da Manhã» am Montag:

«Mit dem Rücken zur Wand auf dem Schlachtfeld, hat sich (Kremlchef Wladimir) Putin für den einzigen Weg entschieden, der ihm geblieben ist: die Eskalation. Mit der illegalen Annexion der besetzten ukrainischen Gebiete und der Drohung, diese mit Atomwaffen zu verteidigen, hofft der russische Präsident, die Einheit des Westens schwächen zu können. Und er hofft, dass die Nato aufgrund der Angst vor einem Atomkonflikt die Unterstützung für die Ukraine reduziert. (Wolodymyr) Selenskyj reagierte mit der Forderung nach einem beschleunigten Beitritt der Ukraine zur Nato. Es ist eine riskante Option, aber angesichts der russischen Eskalation ist es vielleicht an der Zeit, dass das Bündnis den Einsatz erhöht und dass es Russland zeigt, dass es auch nicht blufft. Die Angst vor einem Krieg mit der Nato ist vielleicht das Einzige, was Putin aufhalten kann.»


«de Volkskrant»: Erdogan will Ukraine-Krieg für Profilierung nutzen

AMSTERDAM: Zur Haltung der Türkei im Ukraine-Krieg schreibt die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Montag:

«Die halb-neutrale Haltung im Ukraine-Krieg gibt der Türkei die Möglichkeit, zwischen den beiden Kriegsparteien zu vermitteln. Eine Position, die wahrscheinlich auch der NATO nicht unlieb ist. Damit hält sich das Bündnis die Option der internationalen Diplomatie offen. Nicht so sehr für den gesamten Konflikt, sondern vielmehr bei Teilaspekten. Zweimal hat dies bereits zu konkreten Ergebnissen geführt: zuerst das Abkommen über Getreideexporte, dann der Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine. Darüber hinaus bietet sich für Erdogan die Möglichkeit, sein Profil als Staatsmann und wichtiger Akteur auf der internationalen Bühne zu schärfen. Bei den Wahlen in der Türkei im kommenden Juni wird dies einer seiner wichtigsten Trümpfe sein.»

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