Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Handelsblatt» zu EU-Liste zu Steueroasen / Türkei

Die Mutlosigkeit der 27 Mitgliedsländer im Kampf gegen Steueroasen schwächt die EU insgesamt.

Denn mit ihrer Entscheidung, die Türkei wieder einmal nicht zu sanktionieren, belohnen sie mangelnde Kooperation. Die EU sendet damit auch das Signal aus, dass sie in ihrem halbherzigen Kampf gegen Steueroasen mit zweierlei Maß misst. Dieses inkonsequente Verhalten wirft die grundsätzliche Frage auf, ob die Staatengemeinschaft auf die schwarze Liste mit den Steueroasen in der jetzigen Form nicht ganz verzichten sollte.


«Frankfurter Rundschau» zu von der Leyens Impfstrategie

Auf dem Papier liest sich der Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gut: Mehr Zusammenarbeit und mehr Austausch zwischen der Brüsseler Behörde, den EU-Staaten, der Wissenschaft und der Pharmaindustrie sollen sicherstellen, dass künftig genügend Impfstoffe zur Verfügung stehen, die auch gegen gefährliche Coronavirus-Mutanten wirken.

Es ist zwar gut, dass Kommissionschefin von der Leyen nach der Kritik am holprigen Start der Impfkampagne in der EU eine neue Strategie präsentiert, wie sich eine Wiederholung des Debakels vermeiden ließe. Doch wäre es noch viel besser, wenn auch die Regierungen der EU-Staaten mitzögen. In der nächsten Woche treffen sich die Staats- und Regierungschefs wieder zum Corona-Videogipfel. Dann werden wir vielleicht genauer wissen, ob auch die einzelnen Regierungen den Pandemie-Lernprozess durchlaufen haben, von dem von der Leyen sprach. Angesichts der notorischen Uneinigkeit unter den Mitgliedstaaten ist einstweilen noch Skepsis angebracht.


«Trud»: Corona-Impfstoff ist wichtiger als Nawalny

SOFIA: Die bulgarische Zeitung «Trud» befasst sich am Mittwoch vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie mit der Haltung der EU zu Russland und zum Kremlkritiker Alexej Nawalny unter der Überschrift «Herr Nawalny wird unsere Probleme nicht lösen»:

«Da sich das Schicksal eines russischen Oppositionellen als größtes Problem der Europäischen Union erwies, nehmen die Dinge keinen guten Lauf. Die Mitarbeiter von (EU-Kommissionspräsidentin) Ursula von der Leyen erheben von morgens bis abends ihre Stimmen zur Verteidigung (Alexej) Nawalnys, des Gegners von (Präsident Wladimir) Putin, statt sich mit der Lösung der Probleme der Pandemie zu beschäftigen: mit den Impfstoffen, die sich beunruhigend verspäten, mit der Wirtschaft, der es in der Tat schlecht geht, mit dem Terrorismus und zunehmenden Islamismus.»


«Dagens Nyheter»: Der traditionelle Handschlag hat keine Zukunft

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) wirft am Mittwoch angesichts der Corona-Pandemie einen Blick auf die Zukunft des Handschlags:

«Sich zu begrüßen, indem man sich die Hand schüttelt: Das ist eines der Dinge, die nicht zurückkommen werden, wenn all das hier vorbei ist. Bald, wenn nicht jetzt, sagen wir somit Tschüss zu schwitzigen Handflächen, die gegeneinander gedrückt werden, zu leblosen Pfoten und - noch schlimmer - Fäusten, die wirklich fest zugreifen, so dass es wehtut, in einer Art merkwürdiger Machtdemonstration: Schau her, wie stark ich bin! Nein, der Handschlag hat keine Zukunft. Die Frage ist nur, wie wir uns stattdessen begrüßen werden? Man könnte den allerschwedischsten aller Grüße vorschlagen, nämlich dieses unbeholfene kleine Winken: «Hej, hej!» Das sollte tatsächlich allen passen können, unabhängig von Wesen und Kultur.»


