Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu UN-Sicherheitsrat

Aus Erfahrung wird man klug, weiß der Volksmund.

Am Ende der zweijährigen Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat ist Außenminister Heiko Maas (SPD) ernüchtert, ja desillusioniert von dem, was er und die deutschen Diplomaten in New York erlebt haben. Nur noch bedingt handlungsfähig sei der Rat, sagt Maas - ausgerechnet in dem Jahr, in dem die Weltorganisation ihre Gründung vor 75 Jahren gefeiert hat. Aber so ist es, wenn die privilegierten Mitglieder - diejenigen, die einen ständigen Sitz innehaben und mit Vetorecht ausgestattet sind - sich nicht einig sind. Dann ist das Gremium paralysiert. Russland, China und die Vereinigten Staaten waren sich oft nicht einig. Menschen in Kriegs- und Konfliktgebieten, jenen, die auf Hilfe angewiesen sind, kommt diese Uneinigkeit teuer zu stehen. (.).


«de Volkskrant»: EZB könnte kaum etwas gegen eine Inflation tun

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Mittwoch die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank in Corona-Zeiten:

«Ein wirtschaftlicher Zusammenbruch ist ausgeblieben, jedenfalls in der westlichen Welt. Das darf man ruhig ein Wunder nennen. Die große Frage ist nun, wie es weitergehen soll. Da lauern einige Gefahren. (...) In der Vergangenheit führte eine Geldpolitik, wie die EZB sie derzeit betreibt, früher oder später zu einer Inflation. Eigentlich ist davon auch schon lange die Rede. Der Anstieg der Preise für Immobilien und Aktien ist im wesentlichen eine Form von Inflation, also der Geldentwertung. Jedoch ist diese Art von Inflation für die Wirtschaft nicht katastrophal. Erst wenn auch die Preise für unsere tägliche Lebensführung nach oben gehen, gibt es ein - großes - Problem. Ob es dazu kommt, lässt sich nicht vorhersagen. Wir wissen aber, dass die EZB nur wenig tun könnte, um eine Inflation zu bekämpfen. Dann die Zinsen zu erhöhen ist eigentlich keine Option, denn dadurch würden viele Länder schnell große finanzielle Probleme bekommen.»


«Rzeczpospolita»: Deutschlands Geschenk für Joe Biden

WARSCHAU: Zum Streit zwischen Deutschland und den USA um die Pipeline Nord Stream 2 schreibt die konservative polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Mittwoch:

«An der Schwelle zur Amtseinführung von Joe Biden hat Berlin grünes Licht für die Wiederaufnahme des Pipeline-Baus gegeben. Die Verlegung der Rohre in deutschen Küstengewässer steht kurz vor dem Abschluss, nun muss Dänemark noch 100 Kilometer verlegen. Auf diese Weise ist ein echtes Rennen um die Zeit zwischen Deutschland und Amerika entstanden. Denn sowohl auf Initiative der Republikaner als auch der Demokraten wird der Kongress demnächst neue, wesentlich härtere Sanktionen gegen das Konsortium verhängen, das am Bau von Nord Stream 2 beteiligt ist. Nicht nur die Firmen, die die Rohre verlegen, sondern auch die Unternehmen, die das Projekt finanzieren und versichern, sollen künftig von Geschäften mit den USA ausgeschlossen sein.

Trotzdem hat Deutschland nicht die Absicht, die Sache zu stoppen. An der Spree macht sich schon lange das bemerkbar, was die Russen «Schröderisierung» nennen: Die Abhängigkeit der politischen Klasse von den mehr oder weniger korrupten Projekten des Kreml. Widerstand gegen das Projekt leisten nur die Grünen - zu wenig, um sich den mächtigen politishen und wirtschaftlichen Interessen entgegenzustellen.»


«The Times»: EU und britische Finanzbranche vor harten Verhandlungen

LONDON: Finanzdienstleistungen sind vom Brexit-Handelspakt weitgehend ausgenommen. Dazu meint Londoner «Times» am Mittwoch:

«Um es klar zu sagen: Die britische Finanzdienstleistungsbranche wird von diesem Freitag an weniger Zugang zum EU-Binnenmarkt haben. Beiden Seiten stehen harte Verhandlungen darüber bevor. Für Großbritannien ist es jedoch wichtig zu betonen, dass die Finanzwirtschaft eine Erfolgsgeschichte ist, die weit über die Großkundengeschäfte der Londoner City (des Bankenviertels) hinausgeht, und dass der Sektor unabhängig vom Brexit Wettbewerbsvorteile behalten wird. (...)

Wenn Großbritannien florieren soll, muss es Waren und Dienstleistungen auf ausländischen Märkten verkaufen. Dies wird durch die Tatsache erschwert, dass die britischen Finanzdienstleister ihre «Passport»-Rechte verloren haben, die es ihnen bislang ermöglichten, ohne zusätzliche regulatorische Genehmigung im EU-Binnenmarkt tätig zu sein. Daher müssen britische Firmen entweder die regulatorischen Anforderungen jedes einzelnen EU-Mitgliedsstaates erfüllen oder sich darauf verlassen, dass die EU das britische Regelwerk insgesamt als «gleichwertig» mit ihrem eigenen beurteilt. Idealerweise sollten die Verhandlungen darauf abzielen, diese Gleichwertigkeit auf eine dauerhafte Basis zu stellen.»


«De Standaard»: Zweifel an strategischem Ansatz der EU

BRÜSSEL: Zum geplanten Investitionsabkommen zwischen der EU und China schreibt die belgische Zeitung «De Standaard» am Mittwoch:

«Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wird wohl so enden, wie Angela Merkel es immer wollte: mit einem Investitionsabkommen zwischen der EU und China. Ist das eine gute Sache? (...) Besonders in politischen Kreisen wird betont, dass China, trotz aller Unzulänglichkeiten, nie zuvor Zugeständnisse dieses Formats gemacht hat. (...)

Tatsächlich hat Peking unter dem Druck von Handelszöllen in diesem Jahr bereits ähnliche Zugeständnisse an die USA im Rahmen des Phase-One-Deals gemacht, der das selbe Schema anwendet wie Peking. Zugeständnisse werden in Bereichen gemacht, in denen China bereits stark genug ist, um konkurrenzfähig zu sein, oder wo europäisches Know-how Lücken füllt (man denke an Krankenhäuser in Städten mit zehn Millionen Einwohnern).

EU-Quellen weisen darauf hin, dass die EU durch dieses Abkommen «auf Augenhöhe» mit Washington kommt. Mit anderen Worten: ein Aufholmanöver, kein Schritt nach vorn. Aber die EU ist den Zahlen zufolge als Handelspartner für China wichtiger als die USA. Dass sie dies nicht ausnutzen konnte und in Rückstand geriet, sagt einiges über den strategischen Ansatz Europas aus.»


«Washington Post»: Erhöhte Corona-Hilfen sind eine schlechte Idee

WASHINGTON: Mit Blick auf das politische Gerangel in den USA um eine Anhebung der Corona-Hilfszahlungen und die Auswirkungen auf die am kommenden Dienstag anstehenden Stichwahlen um zwei Senatssitze im Bundesstaat Georgia hat, schreibt die US-Zeitung «Washington Post»:

« (...) Aber wenn die Auszahlung von 2000 Dollar eine schlechte Idee ist, ist sie eine schlechte Idee, die aus politischen und nicht wirtschaftlichen Gründen aufkam. Die Hauptschuld trägt Präsident Trump, der die ursprüngliche Version von 600 Dollar pro Person als zu gering kritisierte und damit drohte, sein Veto gegen das Konjunkturpaket einzulegen. Das schuf eine Gelegenheit für die Demokraten im Kongress, die versuchen, den simplen Reiz des Gesetzentwurfs auszunutzen, um den beiden Kandidaten ihrer Partei in Georgia bei den Stichwahlen für den Senat am 5. Januar zu helfen. (...)»