«La Stampa»: Iran schickt Drohbotschaft in die USA

ROM: Zu dem Raketenangriff auf US-Truppen in der nordirakischen Stadt Erbil, den eine dem Iran nahe stehende Gruppe für sich reklamierte, schreibt die italienische Zeitung «La Stampa» aus Turin am Mittwoch:

«Der Iran hebt den Kopf und schickt an die Regierung von (US-Präsident Joe) Biden eine Drohbotschaft in Form des gewalttätigsten Angriffs auf eine US-Basis im diesem Teil des Iraks seit über einem Jahr. Der Raketenregen, der am späten Montagabend auf den Militärflughafen von Erbil niederging, zeigt eine hoch angespannte Lage: Es wird immer enger auf dem Weg, der einerseits dahin führen kann, dass beide Länder zu den Verhandlungen über das Atomabkommen zurückkehren, das 2015 unterzeichnet und von Donald Trump verworfen worden war. Oder der eine Richtung zu einem ungezügelten Rennen um die Atombombe nimmt.»


«de Volkskrant»: Zweifel an Verhältnismäßigkeit von Corona-Maßnahmen

AMSTERDAM: Nach dem Verbot der Corona-Ausgangssperre in den Niederlanden hat die Regierung gegen das Gerichtsurteil Berufung eingelegt. Dazu meint die Amsterdamer Zeitung «de Volkskrant» am Mittwoch:

«Macht verlangt nach immer mehr Macht, so scheint es erneut: Bei all dem Spielraum, den sich die Regierung im vergangenen Jahr zu eigen gemacht hat - was zur Bekämpfung der Pandemie teils unvermeidlich war -, gerät das Gefühl für Verhältnismäßigkeit immer wieder unter Druck. (...) Die in die Kritik geratene Ausgangssperre passt perfekt dazu. Die Regierung war gewarnt. Der Staatsrat hatte bereits gefragt, warum diese einschneidende Beschränkung der Bewegungsfreiheit nicht auf einem neuen Gesetz beruht, sondern unter Berufung auf das Notstandsgesetz von 1996 verhängt wurde, das speziell für dringende politische Entscheidungen in akuten Notsituationen bestimmt ist. Sowohl hinsichtlich der Dringlichkeit der Ausgangssperre - elf Monate nach dem Corona-Ausbruch - als auch dem Bestehen einer solchen akuten Notsituation - bei weniger Corona-Infektionen als in der früheren Phase - bestehen Zweifel.»


«Le Monde»: EU-Konjunkturpaket könnte Italien aus der Krise helfen

PARIS: Zur Neugründung der italienischen Regierung mit dem Ex-EZB-Chef Mario Draghi an ihrer Spitze schreibt die französische Tageszeitung «Le Monde» am Mittwoch:

«Nachdem Mario Draghi mit seinem Ruf als Retter des Euro stark in die Politik eingestiegen ist, muss er sich nun an eine mindestens ebenso schwierige Aufgabe dransetzen: die Rettung Italiens. Sein Eintritt ins Geschäft fällt mit einem historischen Moment zusammen: Das Land ist nämlich Hauptempfänger des gigantischen europäischen Konjunkturpakets. Nach einem Vierteljahrhundert aufgezwungener Sparmaßnahmen und finanzpolitischer Entscheidungen, die aufgrund des Misstrauens der Märkte auferlegt wurden, könnte dieser Geldsegen von 200 Milliarden Euro Italien neue Mittel zur Verfügung stellen, um manche Strukturprobleme in der Infrastruktur abzubauen und einen «ökologischen Wandel» einzuleiten, der noch im Anfangsstadium steckt.»