«El Mundo»: Gespenst einer harten Grenze zu Gibraltar

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Mittwoch die fehlende Brexit-Einigung zwischen Madrid und London über das britische Gibraltar, das auch von Spanien beansprucht wird:

«In Gibraltar geht das Gespenst einer harten Grenze um, während sich das Jahresende ohne ein Abkommen zwischen Spanien und dem Vereinigten Königreich nähert. London und Brüssel haben eine Einigung über ihre künftigen Beziehungen erzielt, aber für die Kolonie Gibraltar steht das aus. Die 34.000 Einwohner, die (2016) massiv für einen Verbleib in der EU stimmten, wissen noch immer nicht, was die Zukunft bringen wird. Täglich passieren Tausende Spanier den Übergang nach Gibraltar, um dort zu arbeiten. Viele befürchten, dass sich die Bilder kilometerlanger Staus vor Dover in Gibraltar wiederholen könnten.

Das Außenministerium (in Madrid) sollte den historischen spanischen Anspruch auf Co-Souveränität (über Gibraltar) geltend machen und sich zugleich um ein Abkommen bemühen, das den spanischen Arbeitnehmern wirtschaftlich zugute kommt. Sonst wird Gibraltar ein Drittland, eine Außengrenze der EU, und die Vorteile, die die Union den Briten gewährt, werden nicht für Gibraltar gelten. Die Menschen dort haben ein Interesse daran, ihren neuen Status auszuhandeln. Spanien sollte dies zum Vorteil beider Seiten nutzen.»


«Corriere della Sera»: Abtreibungsfrage ist in Lateinamerika brisant

ROM: Über den Vorstoß in Argentinien zur Legalisierung von Abtreibungen schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Mittwoch:

«In Lateinamerika ist das Thema immer noch tabuisiert. Es liegt an Argentinien, dem Geburtsort von Papst Franziskus, zu versuchen, das Blatt zu wenden. (...) Ganz Lateinamerika und die katholische Kirche haben (...) nach Buenos Aires geschaut, an die Spitze einer Kampagne, die sich wie ein Lauffeuer über den Kontinent ausbreitet. Nur Kuba, Uruguay und Guyana erlauben einen freien Schwangerschaftsabbruch. In anderen Ländern, auch wenn sie von linken Kräften regiert werden, ist er nur in Fällen einer ernsten Gefahr für die Gesundheit der Mutter oder nach einer Vergewaltigung zulässig. Aber der Wind dreht sich. Die Demonstrationen zugunsten der freien Entscheidung vervielfachen sich von Costa Rica bis nach Kolumbien, von Mexiko bis nach Ecuador.»


«NZZ»: Peking schießt mit Kanonen auf Spatzen

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch die Verurteilung der chinesischen Bloggerin Zhang Zhan zu einer vierjährigen Haftstrafe:

«Chinas Machthaber machen einmal mehr überdeutlich, dass sie nicht bereit sind, ihr Meinungsmonopol mit irgendjemandem zu teilen. Kritische Berichte über die chaotischen und dramatischen Zustände in der Stadt Wuhan, wo vor bald einem Jahr die Coronavirus-Pandemie ihren Anfang nahm, sind für die Kommunistische Partei inakzeptabel. Wer solche Berichte verbreitet, wie das Zhang im Frühjahr getan hatte, hat «Streit angefangen und Ärger provoziert», wie es im Urteil heißt. Dafür kennt das System nur eine Antwort: Gefängnis!(...)