«Nesawissimaja»: Russischer Impfstoff für Europa wahrscheinlicher

MOSKAU: Zu den Problemen im Kampf gegen das Coronavirus in Europa schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Mittwoch:

«In Europa, das ohnehin schon mit einen Mangel an Impfstoff zu kämpfen hat, könnte sich die Lage durch die Ausbreitung des neuen Virenstamms noch einmal verschärfen. Die EU-Kommission versichert zwar, dass es nicht schwer sei, die westlichen Vakzine der britischen Virusvariante anzupassen. Dennoch sind die Mitgliedsstaaten der EU besorgt. Deutschland hat vorübergehend seine Grenzen für einreisende Ausländer aus Österreich, Tschechien und der Slowakei geschlossen, obwohl die EU sich angestrengt hat, innerhalb der Union alles geöffnet zu lassen. Die Situation erhöht aber nun zumindest die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes russischer Impfstoffe, weil Brüssel bisher nur unter Schwierigkeiten mit seinen eigenen Ressourcen zurechtkommt.»


«The Guardian»: Schwäche der Sozialdemokraten ist Chance für die Grünen

LONDON: Die linksliberale britische Zeitung «The Guardian» beschäftigt sich am Mittwoch mit den Chancen der Grünen bei der nächsten Bundestagswahl:

«Angesichts stagnierender Wahlergebnisse der einstmals starken Sozialdemokraten haben die Grünen eine gute Chance, die Nummer Eins der progressiven Parteien in Deutschland zu werden, sofern sie ihre Trümpfe weiterhin geschickt ausspielen. Allerdings sollte zur Vorsicht gemahnt werden, wenn die Partei - in den Worten von Robert Habeck - versucht, zum neuen "Spielmacher" in Europas mächtigstem Land zu werden.

Unterstützer der Grünen in Deutschland sind vor allem jüngere Angehörige der Mittelklasse in den Städten - eine ähnliche demographische Gruppierung wie jene, die im vergangenen Jahr in französischen Städten für die grüne Partei Europe Écologie stimmte. Wenn Wähler außerhalb prosperierender Städte sich weiterhin Sorgen machen über die Auswirkungen der grünen Transformation auf ihre Lebensstandards und Arbeitsplätze, wird die Reise zur Klimaneutralität länger und entzweiender werden. Diesem Misstrauen zu begegnen, insbesondere im Osten, wird eine Priorität der nächsten deutschen Regierung sein - in welchen Farben auch immer.»


«Tages-Anzeiger»: Zusammenarbeit von USA und Israel ist unabdingbar

ZÜRICH: Zum Verhältnis von US-Präsident Joe Biden zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu heißt es am Mittwoch im Zürcher «Tages-Anzeiger»:

«Netanjahu braucht Biden, und Biden braucht Netanjahu. Es geht zunächst einmal um sehr viel Geld: Israel bekommt rund 3 Milliarden Dollar pro Jahr an Militärhilfe und zusätzlich jährliche Tranchen aus dem 34-Milliarden-Paket, das Obama einst fur Israel schnürte. Diese Finanzspritzen kann Biden als Druckmittel einsetzen, um auf Netanjahu einzuwirken und ihn einzufangen.(...)

Eine Zusammenarbeit zwischen den USA und Israel ist auch mit Blick auf den Iran unabdingbar. Netanjahu wird nicht mehr die Rolle des Einflüsterers spielen können, auf dessen Geheiß hin Trump den Atomvertrag mit dem Iran gekündigt hat. Trump hinterließ in Syrien durch den Rückzug der USA eine Lücke, die Netanjahu gefüllt hat. Mit verstärkten Angriffen auf iranische Vertreter in Syrien mischt Israel im Nahostkonflikt selbst militärisch mit. Damit kommt ihm eine Schlüsselrolle zu, die Iran-Politik des neuen Präsidenten umzusetzen. (...)

Wegen dieser politischen Verflechtungen werden sich der israelische Regierungschef und der US-Präsident miteinander arrangieren mussen - allen persönlichen Animositäten zum Trotz.»