Der Fall Zhang Zhan zeigt auch, dass Chinas Machthaber mit Kanonen auf alle Spatzen schießen, die irgendetwas nicht Genehmes zwitschern. Die Videos der Bloggerin auf Youtube, die in China nicht frei zugänglich sind, sind nur ein paar tausend Mal angeschaut worden. Doch mit ihrer Verurteilung hat Zhang weltweit Aufmerksamkeit erhalten, die sie auf eigene Faust nie hätte erreichen können. Aus der internen Logik des Systems mag das harte Vorgehen gegen sie und andere Kritiker nachvollziehbar sein. Insgesamt schadet sich Peking mehr, als es gewinnt.»


«Diena»: Corona ist ein Test für uns alle

RIGA: Zur Corona-Pandemie schreibt die lettische liberale Tageszeitung «Diena» am Mittwoch:

«Es war und ist ein Test der Demokratie, dort wo sie denn respektiert wurde. Es ist ein Test der Fähigkeiten der nationalen Regierungen im Krisenmanagement, ein Test der Fähigkeit der Gesellschaft, inwieweit sie gewissenhaft und selbstdiszipliniert sein kann. Und auch ein Test unserer Fähigkeit, aus den Erfahrungen des Wandels, einschließlich Fehlern, zu lernen.

Noch im Sommer stellte sich die Frage: Sind wir nach der ersten Welle der Pandemie schlauer geworden? Haben wir gelernt, uns auf die zweite Welle vorzubereiten, deren Unvermeidlichkeit klar war? Es schien - ja. Jetzt aber sehen wir, dass die Antwort weitgehend nein lautet.»


«L'Alsace»: Kein Platz für unabhängigen Journalismus in China

MÜHLAUSEN: Zur Verurteilung einer Bürgerjournalistin in China schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «l'Alsace» am Mittwoch:

«Die chinesische Anwältin und selbst ernannte Bürgerjournalistin Zhang Zhan (37 Jahre alt) wurde am Montag wegen «Unruhestiftung» zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. (...) Ihre einzige Missetat ist es, seit Anfang letzten Februars Informationen aus erster Hand über ein mysteriöses Virus zusammengetragen zu haben, das in Wuhan grassierte...(...)

Nein, es ist nicht gut, unabhängiger Journalist im Reich des zuckersüßen Genossen Xi Jinping mit seinem sanften Lächeln zu sein. Weder prodemokratischer Separatist in Hong Kong. Noch Tibetaner. Noch türkischstämmiger und muslimischer Uigure (...). Aber keine Sorge: (...) China bleibt mehr denn je geschäftsfreundlich. Das Land und die Europäische Union stehen kurz vor dem Abschluss eines umfassenden Investitionsabkommens (...). Champagner!»


«Wedomosti»: Nawalnys Deutschland-Exil könnte ihm Probleme bereiten

MOSKAU: Nachdem die russische Strafvollzugsbehörde Alexej Nawalny mit Haft gedroht hat, schreibt die russische Tageszeitung «Wedomosti» am Mittwoch über die Zukunft des Kremlkritikers:

«Der Oppositionspolitiker, der sich derzeit zur Genesung in Deutschland befindet, kann natürlich nach Russland zurückkehren, riskiert damit aber mindestens Freiheitsentzug. (...) Doch das ist nicht das einzige Risiko, das mit Nawalnys Rückkehr nach Russland verbunden ist. In Deutschland befindet er sich schließlich, weil - wie eine gemeinsame Recherche von The Insider, Bellingcat und CNN bestätigt hat - Mitarbeiter des (russischen Inlandsgeheimdienstes) FSB ihn zu vergiften versucht haben. (...)

So oder so ist eine Rückkehr Nawalnys in dieser komplizierten Situation erschwert. Doch ohne seine persönliche Anwesenheit im Land kann Nawalnys Projekte das gleiche Los treffen wie die Projekte des bekannten Politemigranten Michail Chodorkowski: Jede mit ihnen verbundene Aktivität in Russland stufen die Behörden als äußerst unerwünscht ein.»

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