«De Standaard»: Bidens China-Politik nimmt Form an

BRÜSSEL: Zur China-Politik der USA und der anderen westlichen Staaten heißt es am Mittwoch in der belgischen Zeitung «De Standaard»:

«Kein US-Präsident hat energischer gegen China ausgeholt als Donald Trump. Unilateral verhängte er gegen Peking eine Strafmaßnahme nach der anderen. Die Biden-Regierung geht bislang vorsichtiger vor. Keine lautstarken Kriegserklärungen an China und sicherlich auch keine Diplomatie via Twitter. Wohl aber beginnt Joe Bidens Versprechen Form anzunehmen, Koalitionen zu schmieden und China Kontra zu geben. Jedenfalls in Europa, dem nun nicht mehr wegen der Vorgehensweise Trumps unwohl sein muss. (...)

Deutschland und Frankreich verhalten sich vorläufig noch still. Sowohl der französische Präsident Emmanuel Macron als auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigen eine gewisse Bereitwilligkeit gegenüber Peking, solange dies ihren Interessen dient. Die Frage ist nur, ob sie diese Interessen auch ausreichend langfristig betrachten.»


«NZZ»: Im Katalonien-Konflikt ist jetzt Madrid am Zug

ZÜRICH: Zur Reaktion der Regierung in Madrid auf den Wahlerfolg separatistischer Parteien in Katalonien schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«Wenn jetzt, wie erwartet, die separatistischen Kräfte unter der Führung der Linksrepublikaner die nächste Regionalregierung in Katalonien bilden, wird formell auch die Ansetzung eines neuen Referendums auf dem Regierungsprogramm stehen. Um eine neuerliche Eskalation zu vermeiden, muss (Ministerpräsident Pedro) Sánchez reagieren. Nach den Versäumnissen der Vergangenheit ist jetzt eindeutig Madrid am Zug.

Es ist höchste Zeit für Zugeständnisse, selbst wenn sie anfangs nur symbolischer Art sein sollten. So könnte Sánchez den Katalanen eine erweiterte Steuerhoheit anbieten, da sich diese seit langem in diesem Punkt vom spanischen Staat übervorteilt fühlen. Eine solche Konzession ist umso dringlicher, als Katalonien wirtschaftlich mehr als andere Regionen unter der Pandemie leidet. Nur mit solchen Gesten kann Sánchez seiner vielbeschworenen Gesprächsbereitschaft Glaubwürdigkeit verleihen und die Kanäle zur neuen Regierung offen halten. Sein Ziel sollte sein, dass sich die Katalanen nach und nach unter dem Dach Spaniens wieder geborgen fühlen können.»


«La Vanguardia»: Gefängnis für Rapper Hasél zu harte Strafe

MADRID: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Mittwoch die Inhaftierung des wegen seiner radikalen Texte inhaftierten Rappers Pablo Hasél:

«Die Texte des Rappers Pablo Hasél sind erbärmlich. Einen Genickschuss für Richter und Politiker zu verteidigen oder jemanden aufzufordern, einen Eispickel in den Kopf eines anderen zu rammen, sollte niemand beklatschen. Die Meinungsfreiheit muss Grenzen haben und die Justiz muss handeln. Soweit besteht Einigkeit. Das Problem ist, wenn das Strafgesetzbuch für solche Verbrechen Haft vorsieht.

Pablo Hasél hatte sich in der Universität von Lleida verbarrikadiert und wurde von der Polizei festgenommen, während sich die Bilder des Einsatzes über die sozialen Netzwerke in der ganzen Welt verbreiteten. Der Fall ist so groß geworden, dass vor Tagen ein Manifest von 200 Künstlern veröffentlicht wurde, die den Musiker verteidigten, darunter Pedro Almodóvar und Joan Manuel Serrat.

Die Regierung plant eine Änderung des Strafgesetzbuchs, die verbale Exzesse zwar weiter mit Strafe bedroht, aber nicht mehr mit Haft. Es ist wichtig, dass Menschen mit Einfluss auf ihre Worte achten. Wenn sie dies nicht tun, müssen sie die Konsequenzen hinnehmen, aber das Gefängnis ist eine zu harte Strafe.»

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